Attentäter von Waldkraiburg hatte offenbar Kontakt zu Gefährder in Nordrhein-Westfalen

Die Ermittlungen gegen Muharrem D. laufen. Ihm werden Anschläge in Waldkraiburg und weitere geplante Taten zur Last gelegt. Wie nun am 24. September bekannt wurde, hatte er wohl Kontakt zu einem Mann in Nordrhein-Westfalen, dem eine Messerattacke zur Last gelegt wird.
Update 24. September
Gefährder in NRW in Kontakt mit Waldkraiburger IS-Anhänger
Stolberg/Waldkraiburg (dpa/lby) - Der Tatverdächtige der mutmaßlich islamistisch motivierten Messer-Attacke im nordrhein-westfälischen Stolberg gilt als Kontaktperson des Beschuldigten im Fall einer Anschlagsserie auf türkische Einrichtungen in Waldkraiburg. Das sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtages.
Lesen Sie auch:
Schwere staatsgefährdende Gewalt: Bundesanwalt erhebt Anklage gegen Muharrem D.
Der 21 Jahre alte Verdächtige von Stolberg bei Aachen hatte vor rund anderthalb Wochen die Autotür eines 23-Jährigen geöffnet und ihn mit einem Messer schwer am Arm verletzt. Der türkische Vater des Opfers war auf einem Werbemotiv der AfD zu sehen. Die Ermittler sehen einen möglichen Zusammenhang.
Schon im März soll der Tatverdächtige in einem Restaurant in Aachen mit einem großen Messer einen Bekannten am Arm verletzt haben. Dabei rief er den Ermittlungen zufolge wie in Stolberg «Allahu akbar» («Gott ist groß»).
Lesen Sie auch:
- Bombenbastler von Waldkraiburg gesteht Anschlags-Pläne auf Moscheen und Imame
- Nach Anschlägen in Waldkraiburg: Zahlreiche Rohrbomben in Garching sichergestellt
Der Staatsanwaltschaft zufolge lief der 21-Jährige beim Staatsschutz als sogenannter Prüffall. Nach der Messer-Attacke sei er von der Polizei in die Kategorie Gefährder hochgestuft worden.
In Waldkraiburg soll der 25-jährige Deutsche Muharrem D., der sich als Anhänger der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) bezeichnet, im April und Mai Anschläge auf Läden türkischstämmiger Inhaber verübt haben. Zudem soll er laut Bundesanwaltschaft Bombenanschläge auf Moscheen geplant haben, unter anderem die Ditib-Zentralmoschee in Köln.
+++
Die ursprüngliche Meldung vom 21. Mai
Waldkraiburg – Die Scheiben dreier türkischer Läden hat er mit großen Steinen eingeworfen, in einem Obst- und Gemüseladen am Satrouville-Platz hat er ein Feuer gelegt. Doch wie der 25-Jährige gegenüber den Ermittlern zugegeben hat, hatte er noch weitere Attentate geplant. Demnach wollte der Mann zwischen 15. und 17. Mai Anschläge auf mehrere Moscheen des Dachverbands Ditib im Umkreis von Waldkraiburg verüben, teilt der Generalbundesanwalt mit.
Lesen Sie auch:
- Bombenbastler von Waldkraiburg gesteht Anschlags-Pläne auf Moscheen und Imame
- Brandopfer lässt sich nicht unterkriegen: Sponsor ermöglicht Waldkraiburger Gemüsehändler Neustart
Anschließend wollte er das türkische Generalkonsulat in München und mit einer Bombe die Zentralmoschee in Köln angreifen. Sein Ziel war es außerdem, bei den Attentaten auf die Moscheen auch die jeweiligen Imame zu erschießen. Dazu hatte er sich bereits eine Pistole und erhebliche Mengen an Sprengstoff für den Bau von Brandvorrichtungen verschafft. Seit Februar hatte er daraus bereits 23 Rohrbomben und 34 Kilogramm Sprengstoff hergestellt.
Spirale von Gewalt und Gegengewalt
„Ich bin schockiert.“ Fassungslos reagiert Ahmet Baskent, Vorsitzende der türkisch-islamischen Ditib-Gemeinde Waldkraiburg auf die Nachrichten. „Das ist ja unglaublich. Wenn ich das höre, sind wir noch glimpflich davon gekommen. Ist dieser Typ noch zurechnungsfähig?“
Das Ausmaß der Terroranschläge, die Muharrem D. möglicherweise noch geplant hat, macht ihm Angst: „Hoffentlich war er alleine, hoffentlich laufen da nicht noch Mittäter oder Helfer frei herum. Woher hat er diese Waffen und diese Gesinnung?“
Anhänger eines islamistisch-jihadistischen Weltbilds
Auch zu seiner Gesinnung hat sich der 25-jährige Täter offen gegenüber den Ermittlern gezeigt. Er selbst bezeichnet sich als IS-Anhänger, der seit 2017 einen Prozess der religiösen Radikalisierung durchlaufen hat und auf diese Weise Anhänger eines islamistisch-jihadistischen Weltbilds wurde. Das Agieren des türkischen Staats im Syrienkonflikt und dessen Umgang mit bestimmten Predigern in der der Türkei haben in ihm einen „nachhaltigen Hass auf den türkischen Staat und Menschen türkischer Abstammung“ geweckt. Daher rührt auch ein perfider Entschluss: Anschläge auf türkische Mitbürger sollten eine „Spirale von Gewalt und Gegengewalt“ herbeiführen.
