Hadumar Roch vom Wasserwirtschaftsamt im Interview
Sorge ums Grundwasser: Keine Untersuchung an alten Deponien in Högling und Noderwiechs geplant
- VonKathrin Gerlachschließen
Kann das Grundwasser zur Privatsache einzelner Personen werden? Und warum werden Altlastenflächen nicht sofort saniert, obwohl sie Schadstoffe ausspülen? Im Interview mit den OVB-Heimatzeitungen gibt Dr. Hadumar Roch vom Wasserwirtschaftsamt Antwort auf drängende Fragen.
Bruckmühl/Tuntenhausen – Das Trinkwasserschutzgebiet am Adlfurter Brunnen verliert seine Wirkung, weil seine erforderliche Erweiterung nicht möglich ist. Grundwasser ist trotzdem nie die Privatsache einzelner Menschen. Deshalb werden staatlichen Stellen wie das Landratsamt und das Wasserwirtschaftsamt die Qualität des Grundwassers in Adlfurt auch weiterhin im Auge behalten. Wie genau, erklärt Dr. Hadumar Roch vom Wasserwirtschaftsamt.
Warum geben Wasserwirtschaftsamt und Landratsamt Rosenheim den Schutz des Grundwassers im Einzugsgebiet des Adlfurter Brunnens auf?
Dr. Hadumar Roch: Das stimmt so nicht. Unsere Grundwasserkörper sind nach Wasserrahmenrichtlinie alle so zu schützen, dass sie sich in einem guten Zustand befinden. Dieses ist eine Gesetzesvorgabe aus dem Wasserrecht heraus. Daher müssen auch Belastungen, die über ein gewisses Maß hinausgehen, also gewisse Grenzwerte oder Orientierungswerte überschreiten, ermittelt und notfalls auch saniert werden.
Ist der Maßstab dafür eine „Nullimmission“?
Dr. Hadumar Roch: Nein. Die wäre auch überhaupt nicht mehr möglich, wenn man beispielsweise die Nitrateinträge aus der Landwirtschaft, die Einträge über den Luftpfad oder die Emissionen von entwässerten Siedlungen und Straßen betrachtet. Bei der Überschreitung gewisser toxikologisch relevanter Belastungen (Grenzwerte) werden Aktivitäten zwingend notwendig. Bei der Unterschreitung von Grenzwerten muss man beobachten, ob sich die Belastungen verändern. Die Wasserrahmenrichtlinie fordert explizit den „guten Zustand“, aber nicht den „sehr guten Zustand“.
Welcher Unterschied wird dabei zwischen Grund- und Trinkwasser gemacht?
Dr. Hadumar Roch: Beim Trinkwasser ist die Systematik eine andere. Hier wird zum einen über die Trinkwasserverordnung ein ganzes Tabellenwerk für toxikologisch abgeleitete Grenzwerte angewendet – beispielsweise die bekannten 50 Milligramm Nitrat pro Liter. Aber zum zweiten möchte der Gesetzgeber bei der Nutzung eines Wasservorkommens auch, dass vor dem Hintergrund des menschlichen Verzehrs ein besonderer grundsätzlicher Vorsorgegedanke realisiert wird.
Hier muss also nicht nur der allgemeine Grundwasserschutz gelten, zu dem unter anderem eine gute landwirtschaftliche Praxis oder Auflagen für Lagerung wassergefährdender Stoffe wie Heizöl gelten. Hier muss ein wirksames Trinkwasserschutzgebiet ausgewiesen werden.
Dieses Trinkwasserschutzgebiet muss also zusätzlich sicherstellen, dass für den menschlichen Gebrauch jegliche Gefährdung für entnommenes Trinkwasser wirksam auszuschließen ist. Und dies ist natürlich schwer möglich, wenn sogenannte Nutzungskonflikte wie Biogasanlagen oder Altlasten in einem zukünftigen Trinkwasserschutzgebiet liegen.
Grundwasser wird immer knapper. In der Mangfallschotterebene ist es bisher so gut, dass es nicht vorbehandelt werden muss, um es zur Trinkwasserversorgung verwenden zu können. Sollte man solch einen selten Schatz nicht schützen und die möglichen Gefährdungen rechtzeitig beseitigen?
Dr. Hadumar Roch: Natürlich müssen wir uns um den guten Zustand des Grundwassers kümmern. Das heißt, zuerst müssen sämtliche Verdachtsflächen priorisiert werden. Dazu muss das Landratsamt eine historische Recherche durchführen. Danach werden vom Wasserwirtschaftsamt sukzessive alle Verdachtsflächen untersucht, und es wird bewertet, ob von diesen Flächen eine Gefahr ausgeht, also ob sich aus der orientierenden Untersuchung, der Detailuntersuchung und der Sanierungsuntersuchung eine Gefahr bestätigt oder eben nicht. Erst auf dieser Grundlage fällt die Entscheidung, ob eine Altlast zu sanieren ist oder nicht.
