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Anwalt: Angeklagter im Waldkraiburg-Prozess psychisch krank

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Von: Martina Hunger

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Aus Hass auf Menschen türkischer Abstammung soll ein Mann Anschläge in Waldkraiburg verübt haben. Am Dienstag beginnt in München der Prozess. Der mutmaßliche Täter soll IS-Anhänger sein.
Aus Hass auf Menschen türkischer Abstammung soll ein Mann Anschläge in Waldkraiburg verübt haben. Am Dienstag beginnt in München der Prozess. Der mutmaßliche Täter soll IS-Anhänger sein. © re/dpa/Montage

Anschläge auf türkische Läden, Brandstiftung - und der Plan, noch Schlimmeres zu tun: Nach den Anschlägen von Waldkraiburg begann am Dienstag (2. März) am Oberlandesgericht München der Terrorprozess gegen den mutmaßlichen Täter.

Update, 12.46 Uhr - Anwalt: Angeklagter im Waldkraiburg-Prozess psychisch krank

Der mutmaßliche Attentäter von Waldkraiburg ist nach Angaben seines Verteidigers womöglich psychisch krank. „Wir gehen selbst nicht von einer Schuldunfähigkeit, aber von einer verminderten Schuldfähigkeit aus“, sagte sein Anwalt Christian Gerber am Dienstag zu Beginn des Terrorprozesses am Oberlandesgericht München. Grund sei „eine psychische Erkrankung“ seines Mandanten. Auch das Gericht wies zu Beginn des Prozesses darauf hin, dass eine mögliche psychische Erkrankung des 26-Jährigen und die Unterbringung in einer Klinik im Raum stehe.

Der Angeklagte erschien in weißem Hemd und schwarzem Anzug im Gerichtssaal, blickte zunächst offen in Richtung der Fotografen und Kameraleute, bevor er sein Gesicht mit einem Block versteckte. Die Verteidigung kündigte an, dass er sich zu den Vorwürfen äußern wolle: „Er hat schonungslos Angaben zur Sache gemacht, das wird er auch hier tun.“

Anschläge in Waldkraiburg auf türkische Geschäfte: Terrorprozess beginnt

Nach den Anschlägen auf türkische Läden im oberbayerischen Waldkraiburg vor knapp einem Jahr beginnt am Dienstag (9.15 Uhr) vor dem Oberlandesgericht München der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Deutschen kurdischer Abstammung versuchten Mord in 31 Fällen, schwere Brandstiftung und Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor.

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Der Mann, der sich selbst als Anhänger der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) bezeichnete, plante Ermittlern zufolge weitere Anschläge auf türkische Einrichtungen und Moscheen und wollte Imame erschießen. Die Ermittler vermuteten anfangs einen rechtsradikalen Hintergrund, weil sich die Anschläge im April und Mai 2020 gegen türkisch geführte Geschäfte und eine Moschee richteten.

23 Rohrbomben und 45 Kilogramm Sprengstoff

Im Mai vergangenen Jahres war der damals 25-Jährige nach einer mysteriösen Anschlagsserie gefasst worden. In der multikulturell geprägten Stadt Waldkraiburg waren im April und Mai 2020 in mehreren Nächten Läden und Restaurants türkischstämmiger Inhaber mit einer übelriechenden Flüssigkeit attackiert worden, ein Laden brannte aus.

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Die Festnahme des Mannes am 8. Mai 2020 könnte weitere Taten verhindert haben. Als die Polizei zugriff, hatte er Rohrbomben und kiloweise Sprengstoff dabei - wohl um Moscheen des Islamverbandes Ditib, das türkische Generalkonsulat in München und die Ditib-Zentralmoschee in Köln anzugreifen und Imame zu erschießen.

Staatsanwalt: Täter hat Tod der Bewohner in Kauf genommen

Seine tatsächlichen Taten gingen im Vergleich zu seinen Plänen nahezu glimpflich aus. Der Laden eines türkischen Gemüsehändlers ging in Flammen auf. Bei dieser schlimmsten Attacke in der Nacht zum 27. April wurden vier Bewohner des Hauses durch Rauchgas verletzt. Nur weil Bewohner den Brand bemerkten, gab es laut Bundesanwaltschaft keine Toten. Der Täter, so die Staatsanwaltschaft, habe den Tod der Bewohner in Kauf genommen.

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Die Anschläge soll der junge Mann systematisch vorbereitet haben: Laut Staatsanwaltschaft hat er eine Pistole gekauft, sich im Internet über die Herstellung von Sprengstoffen informiert und die nötigen Materialen vor allem über den Versandhandel organisiert. Rund 100 Kilogramm Chemikalien habe er dort bestellt. In Baumärkten habe er außerdem Eisenwaren für die Hüllen und Splitterladungen von Rohrbomben gekauft. Schließlich soll der Mann 23 Rohrbomben und 45 Kilogramm Sprengstoff hergestellt und in seinem Auto deponiert haben.  

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Extremismusexperten sahen in den Anschlägen eine neue Zielrichtung: Erstmals seien habe ein mutmaßlicher Anhänger der Terrormiliz IS türkische Ziele in Europa ins Visier genommen. Hintergrund könne die schärfere Gangart der türkischen Regierung gegen den IS sein. Für den Prozess sind 43 Verhandlungstage angesetzt. Der Prozess im Oberlandesgericht München findet unter starken Sicherheitsvorkehrungen statt. Das Urteil könnte im August fallen.

mh/dpa

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