Anlaufstelle in Waldkraiburg gibt es seit 30 Jahren
Für Gewaltopfer: So dramatisch steigt die Zahl der Beratungen bei „Frauen helfen Frauen“
- VonUrsula Huckemeyerschließen
Fast jede dritte Frau in Deutschland hat bereits einmal in ihrem Leben Erfahrung mit Gewalt gemacht. Um so wichtiger ist es, eine Anlaufstelle für Gewaltopfer zu haben. Vor 30 Jahren ging die Arbeit in Waldkraiburg los - und die Zahl der Beratungen steigt.
Waldkraiburg - Stopp – Gewalt gegen Frauen, das geht gar nicht. Dieser Überzeugung sind auch schon vor 32 Jahren engagierte Frauen aus dem Landkreis Mühldorf gewesen. Sie gründeten am 8. Februar 1991 den Verein „Frauen helfen Frauen“. Der Verein, der 116 Mitglieder zählt, ist Träger der Fachberatungsstelle am Stadtplatz 5. Zu den „Frauen der ersten Stunde“ gehörten Ingrid Fritz und Irmi Linz.
„Mit dem Thema Gewalt gegen Frauen bin ich bei meiner Ausbildung zur Sozialpädagogin stärker in Berührung gekommen“, erzählt Linz, die damals vom Allgäu in den Landkreis gezogen ist. Sie lernte hier interessierte Frauen kennen, mit denen sie gemeinsam durch Vorträge, Filme und Gespräche das Thema Gewalt gegen Frauen in die Öffentlichkeit trug. Bei der Versammlung zur Vereinsgründung am 8. Februar fanden sich viele Bürger ein. Mitte Februar verbuchte der Verein bereits 30 Mitglieder. Eva Köhr, die lange Jahre kommunalpolitisch tätig gewesen ist, kam 1996 zu „Frauen helfen Frauen“. Als Kreisvorsitzende der Frauenunion rührte sie kräftig die Werbetrommel. „Wir haben den Verein in unseren Verbänden richtig gepusht“, erinnert sich Köhr.
Notruftelefon anfangs nur stundenweise
Als wichtiges Datum in der Vereinsgeschichte ist der 3. Mai 1993 zu nennen. „Damals ging das erste Notruftelefon an den Start“, sagt die heutige Vorsitzende Irmgard Wagner. In diesem Zusammenhang lobte die Vorsitzende den damaligen Bürgermeister Jochen Fischer, der dem Verein half, eine Wohnung anzumieten. Anfangs konnte das Notruftelefon nur stundenweise besetzt werden. Mithilfe von Zuschüssen wurde es 2001 möglich, eine hauptamtliche Kraft für das Notruftelefon einzustellen. Unter der Vorsitzenden Anne Markt konnten ab 2010 Teilzeitkräfte als hauptamtliche Betreuerinnen für den Notruf verpflichtet werden.
Um die Finanzierung der Fachberatung machte und macht sich der Verein immer wieder Sorgen. Die Finanzierung erfolgt teils über Zuschüsse des Freistaates Bayern und des Landkreises. Einen weiteren Teil der Mittel wie anteilige Personalkosten, Miete und Sachkosten muss der Verein durch Mitgliedsbeiträge, Patenschaften, Aktionserlöse und Spenden selbst erwirtschaften. „Gerade die Sachkosten bleiben an uns hängen“, bedauert Wagner und ergänzt: „Von unseren 31 Kommunen gewähren uns 26 Gemeinden Sachkostenzuschüsse. Ganz besonders möchte ich hier unsere Stadt Waldkraiburg positiv herausstellen.“
Viel Einsatz und Arbeit nötig
Ohne Spenden größeren Umfangs läuft beim Verein jedoch nichts. Um diese zu sammeln sowie neue Mitglieder anzuwerben, ist viel Einsatz und Arbeit nötig. Die Vorstandsdamen gestalten Infostände auf örtlichen Märkten, um die Arbeit des Teams bekannt zu machen und um Spenden zu generieren. Wagners Engagement für den Verein und die Beratungsstelle hebt Eva Köhr besonders hervor. „Seit Irmgard Wagner Vorsitzende ist, wird richtig gepowert“, sagt sie. Wie wichtig die Arbeit der Beratungsstelle ist, kann an der Anzahl der Beratungskontakte abgelesen werden.
Waren es 2021 noch 160 telefonische Beratungen, so sind es 2022 bereits 278 Telefonate gewesen. Die persönliche Beratung wird 2021 mit 89 angegeben, im letzten Jahr stieg sie bereits auf 144 Kontakte. Dieser Trend setzt sich auch im Januar des neuen Jahres fort. Was seit 2023 absolut neu ist: „Wir sind jetzt auch Interventionsstelle“, unterstreicht Fiona Bachmann, Leiterin der Waldkraiburger Beratungsstelle.
Zusätzlich zur Fachberatung, die nach einer „Komm-Struktur“ arbeitet, will heißen, dass sich eine von Gewalt betroffene Frau selbstständig an die Stelle wendet, kommt bei der Intervention die Polizei ins Spiel. Bachmann erläutert den Unterschied: „Nimmt die Polizei den Fall einer Gewalttat auf und die betroffene Frau ist einverstanden, dass wir mit ihr in Kontakt treten, so können wir proaktiv und ohne Umwege rasch helfen.“
Die Beratungsstelle ist mittlerweile sehr bekannt und bestens vernetzt. Immer mehr Gewaltopfer fassen den Mut und wenden sich an die Fachberatung. „Wir finden auch stets eine Lösung“, betont Wagner. Im Landkreis gibt es momentan zwei Schutzräume. Warum die Vorsitzende in Waldkraiburg kein Frauenhaus will: „Die Anonymität wäre nicht mehr gegeben. Wir könnten Frauen aus der Stadt keinesfalls in einem hiesigen Frauenhaus unterbringen, das würde sich gleich herumsprechen.“ Was sich Irmgard Wagner zum 30-jährigen Bestehen des Vereins jedoch wünscht, sind weitere Mitglieder sowie eine gesicherte Finanzierung in allen Bereichen. Aufgrund der Pandemie wird der 30. Geburtstag von Frauen helfen Frauen mit zwei Jahren Verspätung gefeiert. Im Ahnensaal des Klosters Zangberg findet am Sonntag, 12. März, ein Benefizkonzert statt.
Benefizkonzert zum Jubiläum
Das 30-jährige Bestehen des Vereins „Frauen helfen Frauen“ wird am Sonntag, 12. März, im Rahmen eines Benefizkonzertes gefeiert. Im Ahnensaal des Klosters tritt um 17 Uhr das Ensemble „La Gioia“ unter der Leitung von Sigrid Weigl auf. Der Eintritt ist frei, über Spenden freut sich der Verein. Ein Besuch des Konzertes ist nur mit Voranmeldung möglich. Platzreservierungen können unter der Telefonnummer 08631/379614 jeweils dienstags und donnerstags zwischen 16 und 19 Uhr vorgenommen werden. Folgende Termine stehen zur Auswahl: 21., 23. Und 28. Februar sowie 2. März.