Reise ohne Eile: Mit dem Oldtimer in den hohen Norden
Mit 17,5 km/h unterwegs: Gustl Hänsch will mit dem Bulldog von Lohkirchen ans Nordkap
- VonPeter Beckerschließen
Seit Juni 2022 will sich Gustl Hänsch aus Kriegstätt seinen Lebenstraum verwirklichen. Schon immer wollte der Kunstschmied einmal die Nordlichter mit den eigenen Augen sehen. Die Umsetzung dieses Traumes wurde aber immer wieder ausgebremst.
Lohkirchen - Die Idee, mit seinem Oldtimer-Traktor aus DDR-Produktion zum Nordkap in Norwegen zu fahren, kam ihm nach einer ärztlichen Diagnose vor rund vier Jahren. Tumor an der Halsschlagader, hieß es. Und auch technische Probleme mit dem 70 Jahre alten IFA-Schlepper haben die Umsetzung seines Traumes immer wieder verzögert. Über die Winterpause ist dem 54-Jährigen nun auch die Produktionsfirma abgesprungen, die für eine Heimwerkermarktkette Videos über das Projekt gedreht hatte. Doch Aufgeben ist für den lebensfrohen Lohkirchener keine Option: „Gut, dass ich keine Terminpläne mehr einhalten muss!“, sagt der Optimist, der die restlichen 2800 Kilometer nun selbst dokumentieren wird.
Bulldog schafft mittlerweile 30 Sachen
Jahre der Planung und der Vorbereitung liegen hinter Gustl Hänsch, der seinen 17,5 km/h-schnellen Traktor unter anderem bei einem Ausflug in den Bayerischen Wald erprobte, um über eine längere Distanz festzustellen, wo sich denn die Schwachstellen des Bulldogs befinden. Diese Bewährungsprobe im vergangenen Jahr hat das Diesel-Ross bestanden. Dabei handelt es sich nicht gerade um einen gewöhnlichen Bulldog. Hinter dem Traktor hängt nämlich ein zwei Tonnen schwerer Wohnanhänger samt Solarstrom und Schwedenofen, den sich der Hobby-Heimwerker selbst zusammengebaut hat.
Die erste Etappe hat seine fahrbare Unterkunft schon hinter sich. Mitte November war er damit bis nach Schelldorf in Sachsen-Anhalt gereist, wo Hänsch das Gefährt bei einem Freund untergestellt hat, quasi zum Überwintern. Gut 100 Kilometer westlich von Berlin. Gustl selbst ist aktuell zu Hause in Lohkirchen bei seiner Frau Kathrin.
Zwar hat Gustl Hänsch damit immer noch vier Fünftel bis zu seinem Ziel, doch ist das außergewöhnliche Gespann im letzten Jahr eigentlich schon viel weiter herumgekommen: so war der Oberbayer zu unzähligen Oldtimertreffen eingeladen und obendrein gabs das ein oder andere technische Problem zu lösen, sodass auch noch Umwege zu kundigen Werkstätten nötig wurden.
„Immerhin fährt der Traktor jetzt schon 30 km/h“, freut sich der Nordkap-Reisende, der seinen fahrbaren Untersatz im letzten Jahr so gut eingefahren hat, dass sich die restliche Reisezeit theoretisch halbiert hat.
Heizung mit Saunawirkung
Wann es so weit ist, dass der 54-Jährige wieder hinter dem Steuer Platz nimmt, kann er noch nicht sagen. So bald wie möglich ist das Ziel, wenn es die Witterung wieder zulassen sollte. Denn zuvor gibt es noch einige Dinge zu reparieren: einige Waben vom Kühler des IFA-Traktors sind undicht, das Lenkrad ist erneut gebrochen und außerdem ist sich der Camper inzwischen sicher, dass der in seinem mobilen Hexenhaus verbaute Ofen nicht der Weisheit letzter Ratschluss war: „Wenn ich da einheize, ist es wie in der Sauna“, klagt der Erbauer des Hexenwagens.
Also hat er sich im Weihnachtsurlaub eine Diesel-Standheizung besorgt, mit der er den Ofen nun ersetzen will. Man merkt schon beim Gespräch: Es juckt ihn schon wieder, seine Heimwerkerfähigkeiten unter Beweis zu stellen.
Auch Leuchtturm von Otto Waalkes im Routenplan
Wenn er dann wieder hinter dem Steuer seines Bulldogs sitzen wird, hat er wieder außergewöhnliche Stationen eingeplant: Nachdem das fürs letzte Jahr geplante Treffen mit Otto Waalkes auf dessen Leuchtturm in Ostfriesland noch nicht stattgefunden hatte, hat er auch noch Kontakt zu Andreas Feldmann geknüpft: „Der ist ja der Schrauber von den beiden“, erklärt der Lohkirchener über den Bruder des Comic-Zeichners Röttger Feldmann, den Schöpfer der bekannten Werner-Comics.
Bis zum nördlichsten Punkt Europas
Vielleicht, so hofft Gustl Hänsch, kann er bei dem Fachmann noch ein paar Tricks für sein historisches Gefährt in Erfahrung bringen. Denn wenn er die Ostsee erst hinter sich gelassen hat, hat er immer noch mehr als 2300 Kilometer vor sich bis zum nördlichsten Punkt Europas. „Die Route habe ich schon ausgearbeitet“, erklärt der Mann, der kürzlich zum zweiten und dritten Mal Großvater wurde.
Aufgrund des einfacheren Geländes geht es also zunächst durch Schweden und Finnland, erst auf den letzten rund 400 Kilometern will er dann auch noch Norwegen bereisen. „Ich werde es in diesem Jahr auf jeden Fall schaffen!“, ist sich Gustl Hänsch sicher.