Haushalt für 2023 mit Millionen-Kredit ausgeglichen
„Wo ist das Sondervermögen?“: Warum Bruckmühls Finanzlage fast so traurig wie das deutsche WM-Aus ist
- VonKathrin Gerlachschließen
Genauso ernüchternd wie das WM-Spiel der Deutschen war die gleichzeitig stattfindende Haushaltsdebatte im Markt Bruckmühl. Aber anders als die Nationalspieler hatten die Gemeinderäte keinen Einfluss auf das Ergebnis. Und auch das Handtuch warf keiner von ihnen.
Bruckmühl – Punkt 20 Uhr startete Kämmerer Michael Lindner am Donnerstag, 1. Dezember, die Präsentation des Haushaltsplanes 2023. Und während in der zehnten Minute in Katar mit dem Tor von Serge Gnabry kurzzeitig Euphorie herrschte, gab die finanzielle Lage der Gemeinde dafür keinen Grund. „So düster wie diesmal war der Ausblick auf die kommenden Jahre noch nie“, stimmte Bürgermeister Richard Richter (CSU/PW) auf das Zahlenwerk ein: „Wir haben eine sehr gute Einnahmesituation. Trotzdem fließt uns das Geld in alle Richtungen davon. Die Finanzkraft, die wir hätten, wird uns abgegraben.“
Mehrkosten für Energie liegen bei 1,4 Millionen Euro
Die Mehrkosten für Energie liegen im kommenden Jahr bei 1,4 Millionen Euro. Mit der Kreisumlage fließen 11,2 Millionen Euro weg. „Wir können die Materialkosten nicht beeinflussen, was sich auf alle Investitionen, den Straßen- und Gebäudeunterhalt auswirkt“, betonte Richter.
Dass der Markt Bruckmühl trotzdem mit einem ausgeglichenen Haushalt mit einem Gesamtvolumen von 63,4 Millionen Euro ins neue Jahr starten kann, liegt am „Spielmacher“ im Finanzteam der Gemeinde: „Es ist der Findigkeit unseres Kämmerers zu verdanken. Er findet eine Lösung, auch wenn es scheinbar keine mehr gibt“, lobte der Bürgermeister Michael Lindner und gab gleichzeitig einen ernüchternden Ausblick: „Das Jahr 2023 war geradeso machbar. Doch bei den Belastungen, die auf uns zukommen, wird mir mulmig.“
Allein beim Stichwort „Gas“ war allen klar, dass die Energiekrise weitere enorme Löcher in den Haushalt reißen wird. „Im kommenden Jahr wird uns dieses Problem treffen. Mit unseren Schulen und dem Klärwerk sind wir Großabnehmer für Gas“, so Richter. Noch bis zum 31. Dezember 2023 hat die Marktgemeinde einen Festvertrag. Danach müsste sie nach jetzigen Prognosen mindestens das Dreifache des aktuellen Preises für die Kilowattstunde zahlen.
Der Verwaltungshaushalt hat ein Volumen von 44,9 Millionen Euro. Wichtigste Säule sind die Gewerbetreibenden und Bürger der Gemeinde, von denen eine Gewerbesteuer von 13,6 Millionen Euro und eine anteilige Einkommenssteuer von 12,7 Millionen Euro ins „Stadtsäckel“ fließen. Der größte Ausgabeposten ist die Kreisumlage mit 11,2 Millionen Euro. Die Personalkosten stiegen auf 10,43 Millionen Euro aufgrund von Tarifanpassungen und geringfügiger Personalmehrungen. Mit enormen Verteuerungen wird beim Unterhalt von Gebäuden, Wegen, Straßen, Gewässern, Friedhöfen und Fahrzeugen sowie bei der Abwasserentsorgung gerechnet. Auch die Aufwendungen für Schutzkleidung der Feuerwehen steigen an. Trotzdem gelingt es, dem Vermögenshaushalt eine Million Euro zuzuführen.