In welchem Fall werden die Altlasten saniert?
Dr. Hadumar Roch: Sind die Schadstoffeinträge ins Grundwasser so hoch, dass an der Eintragsstelle ins Grundwasser Gefährdungen gegeben sind, also eine Grundwassergefährdung abgeleitet werden kann, geht der Weg in Richtung einer Sanierung.
Kann sich der Verdacht auf eine Kontaminierung auch zerschlagen?
Dr. Hadumar Roch: Bei vielen Altlastenuntersuchungen zeigen die Ergebnisse der vom Wasserwirtschaftsamt durchzuführenden orientierenden Untersuchung am Ende eben doch keine Gefahr und müssen nicht weiter behandelt werden. Der Hintergrund dafür ist folgender: Es geht nicht nur um das Schadstoffpotenzial in einer Altlast, also die Menge an problematischen Stoffen, die abgelagert wurden. Es geht immer auch um deren konkretes Gefährdungspotenzial für das Grundwasser.
Sind Schadstoffe nicht automatisch eine Gefahr fürs Grundwasser?
Dr. Hadumar Roch: In der Praxis kann es vorkommen, dass bei den chemischen Untersuchungen des Auffüllmaterials einer alten Mülldeponie merkliche Schadstoffgehalte gefunden werden. Das sind die sogenannten Originalgehalte. Parallel dazu werden die Eluatwerte ermittelt. Diese zeigen, ob sich die Schadstoffe in Wasser lösen. Das Ergebnis kann durchaus zu einer ganz anderen Bewertung führen.
Das heißt: Hohe Schadstoffgehalte im Original führen nicht zwangsläufig zu einer Altlastensanierung. Erst wenn auch die Eluatgehalte erheblich sind und die Schadstoffgehalte im Grundwasser am Ort der Beurteilung hoch sind, kann eine Gefahr für das Grundwasser abgeleitet werden. Dann steht eine Sanierung an.
Wie muss man sich das in der Praxis vorstellen?
Dr. Hadumar Roch: Allein aufgrund der Kenntnis einer Altablagerung kann man sich nicht auf den Standpunkt stellen, dass diese Auffüllung zu beseitigen ist, und dann letztlich das Material von A nach B transportieren. Es stellt sich eben in vielen Fällen heraus, dass die Belastungen geringer sind als ursprünglich gedacht. Es gibt aber auch Fälle, in denen tatsächlich belastete Materialien gefunden werden, diese aber keine Gefahr darstellen, solange sie keiner anlangt oder umgräbt. Und es gibt auch Fälle, wo belastete Materialien eine Gefahr für das Grundwasser darstellen. Hier kommt es dann zu einem Sanierungsfall.
Muss das Material dann komplett entfernt werden?
Dr. Hadumar Roch: Es gibt eine Vielzahl von Sanierungsvarianten, die alle das Ziel haben, einen Grundwasserschaden zu beseitigen oder zu verhindern. Das kann ein „Auskoffern“ des belasteten Materials sein oder auch eine hydraulische Sanierung des Grundwassers mittels Abpumpen und Reinigen von Grundwasser. Das kann eine Oberflächenabdichtung der Auffüllung oder eine Immobilisierung schadstoffbelasteter Ablagerungen sein.
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Diese Varianten müssen immer auf den speziellen Einzelfall abgestimmt sein, also darauf, welche Schadstoffe in welchen Mengen und welcher Verteilung vorhanden sind, wie die toxischen Eigenschaften und die Eluierbarkeit der Stoffe ist und welcher Grundwasserflurabstand vorhanden ist. All diese Schritte sind in einem erforderlichen größeren Einzugsgebiet des Adlfurter Brunnens noch nicht gemacht.
An zwei Vorfeldmessstellen in Weihenlinden gab es Hinweise auf Tretrachlorethen. Diese waren meilenweit unter den Grenzwerten. Zeigen sie nicht aber trotzdem, dass hier sofortiges Handeln nötig wäre?
Dr. Hadumar Roch: Der Freistaat erkundet seit zwei Jahrzehnten etwa 10 500 Altlastenverdachtsflächen in Bayern. Dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Högling und Noderwiechs haben keine erhöhte Priorität, da von ihnen keine massiven Umweltschäden zu erwarten sind. Die Grenzwerte werden weit unterschritten. Man wird hier aber beobachten, ob sich die Belastungen verändern.