Verein soll Versorgungslücke schließen
Ein Jahr dauerte die Vorbereitung, jetzt machte der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung Nägel mit Köpfen: Einstimmig beschloss er die Satzung des Vereins "Soziales Netzwerk Feldkirchen-Westerham" - eine wichtige Voraussetzung zur Gründung des Vereins. Uneins waren die Räte indes über die Notwendigkeit und Finanzierung der sozialpädagogischen Fachkraft, die das Konzept des Vereins vorsieht.
Feldkirchen-Westerham - "Über den Gartenzaun rufen reicht nicht mehr, so leiden gegenseitige Hilfe und Zusammenarbeit", analysierte Dr. Theresia Wintergerst vom Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) eingangs. Sie referierte in der Sitzung über Ziele und Ausrichtung des neuen Netzwerks sowie dessen Notwendigkeit. Feldkirchen-Westerham sei zwar eine aktive Gemeinde mit vielen Vereinen, doch mangle es an professioneller Abstimmungsarbeit. Außerdem seien in der Gemeinde viele Angebote vorhanden, die Bürger wüssten aber oftmals nichts davon.
Innerhalb des sozialen Netzwerks wolle man sich zunächst auf zwei Bereiche konzentrieren: zum einen auf die Senioren und zum anderen auf die Jugenlichen.
Die Servicestelle werde deshalb einen Dienst aufbauen, in dem Freiwillige gegen finanzielle Entschädigung auch längerfristig alltagsnahe Unterstützungsleistung für Senioren erbringen. Damit soll die Versorgungslücke der Nachbarschaftshilfe, die aus Kapazitätsgründen entsteht, geschlossen werden. Geplant sei auch ein runder Tisch für professionelle und bürgerschaftlich organisierte ambulante Dienste (Bürger-Profi-Mix).
In einem weiteren Schritt soll der Zugang zu offenen Treffmöglichkeiten für Jugendliche in den verschiedenen Gemeindeteilen verbessert werden. Vorausgehen muss hier allerdings eine Klärung der Zuständigkeit mit der örtlichen Jugendsozialarbeit.
Die Expertin führte aus, dass sich die Organisation nicht als zusätzlicher Verein verstehe, sondern in erster Linie auf den Unterhalt eines sozialen Servicezentrums ausgerichtet sei. Dieses diene der Beratung, Vermittlung sowie Vernetzung und Koordination der sozialen Akteure und Angebote vor Ort.
Die Vorteile der Servicestelle liegen für die Expertin auf der Hand: Kurze Wege bei der sozialen Erstberatung und die Vermittlung aller Angebote an einer Stelle. Als Beispiel nannte sie hier eine Ehefrau, die Informationen über Hilfsangebote vor Ort brauche, weil ihr Mann nach einem Schlaganfall aus der Klinik zurückkomme.
40000 Euro für Servicezentrum
Da der neue Verein laut Satzung mildtätig ist, wäre zudem bei einer konkreten Notsituation schnelle Hilfe möglich. Denn im Einzelfall können Gelder für Bedürftige entnommen werden. Somit wäre es nicht notwendig, zusätzlich eine Stiftung einzurichten. Mitglieder können nur juristische Personen wie Vereine, die Kommune oder Ortsvertretungen werden. Der Verein finanziert sich laut Satzung in erster Linie aus Zuschüssen - vor allem durch die Kommune -, außerdem aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden.
Um das breit gefächerte Angebot der Servicestelle zu realisieren, muss die Gemeinde Geld in die Hand nehmen: Über 40000 Euro kostet die Schaffung des sozialen Servicezentrums. Mehr als 29000 Euro entfallen dabei auf die Personalkosten, über 7700 Euro auf die Sachkosten. Außerdem kommen noch einmal 4500 Euro für die Büroausstattung hinzu.
Es ist vorgesehen, eine Halbtagsstelle für eine Sozialpädagogin zu schaffen. Diese soll die Servicestelle zusammen mit den bereits in der Beratung tätigen Ehrenamtlichen mit regelmäßigen Öffnungszeiten besetzen. Die Fachkraft begleitet zudem Entwicklungsgruppen, welche die sozialen Aufgaben der Gemeinde optimieren.
Doch nicht alle Räte hielten die generelle Schaffung der Stelle beziehungsweise deren Anforderungen samt Lohneinstufung für sinnvoll: Dr. Othmar Rieß (ÜWG) wies darauf hin, dass der Verein mit der Fachkraft einen Eingriff in den Haushalt darstelle. Außerdem sei fraglich, ob damit nicht ein weiterer Bürokratieapparat für das Vereinsleben entstehe. Er gab zu bedenken, dass man bei anderen, die in der Vergangenheit viel geleistet hätten, eher "knausrig" gewesen sei. Jetzt solle auf einmal investiert werden.
Franz Bergmüller (Pro Bürger) stieß sich ebenfalls an der Finanzierung. "Das kostet alles eine Menge Geld. Für die Satzung kann ich stimmen, für die Stelle nicht." Er wies außerdem darauf hin, dass es bereits Zusammenschlüsse in der Gemeinde gebe - in Form von Ortskartellen oder Foren -, die sich bewährt hätten.
Ursula Borkenhagen (Grüne), überzeugt von der Notwendigkeit der Servicestelle, und ihr Fraktionskollege Adi Tutsch appellierten an den Gemeinderat, jetzt endlich Farbe zu bekennen und etwas aufzubauen. Sie forderten, einen "Architekten für Soziales" zu schaffen.
Abstimmung über Kosten zurückgestellt
Auch Geschäftsleiterin Ines Bertozzi plädierte für die Einrichtung der Servicestelle: "Wenn jemand Probleme hat, kommt er doch nicht ins Rathaus, da ist die Hemmschwelle viel zu hoch." Es gehe darum, niederschwellige Angebote zu schaffen, die die Leute auch wirklich annehmen.
Vor der Abstimmung richtete Rosemarie Haager (CSU) noch einen emotionalen Appell an den Rat: "Der Bedarf ist auf alle Fälle da. Wir sitzen in Foren und reden am laufenden Band - und nichts passiert. "
Die Pro-Netzwerk-Argumente verfehlten ihre Wirkung offenbar nicht. Der Gemeinderat befürwortete einstimmig den Satzungsentwurf und installierte die Gemeinde als Gründungsmitglied. Die Schaffung einer halben Sozialpädagogenstelle mit 18 Wochenstunden wurde ebenso bei vier Gegenstimmen bewilligt.
Der kommunale Prüfungsverband soll allerdings zunächst eine Stellenbewertung vornehmen. Damit wird geprüft, welche Voraussetzungen die Fachkraft mitbringen muss und ob die angesetzten Lohnkosten gerechtfertigt sind. Nach der Stellenbewertung, die etwa zwei bis drei Monate dauert, soll die Einstellung der Fachkraft erfolgen. Daher stellte der Gemeinderat die Abstimmung über die kalkulierten Kosten der Stelle in Höhe von 40000 Euro bis auf Weiteres zurück.
Mit dem Ja des Gemeinderates zur Mitgliedschaft ist eine Hürde auf dem Weg zur Vereinsgründung genommen. Noch sechs weitere Vereine beziehungsweise juristische Personen müssen ebenfalls Gründungsmitglieder werden, um schließlich in einer Versammlung den Verein offiziell aus der Taufe zu heben.