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Harter Vorwurf: Hakenkreuze an KZ-Gedenkstätte Waldkraiburg von der Polizei verharmlost

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Von: Jörg Eschenfelder

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Die KZ-Gedenkstätte „Mühldorfer Hart“: Eigentlich ein Ort des Gedenkens und Erinnerns an unmenschliches Leid, wird immer wieder Ziel von Vandalismus.
Die KZ-Gedenkstätte „Mühldorfer Hart“: Eigentlich ein Ort des Gedenkens und Erinnerns an unmenschliches Leid, wird immer wieder Ziel von Vandalismus. © Eschenfelder

Hakenkreuze an einer KZ-Gedenkstätte müssen aufrütteln, das fordert der Landtagsabgeordnete Toni Schuberl (Grüne). Warum er die Polizei kritisiert und was jetzt getan werden muss.

Waldkraiburg/München/Passau - Wurden die Schändungen an der KZ-Gedenkstätte in Waldkraiburg, die im vergangenen Sommer publik wurden, von der Polizei verharmlost? „Ja“, lautet die Antwort des Landtagsabgeordneten Toni Schuberl (Grüne), der auch rechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion und Vorsitzender des Zweiten NSU-Untersuchungsausschusses ist. 

Toni Schuberl (Grüne) MdL
Der Landtagsabgeordnete der Grünen, Toni Schuberl, kritisiert nach den Schmierereien an der KZ-Gedenkstätte die Polizei und fordert Wachsamkeit. © Schuberl

Bei dieser Ansicht bleibt Schuberl auch nach den Antworten des Bayerischen Innenministeriums auf seine schriftliche Anfrage im Landtag (Drucksache 18/24263). Schuberl: „Die Verharmlosung rechtsextremer Gewalt von vornherein als jugendliche Verirrung oder Rowdytum ist eine der Ursachen für die von uns wahrgenommene Blindheit von Sicherheitsbehörden auf dem rechten Auge.“

Wie berichtet wurden am 22. August 2022 in der KZ-Gedenkstätte „Mühldorf Hart“ in Waldkraiburg Hakenkreuze und Schmähungen entdeckt; wenig später auch am Bunkerbogen. Die Schmierereien in der Gedenkstätte, die wahrscheinlich mit Edding-Stiften erfolgten, umfassten Hakenkreuze sowie Kurzkommentare, die auf eine rechtsextreme Haltung schließen lassen, aber auch durchgestrichene Hakenkreuze und die Kommentare „Shit Nazis“. 

Landtagsabgeordneter nennt schnelle Einordnung der Polizei „übel“

Der Abgeordnete Schuberl kritisiert die Pressemitteilung der Polizei vom 26. August 2022. Diese bezeichnete ideologisch gefestigte rechtsextreme Täter als „eher unwahrscheinlich.“ Weiter: „So kommen beispielsweise Jugendliche mit irrationalen oder destruktiven Motiven als Verfasser in Frage.“ 

Die Einordnung als Ausrutscher „ohne irgendeinen Anhaltspunkt, ist schon übel“, meint Schuberl. Diese Festlegung „ist zu schnell gewesen. Das beeinflusst natürlich die Ermittlungen. Diese Vorfestlegung mache ja etwas mit der Ermittlungsrichtung.“

Die Ermittlungen zu den Schmierereien am Bunkerbogen im Mühldorfer Hart laufen noch. Das letzte Überbleibsel ist der zentrale Ort der KZ-Gedenkstätte Mühldorf. Die Ermittlungen gegen die Täter laufen nach Angaben der Polizei noch, konkrete Ergebnisse gibt es bislang keine.
Die Ermittlungen zu den Schmierereien am Bunkerbogen im Mühldorfer Hart laufen noch. Er ist das letzte Überbleibsel und zentraler Ort der KZ-Gedenkstätte Mühldorf. © Ralph Bidner

Ermittlung in alle Richtungen

Dem widerspricht das Innenministerium in seiner Antwort und verweist auf die „umfassende Lagekenntnis“ in Waldkraiburg: „Diese Lagekenntnisse, verbunden mit dem Wissen, dass das Areal um den Bunkerbogen ein bekannter Treffpunkt für die junge Bevölkerung ist, führten zu der ersten Einschätzung. Gleichwohl ermittelt die zuständige Polizeidienststelle in alle Richtungen.“ 

Laut Innenministerium habe es sich in der Praxis als zielführend erwiesen, „Zeugenaufrufe mit zusätzlichen, zum Beispiel örtlichen Erkenntnissen anzureichern.“

Auf Nachfrage erklärte das Polizeipräsidium Traunstein, dass die Ermittlungen keine weiteren Ergebnisse erbrachten und diese an die Staatsanwaltschaft Traunstein übergeben wurden. Von der Staatsanwaltschaft war auf Nachfrage keine Stellungnahme zu erhalten.

Hakenkreuze an einer KZ-Gedenkstätte sind für den Abgeordneten Schuberl auf jeden Fall eine „rechtsextreme Straftat“. Das bestätigte das Innenministerium und ordnet die Taten als „politisch motivierte Kriminalität rechts“ ein.

„Entsteht da gerade ein Problem?“

Schuberl treibt noch eine andere Frage um: „Entsteht da gerade ein Problem? Ich muss in meiner Verirrung schon ziemlich weit sein, wenn ich so etwas mache. Das sind erste Anzeichen, dass etwas in eine ganz schiefe Richtung läuft. Das muss man sich anschauen. Wozu ist jemand imstande, der ein Hakenkreuz an eine KZ-Gedenkstätte schmiert?“

Er ruft alle - Eltern, Lehrer, Trainer, Freunde, Bekannte, Jugendpfleger - auf, hellhöriger zu sein. Gerade Jugendliche seien beeinflussbar. „Man soll das ernst nehmen. Man kann über Schändungen von KZ-Gedenkstätten nicht sagen, das waren halt Jugendliche. Wenn es Jugendliche waren, ist es ein klares Zeichen, dass etwas getan werden muss, dass hingeschaut werden muss, was da im Gange ist.“

Weitere Vorfälle an der KZ-Gedenkstätte

Nach Auskunft des Bayerischen Innenministeriums hat das Polizeipräsidium Oberbayern Süd in den letzten zehn Jahren drei weitere Straftaten mit Bezug zur KZ-Gedenkstätte Mühldorfer Hart erfasst.

Im August 2022 wurden am Bunkerbogen mehrere Flächen mit Hakenkreuzen, SS-Runen sowie Anarchie-Symbolen und dem Schriftzug „Hitler war schwul“ bedeckt. Die verfassungsfeindlichen Symbole wurden inzwischen unkenntlich gemacht.

Im Oktober 2021 wurden an der Gedenkstätte „Massengrab“ Fugen und Zwischenräume von einem 64-Jährigen mit Bauschaum ausgespritzt. Dieser erklärte, damit schädlichen Bewuchs verhindern und die Gedenkstätte schützen zu wollen. Ein antisemitischer Hintergrund wurde ausgeschlossen.

Im April 2016 wurden auf den Schautafeln der Gedenkstätte „Waldhütten“ eingeritzte Hakenkreuze entdeckt. Die Bilder wurden erneuert.

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