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Betroffene vom Brandanschlag in Waldkraiburg: „Kann ihnen nicht verzeihen“

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Von: Jens Zimmermann

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Der Gemüseladen am Sartrouville-Platz in Waldkraiburg stand am 27. April 2020 unter der Flammen. Viele Betroffene leiden noch immer nach diesem Inferno.
Der Gemüseladen am Sartrouville-Platz in Waldkraiburg stand am 27. April 2020 unter der Flammen. Viele Betroffene leiden noch immer nach diesem Inferno. © fib/Eß

Am sechsten von 44 Verhandlungstagen am Oberlandesgericht München stand erneut der Angriff auf einen Gemüseladen im Fokus. Es war der dritte von insgesamt vier Anschlägen auf türkische Läden in Waldkraiburg im Frühjahr 2020, für die sich Muharrem D. (26) u.a. wegen versuchten Mordes verantworten muss. Viele Betroffene des 27. Aprils leiden noch heute unter den Folgen.

München/Waldkraiburg – Ziel des Brandanschlages vor fast einem Jahr war der Gemüseladen eines türkischen Besitzers am Sartrouville-Platz, doch mit dem Angriff gefährdete Muharrem D. auch viele Bewohner oberhalb des Geschäftes. Die Ereignisse verfolgen die Betroffenen noch heute, wie sie bei der Verhandlung am Donnerstag, 25. März, vor dem Oberlandesgericht aussagten. Mit dem Kopf nach unten gesenkt und überwiegend regungslos lauschte der Angeklagte den Ausführungen der Geschädigten. Bei allen entschuldigte sich der 26-Jährige jedoch kurz, dass ihm seine Taten sehr leid tun.

Prozess um Anschläge von Waldkraiburg: Angeklagter habe finanzielle und psychische Schäden hinterlassen

„Ich kann ihnen nicht verzeihen. Sie haben so viel finanziellen und psychischen Schaden hinterlassen. Sie haben mehrere Leben auf das Spiel gesetzt“, antwortete eine Rentnerin dem Angeklagten, die seit dem 20. Februar wieder in ihrer Eigentumswohnung über dem Laden lebt. Sie hätte heute noch Schlafstörungen und Weinausbrüche. Drei bis vier Nächte habe sie vielleicht seit diesem Tag durchgeschlafen.

Hinzu kämen 14.000 Euro Schulden, die sie durch den Anschlag die nächsten Jahre abbezahlen muss. Ihre Altersruhe habe sie sich anders vorgestellt, nun müsse sie die nächsten zehn Jahren mit den finanziellen Folgen leben. „Ich wollte ihm in die Augen schauen, damit ich mit der Sache abschließen kann“, so die Hoffnung der Rentnerin abschließend.

Muharrem D. (2. v. l.) zeigte sich am ersten Verhandlungstag am Oberlandesgericht München geständig.
Muharrem D. (2. v. l.) zeigte sich am ersten Verhandlungstag am Oberlandesgericht München geständig und gab alle Taten zu. © Sven Hoppe / dpa

Mutter schildert vom Brand und bricht in Tränen aus

„Die Flammen waren drei Meter hoch“, schildert eine zweifache Mutter, die mit ihren Kleinkindern aus dem dritten Stock noch rechtzeitig das Gebäude verlassen konnte. Sie selbst hätte es erst nach einigen Tagen realisiert, was da vorgefallen ist. Sie habe ihr zweijährige Tochter aus dem Schlaf gerissen und sei über die Tiefgarage geflüchtet. Im ganzen Gebäude wäre schon Rauch gewesen, je tiefer desto dichter.

Noch heute leide sie unter Schlafstörungen und Angstzuständen. „Ich muss mich oft erbrechen und wenn es dunkel wird, habe ich ein ungutes Gefühl“, erklärt die Mutter. Auch bei ihren Kindern, damals zwei und fünf Jahre alt, sei es nicht spurlos vorbeigegangen. Die jüngere Tochter wäre zunächst begeistert vom Blaulicht und dem Feuer gewesen. Doch inzwischen will sie immer das Gebäude verlassen, sobald sie Sirenen hört. „Mein Sohn hat zwei Wochen später zum Stottern angefangen. Auch in den Kindergarten wollte er nicht mehr – aus Angst, dass dieser auch in Brand gesetzt wird“, schildert die Mutter unter Tränen.

Ladenbesitzer: „Habe damit gerechnet, aber nicht in dem Ausmaß“

Für den Besitzer des Gemüseladens war der Brandanschlag keine Überraschung: „Ich habe meinen Geschäft nicht mehr wiedererkannt. Ich habe aber schon damit gerechnet, das etwas kommt, aber nicht in dem Ausmaß.“ Nach den ersten zwei Vorfällen auf türkische Geschäfte sei es aber absehbar gewesen. Sein Schaden – kaputte Ware und Geschäftsausfall - belaufe sich auf rund 60.000 Euro. Bereits einen Monat nach dem Anschlag habe er mithilfe der Stadt eine Aushilfslösung mit Containern auf die Beine stellen können. Sobald das abgebrannte Geschäft wieder bezugsfertig ist, wolle er jedoch wieder zurück.

Der Anschlag würde ihn persönlich allerdings nicht weiter beschäftigen. „Ich hatte nicht viel Zeit zum Nachdenken und ich weiß, dass es nichts persönliches gegen mich war“, so der Ladenbesitzer über mögliche Einschränkungen. Natürlich mache es ihn traurig, aber das Leben müsse weiter gehen. Und etwas Positives hatte es seiner Meinung nach auch: „Die ganze Geschichte hat die Bevölkerung zusammen geschweißt“.

jz

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