Technische Genialitäten hinter den Kulissen
Dem royalen „Technikfreak“ auf der Spur: Einblicke beim König-Ludwig-Abend auf Herrenchiemsee
Anlässlich des 177. Geburtstages von König Ludwig II. haben Besucher auf Herrenchiemsee exklusive Einblicke hinter die Schlossmauern erhalten. Und dabei erfahren, dass der einstige Märchenkönig durchaus auch den Beinamen „Technikfreak“ verdient gehabt hätte.
Von: Rebecca Habtemariam
Chiemsee – In einer Reihe geht die 20-köpfige Gruppe das enge Steintreppenhaus hinunter. „Vorsicht“, warnt Stefan Sysker, „Es wird jetzt erst sehr heiß und dann wieder sehr kalt.“ Dann öffnet er die schwere Tür zu den Geheimnissen des Schlosses.
Stefan Sysker ist von der bayerischen Schlösserverwaltung und leitet eine Führung zu der Technik des Schlosses Herrenchiemsee. Anlass ist der König-Ludwig-Abend zum 177. Geburtstag des Königs. Um an Ludwigs Vermächtnis zu erinnern, hat die Schlösserverwaltung nicht nur die Tore des Schlosses geöffnet, sondern auch die Kellertüren – ein Blick hinter die Kulissen. 400 Besucher haben über Lesungen, kleine Konzerte und Sonderführungen den König und das Schloss besser kennengelernt. Aufgrund der Pandemie fand die Veranstaltung zwei Jahre später als geplant statt.
Gründer der TU München
„König Ludwig war jemand, der zu einer Zeit Schlösser gebaut hat, in denen das niemand mehr gemacht hat“, sagt Stefan Sysker. Aber obwohl Ludwig die Monarchie durch seine Schlösser aufrecht erhalten wollte, war er ein großer Technik-Fan und Förderer, denn: König Ludwig ist Gründer der TU München. Selbst hat er aber nicht viel von Technik verstanden. Sein Motto: „Mir egal wie es funktioniert, ich will es sehen“.
Unter anderem deshalb hat er sich in seinen Garten die erste Lichtshow der Welt bauen lassen. Auch seine Badewanne – oder eher sein Pool – war der Zeit voraus. Sysker zeigt der Gruppe im Keller den unteren Teil der Badewanne. Hier ist vom Prunk der Säale und der Fassaden nicht mehr viel zu sehen. Nur Staub, Backsteine und kalte Böden – Keller eben.
Technische Genialitäten
Aber in dem Untergeschoss sind einige der technischen Genialitäten des Schlosses versteckt: Zum Beispiel der Ofen, der das Badezimmer und die passende 60.000-Liter-Marmor-Badewanne beheizt hat. Die Metallstäbe des Ofens führen über den Keller bis in das Badezimmer hoch, um das Wasser und die Wanne zu erhitzen. Abluftlöcher im Bad regulieren die Luftfeuchtigkeit. Vier Stunden Wassereinlassen und vier Stunden Heizen: So lange hätte es gedauert, um dort ein Bad nehmen zu können – wenn der König die Wanne je genutzt hätte.
Sysker steigt gemeinsam mit den Besuchern über ein unfertiges Treppenhaus in das oberste Geschoss. Hier zeigt er die Schlossdecke: Zwei übereinandergebaute Glasdächer – schon damals gab es ein ein Sicherheitsdach. König Ludwig wollte vom Erdgeschoss aus die Sterne sehen. Heute ist ein Teil des Daches aus undurchsichtigem Glas.
Die Führung geht in einem der Technikräume weiter. Sysker zeigt eine dunkelblaue Kurbel an der Wand. „Mit so einem Gerät wurden die Luster immer hoch- und runtergefahren.“ Um die Kronleuchter zu bewegen hat es früher jeweils zwei Personen und circa acht Minuten gebraucht.
Heute läuft alles über einen Knopf. Herrenchiemsee sah schon zu Ludwigs Zeit von außen alt aus. Von innen aber war es für damalige Zeiten ein High-Tech-Gebäude. Und moderner, als viele Gäste an diesem Abend vermutet hätten.