Erinnerungen an einen bekannten Aiblinger
Nachlass jetzt in der Staatsbibliothek – Dr. Silvester Lechner stiftet Werk seines Vaters Korbinian
- VonSilvia Mischischließen
Korbinian Lechner (1901 bis 1977) ist alles andere als ein Unbekannter in Bad Aibling und Bayern. Er war Schriftsteller, Journalist und Kreisheimatpfleger in der Region. Seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem städtischen Friedhof Bad Aibling.
Bad Aibling – Seinen Nachlass hat Sohn Dr. Silvester Lechner nun in monatelanger Arbeit gesichtet, sortiert und katalogisiert.Dazu gehören Briefe, Texte, Vorlesungen, Materialsammlungen, Vorstufen oder Varianten zu Publika-tionen. Außerdem sind Zeugnisse, Urkunden und persönliche Auszeichnungen sowie Fotografien enthalten. „Der Nachlass wurde jetzt von der bayerischen Staatsbibliothek aufgenommen und von mir dort übergeben“, so Dr. Lechner gegenüber unserer Zeitung .
Größte Sammlung im deutschsprachigen Raum
Die Staatsbibliothek beherbergt eine der größten Nachlasssammlungen im deutschsprachigen Raum. Der über mehr als vier Jahrhunderte gewachsene Bestand bezieht sich schwerpunktmäßig, aber nicht ausschließlich auf die politische und kulturelle Landesgeschichte Bayerns und Münchens in ihren vielfältigen Aspekten. Inhaltlich ist die Sammlung universell ausgerichtet. Den Aiblinger Friedhof besucht Lechners Sohn regelmäßig. Er reist für die Grabpflege aus Elchingen an. Im Haus 34 an der Kolbermoorer Straße lebte er früher zusammen mit den Eltern und seiner Schwester. „Meine Schwester Angela ist 2018 verstorben“, so Dr. Lechner.
In München arbeitete sein Vater ab 1917 bis Kriegsende in einer Munitionsfabrik als Granatendreher, danach in der Demobilisierung und als Milchfahrer. Von 1919 bis 1926 ging er als wohnsitzloser Wanderbursche auf die Walz, dann fand er eine Anstellung als Heizungsmonteur. Er lernte in Jena seine spätere Frau, Erika Hesse, kennen. Lechner begann literarisch zu schreiben. Sein erstes Werk war ein autobiografischer Roman mit dem Titel „Volk ohne Gnade“.
Lebensabschnitt als Wanderbursche
1931 lernte er Willy Haas kennen und wurde von ihm gefördert. In der von Haas herausgegebenen „Literarischen Welt“ wurde er 1932 erstmals mit der Erzählung „Granaten“ veröffentlicht. Thematisch entstammten weitere Texte dann aus seiner Lebensgeschichte: Sie dokumentierten die bäuerliche Welt Altbayerns in den Umbrüchen des 20. Jahrhunderts („Das Erbe“; „Die Schöne von Maschenöd“; „Die vier letzten Dinge“) sowie den Lebensabschnitt als Wanderbursche („Tippelbruder, Vagabund“ „Schimmel der Monarch“, „Das Volk ohne Gnade“; „Mann ohne Geld“). Als Jude musste Lechners Förderer Haas dann aus Deutschland fliehen, die „Literarische Welt“ wurde eingestellt.
Heirat mit Erika Hesse 1934
Wie Haas in seinen Memoiren schrieb, hatte ihm Korbinian Lechner im Frühjahr 1933 geholfen, „meine Ersparnisse zu Fuß über die bayerische Grenze nach Prag“ zu bringen. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 und die Heirat mit Erika Hesse 1934 veränderten seine Lebenssituation, seine literarischen Ambitionen und sein Schreiben grundlegend.
