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Verteidiger über Muharrem D.: „Er schämt sich für seine Taten“

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Von: Jens Zimmermann

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Muharrem D. muss sich wegen der Anschlagsserie von Waldkraiburg verantworten
Muharrem D. (rechts) gab sich während der ersten Verhandlungen sehr zurückhaltend. Sein Verteidiger begründet dieses Verhalten in seinem Schamgefühl. © Sven Hoppe (dpa)

Sieben von 43 Verhandlungstagen sind im Prozess um die Anschlagsserie in Waldkraiburg am Oberlandesgericht München vorbei. Inhaltlich bestätigt sich die Annahme, dass der Angeklagte Muharrem D. (26) für die vier Angriffe auf türkischstämmige Geschäfte verantwortlich ist. Die große Frage bleibt, wie das Gericht seine Schuldfähigkeit bewerten wird. 

Waldkraiburg/München – Dass Muharrem D. für die vier Angriffe in Waldkraiburg im Frühjahr 2020 verantwortlich ist, daran dürften kaum mehr Zweifel bestehen. Er selbst hat zum Prozessauftakt alle Taten eingeräumt. „Es tut mir völlig leid. Ich weiß, dass ich schuld bin, ich bereue die Taten und entschuldige mich bei den Angehörigen“, sagte der 26-Jährige damals. Die Liste der Anklageschrift ist lang: Versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung, versuchte Brandstiftung, Verstoß gegen das Waffengesetz sowie die Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat.

Prozess um Anschlagsserie in Waldkraiburg - Verteidigung geht von verminderten Schuldfähigkeit aus

Auch sein Verteidiger Christian Gerber erklärt gegenüber innsalzach24.de: „Die ersten Verhandlungen mit den Aussagen und der Aktenlage bestätigen die Annahmen“. Viel wichtiger für die Verteidigung ist aber der psychische Zustand ihres Mandanten. Sie gehen selbst nicht von einer Schuldunfähigkeit, aber von einer verminderten Schuldfähigkeit aus.

Deshalb haben sie sich auch dafür eingesetzt, dass Muharrem D. in eine Klinik kommt. Initiiert von der Verteidigung hat das Oberlandesgericht nach dem siebten Verhandlungstag den Haftbefehl aufgehoben und eine einstweilige Unterbringung angeordnet. „Das ist ein wichtiger Schritt. Zwar bekommt mein Mandant schon Medikamente, doch in der Klinik in Haar ist die Behandlung wesentlich besser als in der Untersuchungshaft“, erklärt Gerber.

Laut einem Beschluss des Bundesgerichtshofes Ende November hält ein Gutachter den Mann nach vorläufiger Einschätzung nur für eingeschränkt schuldfähig. Es liege eine Schizophrenie mit paranoiden Zügen vor. Das Gericht wollte sich jedoch selbst einen Eindruck vom Angeklagten machen, ehe sie ihn aus der Untersuchungshaft entlassen. Bis zum 26. März war Muharrem D. in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim untergebracht.

Schamgefühl beim Angeklagten

„Er akzeptiert inzwischen auch sein Krankheitsbild“, so Gerber. Die Entschuldigungen, die der Angeklagte gegenüber den Geschädigten äußerte, nehme ihm der Anwalt auch ab. Für seine äußert zurückhaltende Art während der Verhandlung – mit dem Kopf nach unten gerichtet und ohne Regung – hat Gerber folgende Begründung: „Er schämt sich für seine Taten. Er ist sogar oft erschrocken über sich selbst.“ Dass manche Geschädigte ihm seine Taten nicht verzeihen können, würde er verstehen. Er könne sich selbst nicht verzeihen.

Der Tragweite seiner Taten ist sich der Angeklagte, der sich in ersten Vernehmungen selbst als „Bombenleger von Waldkraiburg“ bezeichnete, laut seinem Anwalt auch durchaus bewusst. Die Geschädigten vom Brandanschlag am 27. April machten teils sehr emotionale Aussagen. Viele würden noch heute unter Schlafstörungen und Angstzuständen leiden.

Festnahme ein Hilfeschrei?

Seine Taten waren geprägt vom Hass auf Türken. Warum der 26-Jährige in die Radikalisierung abgedriftet war, konnte er selbst nur mutmaßen. Seine Psyche sei geschwächt, beteuerte er vor Gericht. Und: immer wieder sprach er vom Tunnelblick. Als Achtjähriger sei er erstmals mit Drogen in Kontakt gekommen. Als 16-Jähriger schaute er sich Videos an, die sich um die „Grausamkeit von Türken“ drehten.

Dass er womöglich Hilfe gebraucht hat, war dem 26-Jährigen vielleicht auch schon selbst bewusst. Aussagen der Polizeibeamten, die ihn festgenommen haben, nähren zumindest die Vermutung, dass es der Angeklagte darauf abgesehen hatte, entdeckt zu werden.

jz

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