Nico Kornhass und seine „neue Welt“

Er hat das Herz eines Kämpfers, der niemals aufgibt. Vor einem Jahr erhielt der vierfache Kickbox-Weltmeister Nico Kornhass aus Bad Aibling die Diagnose „Amyotrophe Lateralsklerose“ (ALS) – eine Degeneration des Nervensystems, die als unheilbar gilt (wir berichteten). Doch Kornhass ist nicht bereit, sich zu fügen (siehe Kasten). Heute Abend spricht er über seine „neue Welt“ im Aiblinger Kurhaus.
Herr Kornhass, seit einem Jahr leben Sie nun mit der Diagnose ALS. Sie gehen von Anfang an sehr offen damit um und nehmen kein Blatt vor den Mund, egal wie ernst oder tragisch die Umstände sind. Darum gerade heraus gefragt: Wie geht es Ihnen heute?
Mental geht es mir sehr gut, nur mein Körper hinkt etwas hinterher. Aber wie sagt der Volksmund so schön: „Ein gesunder Geist schafft sich einen gesunden Körper“ …so heißt das doch, oder ? ;)
Sie sagen, Sie glauben weiterhin an Ihre Gesundheit. Was bestärkt Sie in diesem Glauben und was sind Ihre Hoffnungen und Ziele?
Meine „innere Stimme“ sagt mir das. Ich spüre ganz tief in mir die feste Überzeugung, dass es immer einen Weg gibt. Meiner Meinung nach übermitteln „Krankheiten“ Botschaften und eben diese gilt es zu entschlüsseln und auch mal gewohnte Wege zu verlassen und alte Muster loszulassen. Jeder neue Tag schenkt mir Hoffnungen und gibt mir die Chance, etwas für meine Heilung auf körperlicher und geistiger Ebene zu tun. Erst wenn man „alle Leinen“ loslässt, kann das eigene Schiff neue Fahrt aufnehmen.
Es gibt Menschen, die nicht gut mit körperlichen Beeinträchtigten umgehen können – sei es aus Angst, Unsicherheit oder Ignoranz. Wie begegnen Sie solchen Menschen?
Mit Offenheit und einem Lächeln. Das nimmt dem Gegenüber schnell die Scheu. Ich war immer schon ein aufgeschlossener und kontaktfreudiger Mensch und daran hat sich auch jetzt nichts verändert.
Sie haben eine ungeheuer positive Ausstrahlung und scheinen Ihren Optimismus auch trotz Rückschlägen nicht zu verlieren. Doch wenn Sie auf der Straße angehupt und als „Besoffener“ beschimpft werden oder Amtspersonen Sie behandeln, als würde es sich – was tatsächlich passiert ist – „gar nicht mehr lohnen“, Ihnen Unterstützung in welcher Form auch immer zukommen zu lassen: Was macht das mit Ihnen?
Natürlich sind das auch für mich unerwartete Tiefschläge, aber als Kickboxer habe ich gelernt K.O.-Schläge auszuhalten und meist steht man danach sogar noch stärker wieder auf. Auch wenn es erst einmal verletzt, habe ich mir angewöhnt, immer positive Energien zurückzusenden und zu verzeihen. Damit fahre ich sehr gut. Es gibt auch immer zwei Seiten. Vorgestern war ich mit Begleitung in Bad Aibling spazieren. An einer größeren Straße hilft sie mir, mich am Arm stützend, rüberzugehen. Da kommt ein Auto angefahren, es hält und der Fahrer steigt aus. Zuerst dachten wir, er will uns etwas fragen. Dann jedoch legt er seine Hand auf meine Schulter und sagt nur: „Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute.“ Ein mir absoluter Fremder. Wie berührend. Stets gibt es also zwei Seiten .
Heute Abend werden Sie ausführlich über Ihr „neues Leben“ sprechen. Wie würde Sie dieses – und im Vergleich dazu – Ihr „altes Leben“ vorab mit kurzen Worten beschreiben?
Mein „altes Leben“ war geprägt von Action, Sport und leider auch zunehmendem Stress. Wie so viele andere Menschen, war auch ich im berühmten Hamsterrad – immer schneller und schneller. Jetzt bin ich ausgebremst worden und habe in meinem „neuen Leben“ sehr viel Zeit und Ruhe mich auf mich zu besinnen und neu zu orientieren. Wer 54 Jahre im Sonnenschein gegangen ist, muss auch mal einen Regenschauer aushalten können. Vielleicht ist es in meinem Fall gerade eher ein Hagelsturm, aber ich weiß, eines Tages scheint auch mir die Sonne wieder direkt ins Gesicht.
Ein wichtiger Teil Ihres Vortrags wird sich darum drehen, woher Sie überhaupt die Kraft nehmen, nicht nur Ihre „Aufgabe“, wie Sie sie nennen, anzunehmen, sondern gleichzeitig auch noch eine positive Botschaft an möglichst viele Menschen auszusenden. Was ist neben dem Hauptgrund – Ihrer Familie – Ihr größter Antriebsmotor?
Ich habe tatsächlich eine wunderbare Familie, die mir sehr viel Energie und Liebe schenkt. Ich haben einen „Engel“ zur Frau und meine Söhne geben mir zudem sehr viel Rückhalt und haben sozusagen von heut‘ auf morgen unsere beiden Kampfsportstudios übernommen und meine Tigerhasen-Kurse weitergeführt. Dazu habe ich noch meinen allerbesten Freund an meiner Seite. Er begleitet mich schon sehr viele Jahre, als Trainer und Coach (auch wenn ich manches Mal nicht auf seinen Rat hören wollte…). Heute berät er mich auch als mein Arzt. Viele von euch kennen ihn. Einigen wird er noch begegnen und manche geben ihm womöglich einen anderen Namen. Ich nenne ihn einfach nur Gott.
Vor so vielen Menschen zu reden, bedeutet ja mittlerweile auch einen großen körperlichen Kraftakt für Sie. Was treibt Sie an, auch diese Herausforderung anzugehen? Welche Hilfsmittel benötigen Sie, um das zu tun?
Grundsätzlich habe ich immer schon gerne vor Leuten gesprochen und meine Gedanken mit meinen Mitmenschen geteilt, ob in Gesprächen, Geschichten, im kleinen Rahmen oder in der Öffentlichkeit. Ich bin eben ein sehr kommunikativer Mensch und es bereitet mir Freude, den Menschen einen Denkanstoß durch meine Botschaften zu geben. Da meine Stimme momentan beeinträchtigt ist, wird mir ein Headset das Sprechen erleichtern.
Wie groß sind eigentlich die Rückmeldungen, die Sie von anderen Menschen mit Schicksalsschlägen bekommen?
Bisher hatte ich noch keine Resonanzen von selbst betroffenen Menschen. Aber ich bekomme sehr viele und durchwegs positive Rückmeldungen über die Art, „meinen Weg“ zu gehen. Immer wieder sprechen mich Menschen auf der Straße persönlich an und schenken mir ein paar herzliche Worte oder auch eine Umarmung. Ich denke, dass es für Betroffene dagegen oftmals eben nicht leicht ist, sich in der Öffentlichkeit zu outen. Lassen wir uns also überraschen, was mein Vortrag bewirkt. Interview Eva Lagler