Reportage über einen Herings-Dampfer
Das Paar zog nach Bad Aibling, wo ihre beiden Kinder Angela (1936 bis 2018) und Silvester (geboren 1944) auf die Welt gekommen. 1933 wurde Lechner Mitglied der „Reichsschrifttumskammer“ und konnte so journalistisch den Lebensunterhalt seiner Familie bestreiten. 1934 erschienen erste journalistische Arbeiten. 1935 erhielt er von der Süddeutschen Sonntagspost den Auftrag für eine Reportage über einen Herings-Dampfer, woraus 1937 sein erstes, reich bebildertes Buch wurde, „Ein Schiff fällt in die Nacht“ wurde. 1941 er Soldat bei der Luftwaffe und fungierte ab 1942 als stellvertretender Schriftleiter der Zeitschrift „Im Fadenkreuz“, einer Soldatenzeitung des Luftgaukommandos VII in München.
Amerikanische Einheiten Bad Aibling
Am 1. Mai 1945 besetzten amerikanische Einheiten Bad Aibling, und bereits am 4. Mai 1945 erschien die Nr. 1 der „Aiblinger Nachrichten“, herausgegeben von der „Bayerischen Freiheitsbewegung“, bei der Korbinian Lechner als „Kommissarischer Schriftleiter“ wirkte. Im Spruchkammerverfahren wurde er zuerst der „Gruppe der Entlasteten“, dann doch als „Mitläufer“ eingestuft, worauf er ein Jahr Schreibverbot wegen antisemitischer Äußerungen in seinem Auftragsbuch zu Militärszeiten „Sommer in Rumänien“ bekam.
Präferenz: feuilletonistisch- historische Arbeiten
Ab 1946 war Korbinian Lechner ein Jahr lang für die SPD Mitglied des Stadtrates von Bad Aibling. Er wurde zudem Berichterstatter für Bad Aibling beim „Oberbayerischen Volksblatt“ und blieb es bis Juli 1949. Korbinian und Erika Lechner wirkten zudem von 1948 bis zu ihrem Tod als freie Mitarbeiter des „Mangfall-Boten“.
Von 1949 bis 1977 waren der „Münchner Merkur“ und seine Regionalausgaben die Hauptblätter seiner journalistischen Arbeit. Ein Erzählungsband als eigenständige Veröffentlichung erschien 1951 im Süddeutschen Verlag: „Der Lauf der Welt. Ein Dutzend Bauerngeschichten“.
An Kehlkopfkrebs erkrankt
1958 erkrankte Korbinian Lechner an Kehlkopfkrebs und konnte danach seine Anstellung beim Donau-Kurier nicht fortsetzen. Bis kurz vor seinem Tod wirkte er als freier Mitarbeiter an verschiedenen Zeitungen im Münchener und Aiblinger Umfeld, wobei sein dominierendes Genre feuilletonistisch-historische Arbeiten zu Alt-Bayern waren.
Die Geschichte der Nachlass-Sammlung
Die Bayerische Staatsbibliothek beherbergt eine der größten Nachlasssammlungen im deutschsprachigen Raum. Die Anfänge des ungefähr 1100 Nachlässe umfassenden Bestandes gehen auf die Gründung der Bibliothek durch Herzog Albrecht V. von Bayern im Jahr 1558 zurück.
Seitdem wird die Sammlung durch Käufe und Geschenke kontinuierlich erweitert. 1558 kam mit der Privatbibliothek des Orientalisten Johann Albrecht Widmanstetter auch dessen Nachlass in die Bibliothek. 1571 folgten mit dem Ankauf der Bibliothek Johann Jakob Fuggers die darin enthaltenen Nachlässe der Humanisten und Ärzte Hermann und Hartmann Schedel.
Etwa 200 Nachlässe stammen aus dem 15. bis 18. Jahrhundert. Bei der Säkularisation erfuhr besonders die Astronomiegeschichte wertvollen Zuwachs durch die Nachlässe von Prosper Goldhover und Bonifazius Sadler.
Im 19. und frühen 20. Jahrhundert gewann die Sammlung aufgrund ihrer bereits damals anerkannten Bedeutung an Eigendynamik. Die großen Gelehrten- und Künstlerfamilien Münchens und Bayerns gaben ihre Nachlässe vielfach über Generationen hinweg an die Bibliothek. Zum Bestand gehören auch rund 150 Schriftstellernachlässe.