Mindestausbildungsvergütung steigt auch im Landkreis Mühldorf auf 620 Euro
Ab 2023 mehr Geld für Azubis: Das sagen Handwerksbetriebe aus der Region dazu
- VonJosef Enzingerschließen
- Ursula Huckemeyerschließen
Wer im nächsten Kalenderjahr eine Ausbildung in Handwerk und Betrieb beginnt, erhält im ersten Ausbildungsjahr die gesetzliche Mindestausbildungsvergütung in Höhe von 620 Euro. Die höhere Vergütung wird beifällig angenommen, ändert aber nichts an einem grundsätzlichen Problem der Handwerksbetriebe.
Neumarkt-St. Veit - Mit bundesweit durchschnittlichen 839 Euro zählen Fliesen-, Platten- und Mosaikleger zu den Ausbildungsberufen, die schon jetzt weit über dem nun gesetzlich geforderten Mindestlohn von 620 Euro verdienen. „Zurecht“, findet Wolfgang Hobmeier, der einen Fliesenfachhandel in Neumarkt-St. Veit betreibt. Denn Fliesenleger verrichten schwere körperlich Arbeit.
Verglichen mit anderen Branchen sagt Hobmeier aber auch: Gerecht geht es nach wie vor nicht in den handwerklichen Berufen zu. „Wenn wir unsere Arbeit aufnehmen, dann meistens in einem geschlossenen, beheizten Raum. Heizungsbauer, Zimmerer, Maurer - die sind auf Baustellen auch noch der Witterung ausgesetzt, sollten mehr verdienen“, findet Hobmeier, der in seiner Firma nach Tarif zahlt, zwischen 920 und 1500 Euro, abhängig vom Ausbildungsjahr. Er sieht grundsätzlich nicht die Vergütung als die große Herausforderung der handwerklichen Betriebe.
Es fehlt an Leistungsbereitschaft, Benehmen und Pflichtbewusstsein
Er selbst bildet pro Jahr zwei Auszubildende aus und ist froh darüber, wenn sich überhaupt noch Bereitwillige finden, die eine Ausbildung beginnen wollen. Und dann käme es darauf an, wie leistungsbereit die jungen Azubis sind. „Oft fehlt es an Leistungsbereitschaft, Pflichtbewusstsein, Anstand. Man glaubt nicht, wie schwierig es sein kann, dass einem Jugendlichen ein freundliches ,Grüß Gott‘ über die Lippen kommt!“, berichtet Hobmeier.
Auch die Qualität der Auszubildenden ließe immer mehr zu wünschen übrig. „Vielen sind die Anforderungen zu hoch, weil sie glauben: Wer nichts kann, keinen Quali hat, der kann immer noch ins Handwerk gehen. Und das ist ein Trugschluss“, betont Hobmeier. Denn wenn schon zu Schulzeiten die Leistungsbereitschaft gefehlt habe - wie soll ein handwerklicher Betrieb das kompensieren, was etwa Eltern bei der Erziehung versäumt haben?
Hobmeier weiß aus Erfahrung: Auszubildende, die aus der Landwirtschaft kommen, „da sieht man gleich, die haben schon mal einen Besen in der Hand gehalten. Damit kann man etwas anfangen!“
Bäcker und Metzger offenbar nicht mehr attraktiv für junge Leute
Für den Elsaßbäcker aus Schönberg, Toni Jung, ist es „vollkommen in Ordnung, dass der Mindestlohn für die Auszubildenden angehoben wurde. Das ist aber kein Thema für mich.“ Im Handwerk habe man vielmehr mit einem ganz anderen Problem zu kämpfen. „Die jungen Leute meiden es offenbar, Bäcker oder Metzger zu lernen. Hatte ich vor etwa zehn Jahren noch genügend Bewerbungen, so kam letztes Jahr kein einziges Schreiben in meinen Betrieb.“
Ich bin mit einem ordentlichen Hauptschüler auch zufrieden, selbst wenn er einen Fünfer im Zeugnis hat
Es müssten sich ja nicht die Gescheitesten bewerben, die sowieso gleich Direktoren werden wollten. „Ich bin mit einem ordentlichen Hauptschüler auch zufrieden, selbst wenn er einen Fünfer im Zeugnis hat. Das sehe ich sogar als Herausforderung an. Wenn wir diesen Bewerber oder die Bewerberin durchbringen, dann freuen wir uns doch alle.“ Er hofft, dass die jungen Leute in der Zukunft das Handwerk wieder besser zu schätzen wissen.
