Einladung ins Rathaus
Berührt von der Hilfsbereitschaft - ukrainische Flüchtlinge treffen sich in Bernau
- VonUlrich Nathen-Bergerschließen
Sie haben alles verloren und sind in einem fremden Land: Flüchtlinge aus der Ukraine trafen sich nun im Bernauer Gemeindehaus. Über große Hilfsbereitschaft, Bürokratie und warum man aus den Erfahrungen 2015/16 wenig gelernt hat.
Bernau – Die Anspannung steht den Frauen, Männern und Kindern ins Gesicht geschrieben, nur wenige unterhalten sich leise, die Stimmung auf dem Kirchenvorplatz in der Bernauer Sommerlandstraße scheint gedrückt. Ihre Blicke richten sich auf den Eingangsbereich des evangelischen Gemeindehauses, Schweigen macht sich breit.
„Ich heiße Sie im Namen der Gemeinde recht herzlich willkommen“, begrüßt Bürgermeisterin Irene Biebl-Daiber (CSU) die rund 30 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Übersetzt wird ihre kurze Ansprache von zwei Bernauerinnen mit entsprechenden Sprachkenntnissen. „Sie dürfen sich jederzeit im Rathaus melden, wenn sie etwas benötigen für ihr Leben hier im Dorf“, versichert die Bürgermeisterin. Jetzt seien sie alle eingeladen, im Gemeindehaus bei Kaffee und Kuchen Bekanntschaften untereinander zu schließen. Die Mienen erhellen sich, wenig später dringt aus dem Saal ein nicht abreißendes Stimmengewirr in fremder Sprache, immer wieder übertönt von Kinderlachen.
Wunsch nach Rückkehr
„Sie sind alle sehr dankbar für die Einladung und auch berührt von der herzlichen Hilfsbereitschaft“, erklärt eine Kontaktperson der Flüchtlinge, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Was bei den Gesprächen deutlich werde: „Die meisten von ihnen möchten wieder zurück in ihre Heimat, sobald es nur möglich ist.“ Dennoch würden sich alle freuen über diese Möglichkeit, sich mit Landsleuten austauschen zu können.
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Das sei die Grundidee für dieses Treffen gewesen, zeigt sich Maria Oberlechner im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen erleichtert. Ins Leben gerufen habe dieses Angebot mit ihr ein kleiner Kreis von Personen, die in Bernau in verschiedenen sozialen Bereichen organisiert seien und zum Beispiel schon in vergangenen Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv waren.
Die ganze Gemeinde engagiert
Beteiligt seien neben einigen Privatpersonen die ökumenische Kranken- und Bürgerhilfe, der katholische Frauenbund Bernau, Pfarrerin Bettina Heckner von der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Aschau und Bernau, der stellvertretende Vorsitzende des katholischen Pfarrgemeinderats, Gregor Thalhammer sowie der Flüchtlingsbeauftragte der Gemeinde, Johannes Feitl. „Den Gemeindesaal kenne ich durch eine Krabbelgruppe; es ist ein Raum, der Wärme ausstrahlt“, so die 39-Jährige, die als medizinische Fachkraft in einer Arztpraxis arbeitet. „Die Kuchenorganisation hat eine Dame aus dem Frauenbund übernommen, eine Gruppe hat sich überlegt, was den Kindern angeboten werden kann und die Künstlerin Steffanie Dirscherl aus Bernau hat Ölpastelkreiden fürs Malen bereitgestellt.“
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Auch ihr Eindruck sei, dass die Familien zunächst unter sich bleiben möchten und familienweise an den Tischen sitzen. „Das ist aber ganz normal, das kennen wir schon von früheren Treffen mit Flüchtlingen aus Syrien oder Afghanistan“, sagt Maria Oberlechner.
Bürokratie im Hintergrund
Voll gefordert von der neuen Flüchtlingssituation ist mit der Migrationsberatung derzeit Johannes Feitl. Denn die Zufluchtsuchenden aus der Ukraine sollen schnell und unkompliziert eine Aufenthaltserlaubnis und eine Arbeitsgenehmigung bekommen, wie er unserer Zeitung erklärt. „Dafür müssen sie sich in der Ausländerbehörde des Landratamtes Rosenheim registrieren lassen. Sie werden dort beraten und können auch Leistungen in Anspruch nehmen.“
Wartezeiten für Sprachkurse
Bei der Volkshochschule Chiemsee (VHS) habe die Gemeinde Bernau 30 Plätze für Deutsch-Sprachkurse beantragt, „die VHS muss sich dafür aber grünes Licht vom Bundesamt für Migration geben lassen, bevor ein Kurs für die Flüchtlinge starten kann. Das sollte eigentlich relativ unkompliziert funktionieren“, so Feitl. Allerdings gebe es zunehmend Wartezeiten, „weil die Behörde offenbar eine Flut solcher Anträge zu bearbeiten hat“.
Die Unterkünfte in Bernau für die Flüchtlinge seien von Privatleuten bereitgestellt worden, so Feitl. „Ihre Wohnungen haben sie dem Landratsamt gemeldet, dann wurden ihnen die Kriegsflüchtlinge zugewiesen.“ Die Behörde übernehme die entstehenden Kosten. „Mir fällt aber auf, dass die Organisations-Situation wie schon in den Jahren 2015 und 2016 recht chaotisch ist“, findet Feitl.