Nur noch 57,5 Prozent christlich organisiert
Waldkraiburger Kirchen verlieren weiter Mitglieder
- VonRaphaela Lohmannschließen
Die Zahl der Bürger, die einer christlichen Kirche angehören, geht weiter zurück. Während die evangelische und katholische Kirche an Mitgliedern verlieren, gewinnen die orthodoxen Kirchen allerdings hinzu.
Waldkraiburg – Bereits zum Jahresende 2020 war die Zahl derjenigen, die einer Kirche angehören, unter 60 Prozent gesunken. Auch im vergangenen Jahr hielt dieser Trend an, wie es aus einer aktuellen Statistik des Einwohnermeldeamtes hervorgeht. Demnach waren am 31. Dezember 2020 genau 10 748 Bürger römisch-katholisch. Das sind genau 200 weniger als noch im Jahr zuvor, was einem Minus von rund 1,83 Prozent entspricht. Vor rund zehn Jahren waren es noch knapp 13 000.
Viele wollen sich die Steuer sparen
Auch die Zahlen in der evangelischen Kirche gehen weiter zurück. Zum Jahresende zählte die evangelische Kirche noch 3048 Mitglieder. Im Jahr zuvor waren es noch 3137 Personen. Ein Minus von 2,84 Prozent und damit knapp ein Prozentpunkt mehr als im Vorjahr. Der Rückgang hält auch hier seit Jahren an: Vor rund zehn Jahren gehörten der evangelischen Kirche noch rund 4000 Mitglieder an.
Was die Bürger schlussendlich dazu bewogen hat, der Kirche den Rücken zu kehren, das erfahren Pater Walter Kirchmann und der evangelische Pfarrer Lars Schmidt nicht immer genau nur selten. Es sind viele verschiedene Gründe: Dass sich manche – oft zu Beginn des Berufslebens – die Kirchensteuern sparen wollen, betrifft beide Kirchen gleichermaßen. Aber es gibt auch Unterschiede: „Taufe, Erstkommunion und dann Firmung – das katholische Milieu ist vorbei“, sagt Pater Kirchmann. In die Bedürfnisse der heutigen Arbeitswelt passe die Kirche oft nicht mehr hinein. Stattdessen sehe er die Kirche in der Pflicht, auf die Leute zuzugehen und zu zeigen, dass die Kirche mehr biete als nur ihre Liturgie. „Träger von Kindergärten, Caritas, Kriseninterventionsteam – die Kirche ist der größte Arbeitgeber in sozialen Dienstleistungen. Das wissen viele nicht“, sagt Kirchmann.
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Institutionen wie die Kirche hätten generell an Akzeptanz verloren, die Kirche werde meist nur noch als ein Anbieter unter vielen wahrgenommen. „Man muss sich ins Spiel bringen“, sagt Kirchmann. Mit neuen, niederschwelligen Angeboten wolle man versuchen, Menschen für die Kirche zu erreichen. Mit Aktionen wie der Engelaktion zum Jahresende versuche man die Brücke zu schlagen zwischen der Welt daheim und der Kirche.
89 weniger Mitglieder hat die evangelische Kirche im Vergleich zum Jahr zuvor. Die sinkenden Zahlen hätten für Pfarrer Lars Schmidt weniger mit einem Verlust des Glaubens zu tun. Stattdessen gebe es mehr Beerdigungen als Taufen. „Kirchenaustritte passieren oft zu Beginn des Berufslebens, weil man sich die Kirchensteuer sparen will“, sagt Schmidt. Wie man allerdings wieder eine Verbindung zu den Leuten schafft, dafür gebe es kein Patentrezept. „Wir versuchen, unseren Job gut zu machen. Gerade im Umgang mit den Konfirmanden machen wir gute Erfahrungen.“
Nur selten gibt es Rückmeldungen
Rückmeldungen, warum die Leute aus der Kirche ausgetreten sind, gebe es nur selten. Sei es, weil sie durch einen Umzug die Bindung verloren haben oder die Steuerersparnis. „Es gibt viele kleine Gründe“, sagt Schmidt. Dabei würden die Menschen oft auch keinen Unterschied zwischen der katholischen und evangelischen Kirche machen. Weil sie den Papst nicht mögen oder der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirchen hätte mancher schon die Kirche verlassen. „Es sind manchmal nur Kleinigkeiten, die sie aber so ärgern, dass sie aus der Kirche austreten.“ Pauschalisieren lassen sich die Gründe nicht.
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Seine Aufgabe sehe er darin, für die Menschen gute Erfahrungen zu schaffen, für sie dazu sein. Aufgrund der engen Personalsituation sei es aktuell nicht möglich, mehr Angebote zu schaffen. Was er sich von den Menschen wünscht: „Die Leute sollten mehr auf die Kirche zugehen und sagen, was sie brauchen, damit sie gerne in den Laden kommen. Dann können wir konkrete Angebote schaffen.“
Orthodoxe Kirchen gewinnen hinzu
Während die Mitgliederzahlen bei der katholischen und evangelischen Kirche zurückgehen, gewinnen die orthodoxen Kirchen Mitglieder hinzu. Allen voran die rumänisch-orthodoxe Kirche. Noch vor einem Jahr lag die Mitgliederzahl bei 908, mittlerweile ist sie auf 984 gestiegen. Das entspricht einem Plus von 8,37 Prozent. Zu erklären ist der Anstieg mit dem anhaltenden Zuzug von EU-Arbeitnehmern aus Südeuropa.
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Der russisch-orthodoxen Kirche gehören 96 Einwohner an (2020: 92). Stark hinzugewonnen hat die griechisch-orthodoxe Kirche, die nun 91 (2020: 78) Mitglieder zählt. Das sind rund 14,3 Prozent mehr. Zur kleinen altkatholischen Gemeinde bekennen sich 19 Bewohner der Stadt (2020: 20). Damit gehören insgesamt nur noch rund 57,5 Prozent der Waldkraiburger Bürger einer Kirche an. Mehr geworden ist hingegen die Zahl derjenigen, die keine Angaben zur Religion machen. Das sind zum Teil Muslime, zum weit überwiegenden Teil aber Personen, die aus einer Kirche ausgetreten sind oder nie getauft wurden.