Viele junge Leute wollen sich nicht mehr dreckig machen
Dass der Mindestlohn für Azubis in die Höhe geht, findet auch der Malermeister Stephan Kröll richtig. Und er betont dabei: „Die Handwerksbetriebe kämpfen nicht gegen den Lohnanstieg, wir haben andere Sorgen. Viele junge Leute wollen sich offenbar nicht mehr dreckig machen oder sich plagen. Daher finden wir so gut wie keine Lehrlinge.“ Vor rund einem Jahrzehnt habe sich die Situation noch wesentlich besser dargestellt. „Die Bewerbungen flatterten mir nur so ins Haus.“ Heute jedoch sei man schon froh darüber, wenn sich ein Jugendlicher überhaupt bewirbt. „Ein normaler Hauptschulabschluss würde uns schon genügen!“
Studium und Handwerksberufe, auch die Pflege, sollten gleichgestellt beziehungsweise gleich bezahlt werden.
„Ohne Studium gilt man ja als nix, vor allem wenn die Hände schmutzig werden“, bedauert Konrad Manghofer von der Manghofer Gas-Sanitär-Heizung GmbH in Ampfing die Grundeinstellung von jungen Auszubildenden. Er findet: „Die Bezahlung, aber auch Wertung des Berufes, müssen noch weiter steigen, etwas übertrieben könnte man auch fordern: Studium und Handwerksberufe, auch die Pflege, sollten gleichgestellt beziehungsweise gleich bezahlt werden!“ Er hofft, dass durch die Erfahrungen in der Pandemie und diverse Wirtschaftsprobleme vielleicht ein Umdenken erfolgt. „Aber das ist noch längst nicht in der Bevölkerung angekommen!“
Zum Tarif gibt es zusätzlich betriebsinterne Leistungen
Das Heizungs- und Sanitär-Unternehmen in Ampfing bildet aktuell sieben Personen aus. Der Mindestlohn hat für das Traditionsunternehmen keine Bedeutung, da der Betrieb tarifgebunden ist. Sie verdienen zwischen 900 und 1200 Euro, je nach Ausbildungsjahr zuzüglich diverser betriebsinterner Leistungen, so Manghofer. Auch er berichtet von Erfahrungen, dass es schwierig geworden sei, Auszubildende zu finden. „Das liegt meiner Meinung nach aber am generellen Bildungsstand in Deutschland.“ Doch er nimmt auch die Arbeitgeber in die Pflicht. „Die Betriebe müssen halt selber auch etwas tun!“
„Erhöhung der Mindestausbildungsvergütung kein Thema“
„Für die oberbayerischen Ausbildungsbetriebe aus Industrie, Handel und Dienstleistung ist die Erhöhung der Mindestausbildungsvergütung kein Thema“, sagt die Vizepräsidentin der IHK München und Oberbayern, Ingrid Obermeier-Osl aus Schwindegg. In den allermeisten Fällen lägen die Vergütungen heute ohnehin schon in diesem Bereich oder sogar darüber. „Grundsätzlich kann eine Mindestgrenze bei der Vergütung natürlich ein Faktor sein, in bestimmten Bereichen und Zielgruppen eine Ausbildung attraktiver zu machen. Die Attraktivität der dualen Ausbildung darf aber nicht nur über die Mindestgrenze bei der finanziellen Vergütung definiert werden“, findet Obermeier-Osl, die auch Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Altötting-Mühldorf ist.
Vielmehr sei ihrer Meinung nach ein Gesamtpaket nötig, „das vor allem die hervorragenden Zukunftsperspektiven einer beruflichen Ausbildung bei Eltern wie Schülern wieder stärker ins Bewusstsein rückt. Das wissen auch die Ausbildungsbetriebe“. Die Ausbildungsbereitschaft in der Region sei weiter hoch, da die Betriebe wüssten, dass die Ausbildung im eigenen Betrieb die beste Investition für die Zukunft und der beste Schutz gegen den Fachkräftemangel ist. „Das lassen sich die Unternehmen im eigenen Interesse auch etwas kosten.“
Das Interesse der Jugendlichen in der Region an einer dualen Ausbildung sei hoch, das habe zuletzt auch die große Teilnehmerzahl des IHK-Bildungsexpress gezeigt. „Außerdem sagen uns alle Arbeitsmarktforscher, dass wir für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts vor allem beruflich qualifizierte Fachkräfte brauchen.“ Das werde dazu führen, dass heutige Azubis im späteren Berufsleben mehr verdienen als so mancher Akademiker „und bereits während ihrer Ausbildung mehr verdienen als Studierende.“