Der Vermögenshaushalt umfasst 18,46 Millionen Euro. Um ihn auszugleichen, muss die Marktgemeinde allerdings einen Kredit von 8,3 Millionen Euro aufnehmen. Ohne den Kredit könnten wichtige Investitionen in Höhe von 17,6 Millionen Euro nicht durchgeführt werden. „Dabei binden die Pflichtausgaben so viele Finanzmittel, dass wir für Träume absolut keinen Spielraum haben“, machte der Kämmerer klar. Ein deutlicher Schuldenanstieg der Marktgemeinde in den kommenden Jahren sei nicht zu verhindern. 2023 steigen die Schulden auf 17,8 Millionen Euro. Das entspricht einer Pro-Kopf-Verschuldung von 1074 Euro.
Zu den Pflichtaufgaben zählt unter anderem die Bereitstellung von ausreichend Betreuungsplätzen in Kindereinrichtungen. 2023 schlägt die Kita an der Rösnerwiese schon mit 3,6 Millionen Euro zu Buche. Im März 2025 soll sie bezugsfertig sein. Insgesamt kostet das Projekt 14 Millionen Euro. „Diese Preissteigerung hat mich wirklich schockiert“, räumt Kämmerer Lindner ein. War nach einer planerischen Faustregel mit Investitionskosten von einer Million Euro für eine Gruppe gerechnet worden, haben Energie- und Rohstoffkrise den Preis fast verdoppelt. Das Projekt hat letztlich ein Volumen von 14 statt acht Millionen Euro. „Die Zuschüsse von Bund und Land aber bleiben gleich“, kritisiert Lindner. Unterm Strich bedeute das für die Kommunen, dass aus theoretischen Förderquoten von 90 Prozent in der Praxis tatsächliche 30 Prozent werden.
Aus dem Vermögenshaushalt müssen auch Baumaßnahmen für die Übergangskita in Götting und für die Vorbereitung des Anspruchs auf Ganztagsbetreuung an den Grundschulen der Gemeinde finanziert werden. Wichtige Projekte des kommenden Jahres sind außerdem die Sanierung des Trinkwasserhochbehälters am Wasserwerk, die Sanierung der Abwasserleitungen in Bruckmühl, die Erweiterung der Kläranlage, die Sanierung der Aussegnungshalle am Friedhof Hinrichssegen, der Bau von Straßen, Geh- und Radwegen oder der Hochwasserschutz für die Menschen am Fuße des Irschenbergs. „Hinter allen Investitionen stecken Ausgaben für tolle Menschen“, betonte der Bürgermeister. Er freut sich besonders auf die Kulturmühle, deren Eröffnung aufgrund der Lieferengpässe am Bau von Oktober aufs neue Jahr verschoben werden musste.
„Wir werden uns bemühen, aus dem Mangel, der uns droht, das Beste zu machen“, versicherte Bürgermeister Richard Richter. Er dankte dem Kämmerer für seine „hervorragende Arbeit“. Dem schloss sich Klaus Christoph, Fraktionsvorsitzender von CSU/PW an. „Nach vielen Besprechungen und Abstimmungen ist ein beeindruckendes Zahlenwerk entstanden. Und das in einer Zeit, in der wir mit so vielen Unwägbarkeiten umgehen müssen.“
Einstimmiger Haushaltsbeschluss
Georg Pritzl (OLB) motivierte dazu, optimistisch in die Zukunft zu blicken: „Wir müssen einfach neue Wege gehen.“ Vielleicht wäre ein Schattenhaushalt ja eine Lösung, witzelte Bürgermeister Richter und fragte seinen Kämmerer in Anspielung auf seinen „großen“ Namensvetter: „Wo ist Ihr Sondervermögen, Herr Lindner?“
20.45 Uhr: Die erste Halbzeit des WM-Spiels und die Haushaltsdebatte sind zu Ende. Die angespannte finanzielle Lage der Marktgemeinde veranlasste keinen der anwesenden 18 „Spieler“ dazu, das Handtuch zu werfen. Parteiübergreifend bleiben alle Räte am Ball, um ihre Gemeinde zu gestalten. Der Haushaltsplan für 2023, der Finanzplan bis 2026 und die Haushaltssatzung wurden einstimmig (18:0) verabschiedet.
Auch die deutsche Mannschaft hat ihr Match gegen Costa Rica schließlich gewonnen. Trotzdem ist die WM für sie zu Ende. „Und so enttäuschend ist unser Haushalt dann doch wieder nicht“, relativiert Kämmerer Michael Lindner die Stimmungslage.