Druck wird erhöht - Andere Gemeinden als Vorbild
Harter Kampf um Tempo 30: Neumarkt-St. Veiter Initiative sammelt Argumente gegen Landratsamt
- VonHarald Schwarzschließen
Tempo 30 bei einer überörtlichen Straße ist ein heikles Thema - das zeigt nicht zuletzt das Beispiel Neumarkt-St. Veit. Dort verebbt momentan jede Initiative, das Tempo vor Schule und Pflegeheim auf der Hörberingerstraße zu drosseln. Doch es gibt positive Beispiele, wo es doch geklappt hat.
Neumarkt-St. Veit - Die Beschränkung der Geschwindigkeit auf Tempo 30 auf der Hörberingerstraße in Neumarkt-St. Veit vor Schule und Pflegeheim wurden schon oft gefordert. Bislang ohne Erfolg. Jetzt hat der Deutsche Städtetag einen Vorstoß gemacht, dass Kommunen eigenständig Tempo 30 einführen dürfen. Doch für eine überörtliche Durchgangsstraße habe man nicht die Kompetenz, sagt Bürgermeister Erwin Baumgartner (UWG).
Bürgernetzwerk reicht Petition ein
Das Bürgernetzwerk setzt sich seit Jahren für Tempo 30 ein. „Wir erhielten vom Landratsamt aber nur ablehnende Antworten“, sagt Eva Guse. Das Landratsamt argumentiere, dass die Hauptausgänge von Grundschule und Pflegeheim nicht auf die Hörberinger Straße führten, dass keine Gefahrenlage erkennbar ist und der Bereich sicher genug sei. Deshalb hat das Bürgernetzwerk im November 2022 eine Petition beim Landtag eingereicht, da aus ihrer Sicht die Ablehnung des Landratsamtes nicht nachvollziehbar sei.
Das Bürgernetzwerk stellt sich eine Reduzierung auf Tempo 30 auf maximal 300 Meter Länge vor. Eva Guse, Michael Behrens und Dr. Christian Guse vom Bürgernetzwerk wissen, dass eine Tempo 30-Zone aus rechtlichen Gründen auf einer Durchgangsstraße nicht möglich ist, es bleibt nur die sogenannte streckenbezogene Lösung.
Sicherheit der Schulkinder im Fokus
Die Drei verweisen auf die Gemeinde Berg bei Neumarkt in der Oberpfalz. Dort haben der Bürgermeister Helmut Himmler und sein Gemeinderat - auch ohne Petitionsausschuss - Tempo 30 vor der dortigen Grundschule durchgesetzt, die an der Staatsstraße 2240 liegt. Ziel sei die Erhöhung der Sicherheit der Schulkinder auf dem Schulweg gewesen, was auch vom dortigen Landratsamt mitgetragen und der Regierung der Oberpfalz bestätigt wurde. Sie sahen die Schüler trotz beidseitiger Gehwege sowie eines Fußgängerüberweges und einer Ampel als „besonders gefährdet“ an.
Auch in Mühldorf ist im Abschnitt der Friedhofstraße zwischen Spitalgasse und Ahamer Straße ein Tempo 30-Bereich entstanden. Hier wurde die Stadt aufgrund einer Anliegerklage vom Bayerischen Verwaltungsgericht München 2004 aufgefordert, geeignete straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zur Reduzierung des Verkehrslärms in der Friedhofstraße zu treffen. Da es sich bei der Friedhofstraße um die einzige Nord-Süd-Verbindung in Mühldorfs Zentrum neben dem Stadtberg handelt, waren sowohl die Kreisstadt als auch das Landratsamt Mühldorf der Auffassung, dass deren Leistungsfähigkeit ohne Verkehrsbeschränkungen erhalten bleiben müsse. Bei der Friedhofstraße handelt es sich aber um eine Ortsstraße. Sie gehört damit de facto nicht zu den Straßen des überörtlichen Verkehrs, in der Praxis aber schon.
Landratsamt Landshut folgt Petitionsausschuss
Eine Konstellation, die mit der in Neumarkt-St. Veit vergleichbar ist, findet sich im niederbayerischen Vilsbiburg. Dort sind Kindergarten- und Kita St. Martin an einer Kreisstraße, dort war das Landratsamt auch zunächst gegen eine Begrenzung auf Tempo 30. Aber Vilsbiburgs Bürgermeisterin Sibylle Entwistle (SPD) weiß auch, dass sich immer mehr Bürger gewünscht haben, dass an dieser Stelle langsamer gefahren wird. Im Jahr 2020 war ein Vor-Ort-Termin mit dem Petitionsausschuss, der sich auf die Seite der Tempo-30-Befürworter gestellt hatte. Daraufhin schwenkte auch das Landratsamt auf diese Linie ein und Landrat Peter Dreier (FW) kümmerte sich darum, dass vor dem Kindergarten St. Martin Tempo 30 umgesetzt werden kann. Dabei wurde der Tempo 30-Bereich ebenfalls zeitlich begrenzt und gilt ebenfalls nur auf dem Teilbereich der Kreisstraße vor dem Kindergarten. Bürgermeisterin Entwistle lobte die Tatkraft von Landrat Peter Dreier, der sich hier für das Tempo 30 starkgemacht hatte. Das helfe zusätzlich mit, dass in Deutschland die Klimaziele auch eingehalten werden können.
Regelfall ist „Tempo 30 vor sozialen Einrichtungen“
Auch Bernd Sluka, der Vorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland unterstützt das Bürgernetzwerk: „Die Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung sagt eindeutig, dass Tempo 30 vor sozialen Einrichtungen den Regelfall darstellt. Innerhalb geschlossener Ortschaften ist die Geschwindigkeit in der Regel auf Tempo 30 km/h zu beschränken“, zitiert Verkehrsexperte Sluka die Vorschrift und ergänzt: „Es ist nicht jeder Einzelfall zu diskutieren, sondern der Standard ist: Liegt ein Ausgang zur Straße, ist Tempo 30 anzuordnen. Dasselbe gilt auch ohne direkten Straßenzugang, wenn in der Umgebung das morgendliche oder mittägliche Verkehrschaos herrscht, wie es vor vielen Schulen und Kindergärten anzutreffen ist.
Behörden, die dies ablehnen, müssen, so Sluka weiter, Gründe anführen, warum dort auf Tempo 30 verzichtet werden kann. Dabei sind laut Verwaltungsvorschrift nur zwei Begründungen zulässig: nicht anders behebbare Störungen von Bus- und Tramverkehr oder es droht die Verlagerung des Verkehrs auf Schleichwege durch Wohngebiete. Dies ist beides in Neumarkt-St. Veit nicht der Fall.
Petition hat bereits die erste Hürde genommen
Inzwischen hat sich der Petitionsausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr im Bayerischen Landtag mit der Thematik beschäftigt. Wie das Bürgernetzwerk Neumarkt-St. Veit mitteilt, habe die SPD-Landtagsabgeordnete Inge Aures am Dienstag, 28. Februar, die Petition vorgestellt, dann die Stellungnahmen der zuständigen Behörden vorgelesen und danach betont, dass sie klar für die Geschwindigkeitsbegrenzung sei. Manfred Eibl, Landtagsageordneter der Freien Wähler, sei laut Bürgernetzwerk bereits mit der Stadt Neumarkt-St. Veit in Kontakt getreten. Schließlich habe der Ausschuss die erste Hürde genommen und beschlossen, sich die Situation vor Ort anzusehen. Ein Termin steht noch nicht fest.