Lesen Sie auch:
- Der „Bombenleger von Waldkraiburg“ ist gefasst: Eine Stadt ist erleichtert
- Zugbegleiterin (21) macht den mutmaßlichen Bombenleger von Waldkraiburg dingfest
Mitte April ist Muharrem D., der sich bei den ersten Vernehmungen durch die Polizei selbst als „Bombenleger von Waldkraiburg“ bezeichnet hat, zum ersten Mal in Aktion getreten. Doch wie jetzt bekannt wurde, ist er in einem engen zeitlichen Rahmen zu diesen beiden Vorfällen bereits mit einem Anschlag auf die Waldkraiburger Moschee gescheitert. Wie der Generalbundesanwalt mitteilt, wollte er sich gewaltsam Zutritt zum Gebetsraum verschaffen: Er hatte zwar ein Fenster eingetreten, schaffte es aber nicht ins Innere des Gebäudes. Stattdessen legte er einen Brandsatz in einer Altpapiertonne, die vor einem benachbarten Wohnhaus abgestellt war. Die Flammen erloschen rechtzeitig, sodass kein Schaden entstand.
Hinweise auf Terrorismus und Extremismus
Die weiteren Ermittlungen in diesem Fall hat zwar seit Dienstag aufgrund der besonderen Bedeutung die Bundesanwaltschaft übernommen, für die Ermittlungsarbeit der Soko bei der Kripo Mühldorf ändert sich dadurch zunächst nichts. Auch nach der Übernahme des Falls durch den Generalbundesanwalt ermitteln die Beamten mit Kollegen vom Landeskriminalamt weiter. Wie Martin Emig vom Polizeipräsidium Oberbayern sagte, habe nur die sogenannte Sachleitungsbefugnis gewechselt.
Die gibt es bei allen Polizeiermittlungen und wird normalerweise von der örtlichen Staatsanwaltschaft wahrgenommen. Die sich verstärkenden Hinweise auf Terrorismus und Extremismus und die Planung staatsgefährdender Angriffe hätten dazu geführt, dass diese Sachleitungsbefugnis von der Staatsanwaltschaft Traunstein zum Generalbundesanwalt in Karlsruhe gewechselt habe.
„Jemand, der normal denkt, macht so etwas nicht.“
Seit dem Brandanschlag auf den türkischen Obst- und Gemüseladen ist die Polizei verstärkt auf Streife unterwegs. Daran hat sich auch mit der Festnahme des 25-Jährigen vorerst nichts geänder. „Wir haben das weiter auf dem Schirm und halten weiter an einem verstärkten Sicherheitskonzept fest“, sagt Emig. Der Fokus liege dabei auf Waldkraiburg und die Moschee.
„Mir fehlen die Worte“, sagt Hüseyin A., Inhaber des Obst- und Gemüseladens, in dem Muharrem D. Feuer gelegt hat. Nachdem er von dessen geplanten Anschlägen gehört hat, hofft er umso mehr, dass der Täter allein gehandelt hat. „Jemand, der normal denkt, macht so etwas nicht.“ Es sei respektlos, Müll vor einer Kirche oder einer Moschee auf den Boden zu werfen. Mit einer Bombe eine Moschee anzugreifen, bezeichnet er als „krank“.
Frage nach möglichen Hintermännern
Die bislang unbekannten Details lassen auch bei Erkan Artuk wieder Angst hochkommen. Es ist aber weniger die Angst um sich selbst, sondern vielmehr, dass seinen Nachbarn etwas zustoßen könnte. Jeden Tag wache er mit dem Gedanken an die Anschläge auf: „Kann einer allein so gewalttätig sein?“
Die Frage nach möglichen Mittätern oder einer radikalen Gruppe im Hintergrund treibt auch Hasan C. um, in dessen Laden der 25-Jährige den vierten Anschlag begangen hatte. „Ohne Mittäter geht es doch nicht. Wie hätte er allein die Steine und den schweren Eimer schleppen sollen?“
Dass er nicht allein gehandelt hat, davon ist auch eine weitere Geschädigte überzeugt. Vielleicht habe er auach die Taten für jemand anderen auf sich genommen. „Das ist krank“, sagt sie über den 25-Jährigen.