Leserforum
Das Märchen vom Brenner-Südzulauf
Leserbrief zu den Berichten zum Brenner-Nordzulauf im Lokalteil und zum Webcast der Bahn zu den vier Auswahltrassen im Abschnitt Ostermünchen-Grafing:
„Wer den Webcast der Bahn zu den Auswahltrassen zwischen Grafing und Ostermünchen sah, hörte Erstaunliches: Mit dem Südzulauf jenseits der Alpen laufe es gut, und das Projekt werde dort 2040 fertig sein – der Norden müsse also mit Hochdruck nachziehen. Die Wirklichkeit schaut allerdings anders aus: Nur für die prioritäre Strecke Franzensfeste-Waidbruck gibt es eine konkrete Planung und eine Finanzierungszusage. Der Bau soll 2022 endlich beginnen. Die übrigen prioritären Abschnitte (Umfahrung Bozen, Umfahrung Trient-Rovereto, Einfahrt Verona) befinden sich bislang erst in einem sehr frühen Planungsstadium. Ein konkreter Zeitplan existiert nicht. Der italienische Rechnungshof schätzt die Summe der Bauzeiten auf 35 Jahre – wohlgemerkt ohne die nicht prioritären Strecken, die mehr als die Hälfte des 190 Kilometer langen Südzulaufs ausmachen und für die bisher keine Planung existiert!
Und die Finanzierung? Immerhin hat die EU zugesagt, 40 Prozent der Kosten zu übernehmen. Den Rest der mindestens zu erwartenden 20 Milliarden Euro müsste aber Italien aufbringen. Viel Geld für ein hochverschuldetes Land, das überdies noch wirtschaftlich stark unter der Pandemie leidet. Die Finanzierung steht also ebenfalls in den Sternen und wird den Bau zumindest auf unabsehbare Zeit verzögern.
Dass der gesamte Südzulauf bis 2040 fertig sein soll, ist angesichts dieser Fakten kaum zu glauben. Eher schon die Einschätzung des ehemaligen Südtiroler Europaparlamentariers und Südzulaufexperten Sepp Kusstatscher 2020 in Ostermünchen: „Der Südzulauf bis Verona? Der kommt nie!“ Wenn die Bahn bei der Bevölkerung Vertrauen in ihr Projekt schaffen möchte, sollte sie vielleicht einmal damit anfangen, die Wahrheit zu sagen.“
Margit Kraus
Hohenthann