Bombenattentate in der Stadt
Nach dem Urteil gegen Muharrem D: Betroffene in Waldkraiburg plagen weiter Sorgen
- VonRaphaela Lohmannschließen
- Heinz Seutterschließen
Zwei Wochen lang hat eine Anschlagsserie im vergangenen Frühjahr die Stadt in Atem gehalten. Jetzt ist das Urteil gegen Muharrem D. gefallen: Neuneinhalb Jahre Haft dazu die Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie. Ein Urteil, das bei den Betroffenen mehr als ein Jahr nach den Anschlägen von Waldkraiburg Fragen aufwirft.
Waldkraiburg – Die Scheiben dreier türkischer Läden mit Steinen eingeworfen, auf ein türkisches Lebensmittelgeschäft am Sartrouvilleplatz einen Brandanschlag verübt und dazu Pläne für weitere Attentate: Muharrem D. hat vor dem Oberlandesgericht seine Taten eingeräumt, aber von einer Spontantat gesprochen. Mit dem Brandanschlag auf das Lebensmittelgeschäft brachte er 31 Menschen in Lebensgefahr.
Mit dem Anschlag nun abgeschlossen
Knapp eineinhalb Jahre später kann Helga Rittersporn mit dem Brandanschlag abschließen: „Schon als ich als Zeugin ausgesagt habe und ihn aufforderte, er möge mir in die Augen schauen, hat mir das gutgetan“, sagt sie. Sie ist eine der Bewohnerinnen des Hauses, das durch den Brandanschlag von Muharrem D. betroffen war.
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„Mit dem Urteil bin ich grundsätzlich einverstanden. Etwas schockiert war ich nur darüber, dass er schon nach dreieinhalb Jahren seinen Fall zur Prüfung vorlegen und vorzeitig entlassen werden könnte.“ Der nun verurteilte Attentäter habe auf sie einen unbeteiligten und gelangweilten Eindruck gemacht. „Er saß da und hat immer wieder gegähnt.“ Sie selbst sei die einzige die Bewohnerin des Hauses gewesen, die zur Urteilsverkündung erschienen war. „Zu anderen Prozesstagen waren noch andere mit dabei. Aber das wollte sich wahrscheinlich nicht jeder antun.“
Neuneinhalb Jahre klingt nach nicht viel
Bei der Urteilsverkündung dabei war Hüseyin A., dessen Lebensmittelladen Ziel des Brandanschlags war. „Ich kann das Urteil noch gar nicht einschätzen. Aber neuneinhalb Jahre hört sich nicht viel an.“
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Noch immer treibt ihn die Frage um, ob Muharrem D. als Einzeltäter gehandelt hat. „Das steht für mich offen, der Prozess ging in dem Punkt für mich nicht weit genug.“ Gleiches gilt für die Verbindungen zu einem Gefährder aus Nordrhein-Westfalen. Für Hüseyin A. stellt sich die Frage nach dem Prozess: „Ist er tatsächlich so krank?“
Ein großes Fragezeichen bleibt
Ein großes Fragezeichen bleibt bei Ahmet Baskent, dem Vorsitzendem der türkisch-islamischen Gemeinde. „Es geht einem im Kopf um, was mit dem Täter ist, wenn er aus der Psychiatrie entlassen wird?“ Diese Frage könne ihm wohl jetzt keiner beantworten. Denn nach Angaben des Gerichts leidet der heute 27-Jährige an Schizophrenie, ohne die die verübten Anschläge nicht denkbar gewesen wären. „Ebenso wenig denkbar ohne die islamistisch-dschihadistische Ideologie“. Das Fundament, auf dem die Schizophrenie draufgesattelt habe.
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Der Attentäter Muharrem D. wird daher auch in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht. „Ich hoffe nur, dass er richtig behandelt wird“, sagt Baskent. Eine Sorge, die auch Hasan Cavus umtreibt. Er ist der Inhaber des Kepabhauses, auf das der vierte und letzte Anschlag verübt wurde. „Wer garantiert, dass es nach seiner Entlassung nicht noch einmal passiert?“ Neuneinhalb Jahre Haft empfindet er als zu wenig. Seine Furcht: Der Attentäter könnte zu schnell aus der Psychiatrie wieder entlassen werden.
Zu schnell wieder auf freiem Fuß?
Davon geht Bürgermeister Robert Pötzsch nicht aus. Die Haftstrafe plus die Unterbringung in der Psychiatrie: „So schnell kommt er nicht wieder auf freien Fuß.“ Wichtig für die Stadt und noch viel mehr für die direkt Betroffenen sei, dass es so schnell nach den Anschlägen zu einem Urteil gekommen sei. „Die Betroffenen hatten durch den Prozess wieder direkt vor Augen, was passiert ist.“
Stadt kann mit Geschehen abschließen
Mit dem Urteil könne nun auch die Stadt mit den Anschlägen abschließen. Dass der Täter nur elf Tage nach dem Brandanschlag festgenommen werden konnte, hätte das Vertrauen in die Gesetze und die ermittelnden Behörden gestärkt. „Das Urteil zeigt, dass für solche Taten kein Platz ist.“