550 Kilogramm Müll in der Hirschauer Bucht
„Die Lage wird schlimmer“: So steht es um die Vermüllung der Rastplätze am Chiemseeufer
- VonJens Kirschnerschließen
- Oliver Langschließen
Autoreifen und Plastikflaschen im See, Kippenstummel in Forellen – ein Teil davon stammt wohl vom Rastplatz Chiemsee, der an der A8 zwischen Übersee und Bernau liegt und von dem der Ausblick auf das Bayerische Meer eigentlich ganz schön sein könnte.
Bernau/Grabenstätt – 550 Kilogramm Restmüll allein in der Hirschauer Bucht: Das ist das Ergebnis der alljährlichen Müllsammelaktion des Wasserwirtschaftsamts Traunstein, die von der Flussmeisterstelle Salzach durchgeführt wurde. Eine durchaus mühsame Arbeit, da das Treibholz keinen stabilen Untergrund bildet, jeder Schritt vorsichtig gesetzt werden muss.
Müll im Naturschutzgebiet
Die Bucht selbst liegt in einem Naturschutzgebiet und darf nur mit einer naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung der Regierung von Oberbayern besucht werden. Weil sie zu Fuß nicht erreichbar ist, fuhren die Müllsammler per Boot zum Einsatzort. Der gesammelte Müll, darunter viele Glas- und Plastikflaschen sowie Autoreifen, wird nun fachgerecht getrennt und ordnungsgemäß entsorgt.
Polizei oft ohne Hinweis
Auch die Mitglieder der Wasserwachtstationen rund um den Chiemsee und die Wasserschutzpolizei sammeln regelmäßig umhertreibenden Müll. Selbst Autoreifen und Kanister hat man schon aus dem Chiemsee fischen müssen, wie der Leiter der Wasserschutzpolizei Prien, Roland Kempf, berichtet. Schwierig freilich ist es für die Beamten im Nachhinein herauszufinden, wer sich hier widerrechtlich von seinem Unrat getrennt und damit die Umwelt verschmutzt hat.
Autobahnmeisterei wird der Vermüllung nicht Herr
Ein Teil dieses Mülls stammt auch vom Rastplatz Chiemsee an der A8. Denn regelmäßig finden sich dort übervolle Tonnen. Bewirtschaftet wird die Fläche von der bundeseigenen Autobahn GmbH durch die örtlich zuständigen Autobahnmeistereien. Dreimal pro Woche rücken deren Mitarbeiter aus, um die Behälter an besagtem Rastplatz zu leeren. Einmal die Woche sind sie vor Ort, um jenen Müll einzusammeln, der es gar nicht erst in die Müllbehälter geschafft hat und in der Umgebung herumliegt. Schwimmt er bereits im See, müssen die Kräfte in Wathosen den Unrat aus dem Wasser auflesen. Das berichtet Josef Seebacher, Sprecher der südbayerischen Niederlassung der Autobahn GmbH.
Sogar Sofas „schaffen es“ in den See
Und besser wird‘s augenscheinlich nicht: „Nach unserer Einschätzung hat die Ablagerung von Müll eher zugenommen“, sagt Seebacher. „Von übermütigen Personen wurde auch schon die gefüllte Mülltonne über die Kaimauer in den See geworfen und musste wieder eingesammelt werden.“ Er kann bestätigen, dass es tatsächlich schon alle Arten von Müll in den Chiemsee „geschafft“ hätten: Matratzen, Gefahrstoffe, Sofas, Kanister oder gar Kühlschränke.
Und gerade besagter Rastplatz scheint ein Sorgenkind der Glaninger GmbH zu sein, die entlang der A8 mehrere Raststätten betreibt. Denn die hohe Attraktivität des Parkplatzes mit dem „schönen Chiemseeblick“ locke mehr Autofahrer dorthin als auf andere Parkplätze. „Das führt auch zu einer eher stärkeren Verschmutzung und Vermüllung.“
Auffällig hohe Mikroplastik-Werte
Vor drei Jahren machten sich Forscher der Universität Bamberg daran, den Eintrag von Mikroplastik im Chiemsee zu untersuchen. Damals sprachen die Forscher von „auffällig hohen Werten an Mikroplastik“ an der Hirschauer Bucht östlich des Mündungsdeltas der Tiroler Ache. Gerade hier finden sich immer wieder große Mengen an Kunststoff im Wasser.
Reifenabrieb oder Plastikmüll?
Aber der Eintrag von Mikroplastik in den Chiemsee komme nicht hauptsächlich durch eben jenen Müll, den Menschen unachtsam im Wasser entsorgen. So ist es zumindest einem Papier des EU-Projektes „LIFE Blue Lakes“ zu entnehmen, welches sich mit dem Problem von Mikroplastik in Seen beschäftigt. „Die bedeutendste Ursache für Mikroplastik ist laut einer Studie des Umweltbundesamtes der Reifen- und Straßenabrieb und dessen Auswaschung in die Gewässer“, ist darin zu lesen.
Umweltbeauftragte des AUV sieht Müll als Ursache
Diese Auffassung teilt Susanne Mühlbacher-Kreutzer nicht. Die Umweltbeauftragte beim Abwasser- und Umweltverband (AUV) Chiemsee ist der Ansicht, dass der größte Teil an Mikroplastik im Chiemsee jenem Müll entstammt, welcher in jedem Jahr aus dem Bayerischen Meer gefischt wird. Zerfallene oder zermahlene Plastikteile machten den größten Anteil des Mikroplastiks aus. Mühlbacher-Kreutzer verweist auf eben jene Pilotstudie „Mikroplastik in bayerischen Seen“ des Bayerischen Umweltministeriums, ausgeführt von der Universität Bamberg.
Von den Kindern zu den Eltern
Sollten die Rastanlagen entlang des Chiemsees dann nicht besser geschlossen werden? Nein, findet die Umweltbeauftragte. „Wir müssen mit den Gegebenheiten umgehen, die es gibt.“ Stattdessen setzt der Abwasser- und Umweltverband auf Prävention durch Aufklärung. Darunter in Kindergärten und Schulen. Im Idealfall, so die Hoffnung, erreichten die Kinder damit auch ihre Eltern mit der Botschaft, möglichst viel Plastikmüll zu vermeiden.
Chiemseefischer noch nicht besorgt
Auch wenn das Müllproblem offenbar schwierig in den Griff zu bekommen ist: Die Chiemseefischer sind derzeit noch nicht besorgt. „Bei uns landet schon Plastik mit in den Netzen. Es ist aber nicht so, dass wir nicht damit umgehen könnten“, sagt Florian Kirchmeier, Vorsitzender der Fischereigenossenschaft Chiemsee. Auch beim Mikroplastik sieht er noch keine Gefahr für die Qualität der Fische, die er und seine Kollegen fangen. Zweimal im Jahr würden diese von der Lebensmittelkontrolle untersucht. Bislang habe sich noch kein Eintrag von Mikroplastik im Muskelfleisch der Fische gezeigt.
Probleme sind greifbar
Aber wenn dem jemals so sein sollte: „Dann haben wir ein Problem.“ Ein Problem hatte sicher auch die Forelle, die in einem Netz des Chiemseefischers Philipp Böss landete. Sie habe gleich mehrere Zigarettenkippen im Magen gehabt.