Projekt für behinderte und nichtbehinderte Menschen
Baustart in Bad Aibling: „Inklusive Kletterhalle“ soll im Spätsommer fertig sein
- VonInes Weinzierlschließen
Barrierefrei ganz hoch hinaus: Der Verein „Stützpunkt Inntal“ hat jetzt sein Projekt „Inklusive Kletterhalle“ auf den Wege gebracht. Was geplant ist, wann die Eröffnung sein soll, verraten die Initiatoren.
Bad Aibling – Jetzt geht es los: Die Bauarbeiten der „Inklusiven Kletterhalle“ im Sportpark Bad Aibling haben begonnen. Und wenn alles nach Plan läuft, soll die Halle des Vereins „Stützpunkt Inntal “ im Spätsommer eröffnet werden. Über die Einmaligkeit des Projektes und ihre Motivation sprechen die erzählen die Initiatoren Natascha (44) und Achim Haug (54) aus Bad Feilnbach.
Ihr Verein bringt eine „Inklusive Kletterhalle“ auf den Weg. Wie besonders ist das Projekt?
Achim Haug: Nach unserem Kenntnisstand gibt es derzeit keine Kletterhalle in Deutschland, die das Konzept der Inklusion so konsequent umsetzt. Sowohl im Verein vom Mitglied bis zum Vorstand als auch im Planungsteam sind wir inklusiv.
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Können Sie das Projekt beschreiben?
Natascha Haug: Es gab von Anfang an drei Schwerpunkte: Inklusion im Sport, Inklusion im Beruf sowie Nachhaltigkeit im Bau und Betrieb der Kletterhalle. Es soll ein Ort der Begegnung und des Miteinander werden, in dem das „Höher, schneller, weiter“ nicht im Vordergrund steht. Trotzdem wollen wir auch sportlich ambitionierten Kletterern einen Stützpunkt bieten.
So sehen sie Inklusion
Die Halle soll für Behinderte und Nichtbehinderte sein – wie sehen Sie Inklusion?
Natascha Haug: Menschen mit und ohne Behinderung, die den gleichen Sport in der gemeinsamen Sportstätte ausüben wollen, müssen auch die gleichen Regeln einhalten. Bei uns sichern alle Teilnehmer von der ersten Stunde an ihre Kletterpartner und übernehmen somit auch Verantwortung. Dabei bieten wir die Unterstützung so lange und so intensiv wie notwendig. In unseren Augen funktioniert Inklusion am besten dann, wenn niemand dafür auf irgendetwas verzichten muss. Als Inklusionsbetrieb möchten wir im täglichen Tun aufzeigen, dass Menschen mit Behinderung, wirtschaftliche Arbeit leisten und in ihrem So-Sein eine Bereicherung für unsere Gesellschaft im beruflichen Miteinander wie in der alltäglichen Begegnung sind.
Kann wirklich jeder – egal wie beeinträchtigt er ist – klettern lernen?
Achim Haug: Auch Menschen mit einer Querschnittslähmung, Blinde oder Menschen mit fehlenden Gliedmaßen können ausgezeichnete Kletterer werden.
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Behinderte sollen dort auch arbeiten. Wie ist das konkret geplant?
Natscha Haug: Wir haben einen Inklusionsbetrieb gegründet, der den Betrieb der Kletterhalle übernimmt. Das heißt, 40 bis 50 Prozent der Mitarbeiter werden Menschen mit einer Schwerbehinderung sein.
Aufrichtiges Miteinander
Was treibt Sie an, eine solches Mammutprojekt auf den Weg zu bringen?
Natascha Haug: Unsere Vereinsmitglieder, die wir seit über 15 Jahren begleiten dürfen und die Vision einen Ort in und für die Gesellschaft zu etablieren, an dem jeder einfach sein darf, auch wenn man vom Schicksal gebeutelt wurde, an dem Toleranz, Respekt und aufrichtiges miteinander gelebt wird.
Kann man einfach in die Halle gehen und sporteln oder gibt es Kurse – wie schaut das geplante Angebot aus?
Achim Haug: Beides ist möglich. Jeder Kletterer kann einfach zu uns kommen und klettern. Daneben bieten wir auch klassische Anfänger- und Fortgeschrittenen-Kurse, Technik-Trainings sowie Yoga, Rückentraining und Pilates. Unsere Vereinsangebote der Inklusiven Klettergruppen für alle Altersstufen werden fortgesetzt. Wir möchten den Schulsport unterstützen und freuen uns auf Kooperationen im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung.
Alle arbeiten ehrenamtlich
Hinter der Halle steht der Verein. Alle arbeiten ehrenamtlich. Wie machen Sie das?
