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Die verflixten Silvester-Vorsätze: Wie wir Enttäuschungen im neuen Jahr vermeiden können

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Von: Nicolas Bettinger

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Professor Dr. Axel Koch erklärt, wie man die Ziele durch Silvester-Vorsätze auch wirklich erreichen kann.
Professor Dr. Axel Koch aus Bad Feilnbach erklärt, wie man die Ziele durch Silvester-Vorsätze auch wirklich erreichen kann. © Julia Walker/dpa (Lars Klemmer, Sebastian Gollnow, Fabian Sommer)

Dr. Axel Koch beschäftigt sich mit dem Verhalten von Menschen, die ungewollt in alte Muster zurückfallen. Im Interview gibt er Tipps und erklärt, wie wir es wirklich schaffen können, uns gesünder zu ernähren oder mit dem Rauchen aufzuhören.

Bad Feilnbach – Die Zeit um Silvester ist auch die Zeit der guten Vorsätze für das neue Jahr. Viele Menschen nehmen sich ab Neujahr vor, endlich mehr Sport zu machen, mit dem Rauchen aufzuhören oder auf der Arbeit weniger Stress an sich heranzulassen. Doch genau mit solchen Vorsätzen scheitern viele Menschen und stellen oft nach kurzer Zeit fest, dass sie ihre Ziele nicht erreichen konnten. Der Bad Feilnbacher Dr. Axel Koch (55),  beruflich unter anderem als Professor an der Hochschule für angewandtes Management in Ismaning tätig, beschäftigt sich in Coachings mit dem Verhalten von Menschen, die ungewollt in alte Muster zurückfallen.

Hierzu hat er unter anderem das Buch „Logbuch Gewohnheiten nachhaltig verändern – Die Technik des Rückfallmanagements“ geschrieben. Im OVB-Interview verrät Koch nun, worauf man bei Vorsätzen achten sollte, warum Rückschläge dazu gehören und was das Gehirn mit einer Autobahn zu tun hat.

Frage: Herr Professor Dr. Koch, Sie helfen Menschen, nicht in ungewollte Verhaltensmuster zurück zu fallen. Haben Sie persönlich eigentlich auch Vorsätze für das neue Jahr?

Professor Dr. Axel Koch: Natürlich habe ich auch Vorsätze. Mein 14-Jähriger Sohn etwa hat nicht besonders viel Spaß an der Schule und am Lernen. Ich würde ihn gerne dazu bringen, sich mehr darum zu kümmern und merke dabei immer wieder, dass ich in eine Art Verfolgungshaltung rutsche, was bei ihm zur Abwehrhaltung führt. Er wünscht sich deshalb, dass ich nicht nur kritisiere, sondern mehr die Dinge positiv bewerte, die er gut macht. Das will ich beherzigen und möchte deshalb an meinem Verhalten arbeiten.

Und sind Sie selbst – als jemand, der weiß, wie menschliche Verhaltensmuster funktionieren – schon an Vorsätzen gescheitert?

Koch: Auch Psychologen sind vorm Scheitern nicht gefeit. In meinem Studium etwa hatte ich mir mal vorgenommen, nicht immer erst auf den letzten Drücker vor den Prüfungen zu lernen. Damit bin ich gescheitert und habe mich dafür regelrecht beschimpft und bin hart mit mir ins Gericht gegangen. Später habe ich gelernt, dass es die falsche Annahme war, zu denken, ich müsste alles sofort hinkriegen, was ich mir vorgenommen habe. Rückschläge muss man akzeptieren, sie gehören mit zum Prozess.

Kurz vor dem Jahreswechsel nehmen sich die Menschen vieles vor. Ist der Start ins neue Jahr eigentlich ein geeigneter Zeitpunkt für Vorsätze?

Koch: Für viele Menschen ergibt das durchaus Sinn. Das alte Jahr ist vorüber, man kann einen Haken hinter den abgeschlossenen Zeitraum setzen und bewusst mit voller Kraft voraus ins neue Jahr starten. Mit dem Beginn des neuen Jahres geht im Prinzip ein neues Fenster auf, das noch blank und unvorbelastet ist. Für das Ziel einer Verhaltensänderung braucht es den Jahreswechsel nicht, aber er kann helfen.

Was sind die Klassiker unter den Vorsätzen?

Koch: Es gibt hierfür tatsächlich jährliche Hitlisten. Ganz vorne ist sicherlich das Ziel, sich mehr zu bewegen und sich gesünder zu ernähren. Tatsächlich hat sich auch der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit zuletzt deutlich nach oben geschoben. Zu den meist gefassten Vorsätzen gehört außerdem das Ziel, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen oder sich weniger Stress auszusetzen.

Welche Fehler werden häufig bei Vorsätzen gemacht?

Koch: Eines sollte man zunächst wissen: Wenn es mir nicht gelingt, ein gewünschtes Verhalten dauerhaft zu etablieren, dann hat das nicht zwingend etwas mit mangelnder Motivation zu tun. Wir überschätzen die Rolle der Motivation für eine Veränderung. Denn dauerhafte Veränderungen passieren nicht auf einen Schlag, sondern bilden sich erst aus, indem wir neue Handlungen oft wiederholen. Und so lange hält der initiale Entschluss oft nicht.

Können Sie das an einem Beispiel festmachen?

