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Anschläge von Waldkraiburg: Frage nach Sprengstoff-Herkunft erneut aufgebracht

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Von: Heinz Seutter

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Grünen-Landtagspolitiker besuchen Tatorte in Waldkraiburg nach Anschlagsserie
Cemal Bozoǧlu im Mai 2020 in Waldkraiburg. © hs

Woher kamen die Chemikalien für den Sprengstoff, mit dem Muharrem D. im Sommer 2020 seine Anschlagserie in Waldkraiburg verübte? Dieser Frage ging ein Abgeordneter der Grünen im Bayerischen Landtag nach.

Waldkraiburg - „Rückblickend auf die ausgeführten und geplanten Anschläge im oberbayerischen Waldkraiburg im Jahr 2020, frage ich die Staatsregierung, welche Erkenntnisse ihr mittlerweile darüber vorliegen, wie und von wo der mittlerweile verurteilte Muharrem D. die Sprengsätze beziehungsweise die zum Bau benötigten Materialien genau beschaffen konnte?“, fragt der Landtagsabgeordnete Cemal Bozoǧlu (Grüne) in einer Kleinen Anfrage. Bozoǧlu hatte sich selbst Anfang Mai 2020 vor Ort ein Bild der Lage gemacht gehabt. In seiner Antwort darauf verweist ihn das Bayerische Innenministerium an die Generalbundesanwaltschaft, mach aber selbst keine Aussagen.

Anschläge von Waldkraiburg: Abgeordneter fragt nach Sprengstoff-Herkunft

„Der Senat hat in den schriftlichen Urteilsgründen ausgeführt, dass der Angeklagte ab Sommer 2017 erhebliche Mengen an chemischen Ausgangsstoffen für die Herstellung von Sprengstoffen über Online-Shops erworben hat. Einen weiteren chemischen Ausgangsstoff hat er zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten zwischen Oktober 2016 und August 2018 bei seinem damaligen Arbeitgeber entwendet“, berichtet wiederum Markus Schmitt, Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof und Pressesprecher der Generalbundesanwaltschaft auf Nachfrage unserer Redaktion, „Rohrstücke, Endkappen und andere Metallwaren kaufte er in Baumärkten. Lediglich die genauen Umstände des Erwerbs von 100 Gramm Waschsoda sowie von einem Liter Glycerin konnten nicht näher aufgeklärt werden.“

Chemiefirma Nitrochemie Aschau GmbH äußert sich zur Beschäftigung von "Bombenleger von Waldkraiburg", Muharrem D.
Die Nitrochemie Aschau GmbH in Aschau am Inn. Auf Nachfrage von innsalzach24.de bestätigt das Unternehmen, dass der „Bombenleger von Waldkraiburg“ dort tätig war, allerdings erst nachdem er bereits bei einem anderen Arbeitgeber Chemikalien für seinen Sprengstoff entwendet hatte. Die gestohlenen Bomben-Komponenten kamen also nicht von dort. © hs

Bereits kurz nach der Verhaftung von Muharrem D. wurde bekannt, dass er zuvor bei der Nitrochemie Aschau GmbH tätig gewesen sei, einer Firma, die unter anderem, Treibladungen für militärische Anwendungen herstellt.  „Nach eingehender interner Prüfung können wir mitteilen, dass die betroffene Person ausschließlich vom 27. Januar 2020 bis 10. Mai 2020 im Zuge einer Arbeitnehmerüberlassung in unserem Unternehmen tätig war“, so ein Sprecher der Rheinmetall AG, des Mutterkonzerns der Nitrochemie.. „Bei dem ‚damaligen Arbeitgeber‘ muss es sich also um ein anderes Unternehmen handeln.

Die Stationen einer schrecklichen Anschlagsserie, die im Frühjahr 2020 die ganze Stadt und vor allem die türkischen Mitbürger in Angst versetzte.
Die Stationen einer schrecklichen Anschlagsserie, die im Frühjahr 2020 die ganze Stadt und vor allem die türkischen Mitbürger in Angst versetzte. © OVB

Zwei Wochen lang hatte eine Anschlagsserie im Jahr 2020 die Stadt Waldkraiburg in Atem gehalten. Im Jahr 2021 konnte man mit den Anschlägen auf türkische Läden und dem Brandanschlag am Sartrouville-Platz damit abschließen. Das Oberlandesgericht München sprach Muharrem D. Ende Juli des vergangenen Jahres des versuchten Mordes in 31 Fällen für schuldig. Er hatte auf drei türkische Läden Anschläge verübt und einen Brandanschlag auf einen Lebensmittelladen am Sartrouville-Platz. Das Urteil lautete auf neuneinhalb Jahren und die Anordnung der Unterbringung in der Psychiatrie. Doch auch nach dem Urteil im Juli bleiben Fragen offen: Beim Gericht und den Bewohnern des Hauses am Sartrouville-Platz.

„Wie kann es sein, dass ein junger Mann, der durchweg als zurückhaltend, zuvorkommend und freundlich geschildert wird, derartige Taten begehen kann?“, fragt der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht München. Wie konnte sich jemand so radikalisieren, der gut integriert war, der ein begeisterter Fußballspieler war, der seine Schulausbildung und auch seine Berufsausbildung ohne nennenswerte Schwierigkeiten abgeschlossen hatte? Bei den Betroffenen bleiben nach dem Urteil ebenfalls Fragen offen. Für den Gemüsehändler ist nach wie vor unklar, ob Muharrem D. tatsächlich als Einzeltäter gehandelt hat, wie er den OVB-Heimatzeitungen mitteilte.. Es bleibt auch die Unsicherheit, wie es mit Muharrem D. weitergehe, wenn er entlassen werde. „Wer garantiert, dass es nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie nicht noch einmal passiert?“, fragte sich Hasan Cavus. Seinem Kepabhaus galt der vierte und letzte Anschlag in Waldkraiburg.

hs

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