Natascha Haug: Wir beide haben uns vor fünf Jahren bewusst für diesen Weg entschieden und verzichten seit dieser Zeit auf ein volles Einkommen. Wir haben keine eigenen Kinder, da geht so etwas wahrscheinlich deutlich leichter. Aber das alleine reicht natürlich nicht aus. Es gibt unzählige Unterstützer, die uns auf dem Weg bis hierher begleitet haben. Unser Architekt zum Beispiel hat uns sehr lange begleitet, ohne zu wissen, ob er je seine Leistungen bezahlt bekommen wird. Katja Müller, Vorstandsmitglied des Vereins, die derzeit pausiert, hat sich um die ganzen Förderanträge, Unterstützer, Sponsoren gekümmert. Die Stadt Bad Aibling hat uns sehr früh schon dieses Grundstück zur Verfügung gestellt und damit einen wichtigen Beitrag zum Gelingen geleistet.
Das sind die „Manager“
Wer managt die „Inklusive Kletterhalle“?
Achim Haug: Der Verein ist Hausherr und Eigentümer. Der Vorstand, wir beide, tragen letztlich die Verantwortung für die Kletterhalle und treffen die strategischen Entscheidungen. Den täglichen Betrieb wird die Basislager Bad Aibling gGmbH übernehmen, deren Geschäftsführer ich bin. Sie ist der Arbeitgeber für alle Mitarbeiter in der Kletterhalle Im Frühjahr 2022 werden wir beginnen das Basislager Team aufzubauen.
Jetzt haben die ersten Bauarbeiten begonnen – was wurde gemacht?
Achim Haug: Wir müssen den Baugrund noch verbessern, damit aus der Kletterhalle kein schiefer Turm von Bad Aibling wird. Das wird in den nächsten Wochen noch einigen Lärm verursachen. Im Januar werden wir dann mit den Rohbauarbeiten beginnen und dann kommt auch schon der Holzbauer dazu. Mit dem Einbau der Kletterwände werden wir voraussichtlich im März oder April beginnen.
Darum gab es Verzögerungen
Sollte nicht bereits im Sommer mit den Arbeiten begonnen werden?
Achim Haug: Die KfW hat letztes Jahr ein Förderprogramm angekündigt, das eigentlich schon zum Jahresbeginn 2021 kommen sollte und auf das wir gewartet haben. Leider hat sich das dann coronabedingt um ein halbes Jahr verzögert.
Verein hat „kleine Puffer“
Die Kosten beziffern Sie auf etwa 4,8 Millionen Euro. Allerdings herrscht Rohstoffmangel, die Baupreise explodieren – kommen Sie mit dem Geld hin?
Achim Haug: Das hoffen wir, aber natürlich geht diese Entwicklung auch an uns nicht spurlos vorbei. Der ohnehin schon kleine Puffer wird zunehmend kleiner und so hoffen wir, dass wir in den nächsten Wochen noch den einen oder anderen Sponsor finden, der sich an diesem bundesweit einzigartigen Projekt beteiligen möchte. Im Gegenzug bieten wir verschiedenste Möglichkeiten an, von der gut sichtbaren Werbung am Einstieg zu einer Kletterroute bis hin zum Schriftzug direkt auf der Kletterwand. Daneben können Sponsoren bevorzugt die komplette Halle oder Teilbereiche beispielsweise für Firmenevents anmieten oder die Mitarbeiter erhalten besondere Konditionen. Uns ist dabei eine langfristige und vielseitige Kooperation wichtig. Aber auch Privatpersonen können sich in der Kletterhalle engagieren. Als gemeinnütziger Verein stellen wir natürlich auch Spendenbescheinigungen aus.
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In dem Gebäude soll es auch einen Yoga- und Seminarraum geben, ebenso Gastronomie. Können Sie diese Motivation erklären?
Natascha Haug: Da gibt es viele Motivationen: Um es mit Wolfgang Güllich, einem ehemaligen Deutschen Sportkletterer zu halten: „Man geht nicht nach dem Klettern einen Kaffee trinken, der Kaffee ist integraler Bestandteil des Kletterns.“ Essen bringt die Menschen zusammen und das ist unser Ziel. Deswegen werden wir eine kleine aber feine Speisekarte aus frischen, selbst zubereiteten Gerichten anbieten.
Weitere Sportangebote
Aber es soll auch weitere Sportangebote geben.
Natascha Haug: Yoga, Pilates, Rückenschule ist einerseits ein guter Ausgleich und eine gute Ergänzung zum Klettern. Andererseits ist Freizeit heute ein hohes Gut. Eltern sind heute fast täglich unterwegs, um ihre Kinder zum Sport, zur Musikschuleund so weiter zu fahren und wieder abzuholen. Wir möchten ihnen die Möglichkeit bieten, diese Zeit auch für sich zu nutzen und während das Kind klettert selbst an einer Yogastunde teilzunehmen. Außerdem sollen im Seminarraum Kindergeburtstage stattfinden können – natürlich wird vorher geklettert, Ferienprogramme, eigene Schulungen aber auch externe Bürger können den komplett ausgestatteten Schulungsraum nutzen.