Koch: Ein typisches Beispiel ist der Silvester- oder Neujahrsvorsatz nach dem Muster „Ab jetzt esse ich nur noch Gesundes“. Das Problem: Wer so denkt, betrachtet Veränderung als eine Tür, durch die man durchgeht, und dann ist schlagartig die Veränderung passiert. Tatsächlich ist aber Veränderung besser vergleichbar mit einer Leiter und Sprossen. Die Lösung: nicht nur in absoluten Zielen – was –, sondern in machbaren Teilschritten – wie – denken. Von Stufe zu Stufe gehen. Und sich über jeden Teilschritt freuen.

Welche Strategie können Sie uns an die Hand geben?

Koch: Eine Hilfestellung beim Versuch, Verhaltensänderungen zu erreichen, ist das sogenannte Rückfallmanagement. Wir alle haben Gewohnheiten, die genauso automatisch ablaufen, wie das Fahren auf der Autobahn. Eine Ausfahrt ist nun vergleichbar mit dem gewünschten neuen Verhalten. Das Problem: Wir verpassen ganz oft die Ausfahrt und ärgern uns.

Und was kann man dagegen tun?

Koch: Die Leitidee besagt, dass an dieser Autobahn nacheinander Hinweisschilder auftauchen, die einen auf die nahende Ausfahrt hinweisen. Wenn ich diese beachte, fahre ich nicht vorbei. Genauso gibt es sogenannte Vorboten – eben vergleichbar mit den Hinweisschildern, die einem anzeigen, dass man wieder auf dem Weg in den alten Trott ist. Wenn ich diese aber beachte, kann ich mich leichter zum Veränderungserfolg steuern.

„Wer so denkt, betrachtet Veränderung als eine Tür, durch die man durchgeht, und dann ist schlagartig die Veränderung passiert.“

Verhaltensexperte Prof. Dr. Axel Koch aus Bad Feilnbach

Nehmen wir beispielhaft den Vorsatz, mit dem Rauchen aufhören zu wollen. Was könnten hierbei Hinweisschilder beziehungsweise Vorboten sein?

Koch: Grundsätzlich sind diese Vorboten Signale, Gefühlslagen, bestimmte Alltagssituationen, die darauf hindeuten, dass man wieder in gewohnte Verhaltensmuster zurückfallen könnte. Vorboten beim Rauchen: Ich nehme die Zigaretten in die Hand, ich greife überhaupt erst zur Packung, ich fühle mich leer und sehne mich nach einer Erholungspause. Oder bereits am Morgen, wenn ich aufstehe und mir klar wird, dass ich heute einen verdammt vollen Terminkalender habe. Aber auch ganz einfach: Ich gehe durch den Laden und denke darüber nach, dass meine Zigaretten zur Neige gehen. All das sind eindeutige Hinweisschilder.

Nun ist es ein erster Erkenntnisgewinn, wenn ich die Vorboten überhaupt als solche erkenne. Doch das verhindert nicht automatisch, dass ich die gewünschte Ausfahrt auf der Gewohnheits-Autobahn auch verpasse, oder?

Koch: Da sind wir beim Thema Rückfälle. Hierzu gibt es verschiedene Meinungen aber ich vertrete die Annahme, dass Rückfälle dazugehören. Es ist völlig normal, dass gewünschte Gewohnheiten Zeit brauchen, bis sie sich dauerhaft etablieren können. Deshalb ist es auch besonders wichtig, sich realistische Ziele zu setzen. Gesunde Ernährung beispielsweise ist ein sehr breites Feld. Wir denken oft in ‚Ganz-oder-gar-nicht-Kategorien‘. Deshalb hilft es, sich gewünschte Verhaltensänderung mit vielen Sprossen einer Leiter vorzustellen.

Welche Ziele kann ich mir in diesem Beispiel also setzen?

Koch: Setzen wir die oberste Stufe mit der gesunden Ernährung gleich. Sinnvoll wäre es also, zunächst auf den nächsten Step hinzuarbeiten. Beispielsweise könnte die nächste Stufe sein, jeden Tag einen Apfel zu essen. Erreiche ich diese Teilziele, dann stellt sich auch schneller eine Belohnung in Form von Zufriedenheit ein. Wenn ich nur das absolute Ziel vor Augen habe, wird es schwierig mit einem Erfolgserlebnis.

In Ihrem Buch ist von Notfallplänen die Rede. Was kann man sich darunter vorstellen?

Koch: Wenn Vorboten das unerwünschte Verhalten ankündigen, braucht es alternative Handlungsoptionen. Die muss man sich aufschreiben und regelrecht lernen, damit man im kritischen Moment nicht bewusst nachdenken muss, sondern einfach den zurechtgelegten Anweisungen folgt. Dieser Schritt ist sehr wichtig für das aktive Rückfallmanagement. Hier wird festgelegt, was bei jedem einzelnen Vorboten passieren soll, um eine unerwünschte Gewohnheit zu vermeiden. Das kann etwas sein, das man zu sich selbst sagt, oder das man tut, um sich zum gewünschten neuen Verhalten zu steuern – zum Beispiel Durchatmen oder Argumente annehmen. Formulieren Sie den Notfallplan – für jeden Vorboten einen – wie die Regieanweisung für einen Schauspieler.

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