Zukunftsforum Sicherheit in Erharting
„Bankrotterklärung unserer Politik“ - Militärexperte attackiert Kriegsrhetorik der Bundesregierung
- VonRobert Wagnerschließen
Der Militärexperte Brigadegeneral a.D. Dr. Erich Vad spricht in dem Forum von Bundestagsabgeordneten Stephan Mayer zum Thema „Der Ukrainekrieg und die internationale Sicherheit“
Mühldorf/Altötting/Erharting – An die 100 Interessierte hatten sich für das Zukunftsforum Sicherheit im Restaurant Pauli Wirt angemeldet und waren trotz der widrigen Witterungsverhältnisse der Einladung von Bundestagsabgeordneten Stephan Mayer gefolgt. Zu groß war offensichtlich das Interesse, die Einschätzung eines ausgewiesenen Militärexperten zum Ukrainekrieg aus erster Hand zu erfahren. Stephan Mayer war es gelungen, mit Brigadegeneral a.D. Dr. Erich Vad einen viel umworbenen Referenten für sein Zukunftsforum zum Thema „Der Ukrainekrieg und die internationale Sicherheit“ zu gewinnen.
Die große Frage, die sich dem Bundestagsabgeordneten in seiner Einführung stellte und die er an seinen Gast weitergab, war: Wie kann es gelingen, diesen Ukrainekrieg zu beenden? Noch vor einem Jahr sei es undenkbar gewesen, dass es in Europa wieder Krieg geben könne – bis schließlich Putin am 24. Februar seinen Invasionskrieg begonnen habe, so Mayer.
Ein Krieg, der schon mehr als eine Million Menschen in die Flucht getrieben habe, der für zahlreiche Tote und immenses Leid auf beiden Seiten gesorgt habe und der extreme Auswirkungen auf Lieferketten und Energieversorgung mit sich bringe. Mayers persönliche Einschätzung war, dass dieser Krieg kaum ein schnelles Ende finden könne, dass aber auch Putin viele seiner Ziele nicht erreicht habe.
So wie etwa einen Spaltpilz in die westliche Staatengemeinschaft treiben zu können, was ihm letztendlich nicht gelungen sei. Für ihn so Mayer, sei klar, dass Putin nicht als Sieger vom Feld gehen dürfe und man sei es der Ukraine schuldig, bis zu einem gewissen Punkt Unterstützung zu leisten, ohne dabei selbst Kriegspartei zu werden. Eine Unterstützung, die der ehemalige Brigadegeneral Dr. Erich Vad durchaus differenziert betrachtete. Für ihn stehe außer Frage, dass man Unterstützung leisten müsse. Allerdings fehle ihm hier vor allem das politische Engagement.
Politische Ebene
Mit Waffenlieferungen sei es hier nicht getan, so Vad. Hier seien seitens der Regierung keine Bestrebungen erkennbar, ein Ende des Krieges auf politischer Ebene zu erreichen. „Ich erkenne hier kein politisches Konzept, keine konkreten Ziele. Und manche Aussagen sind sicherlich nicht förderlich“, sagte der Brigadegeneral a.D. Er wundere sich, dass einige pazifistisch orientierte Politiker über Nacht zu Kriegs- und Militärexperten mutierten. Ein deutliches Signal sandte Vad auch an einzelne Medien, die der Bevölkerung suggerierten, dass Russland am Boden sei. „Man kann eine Nuklearmacht wie Russland nicht besiegen. Bevor Russland abtritt, wird es diese Waffen einsetzen“, mahnte er.
Vad sprach sich für eine dosierte Hilfe für die Ukraine aus, gab aber auch zu bedenken, dass man nicht alle Forderungen, wie zum Beispiel nach Kampfjets oder Langstreckenraketen, erfüllen dürfe. Dies würde seiner Ansicht nach einen dritten Weltkrieg heraufbeschwören. Die Lieferung der Leopard II Panzer sei vertretbar, da sie auch der Verteidigung dienten. In Richtung der Außenministerin Annalena Baerbock kritisierte er massiv deren Ausdrucksweise, die einer Kriegserklärung gleichkomme.
„Diese Kriegsrhetorik ging mir zu weit. Die könnte sich mal eine Scheibe von Bismarck abschneiden“, sagte der Militärexperte und ehemalige Sicherheitsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel und forderte „Man muss versuchen, aus dem Militärkonflikt rauszukommen!“
Ob dies der ehemaligen Kanzlerin gelungen wäre, könne er nicht behaupten. Allerdings hätte sie alle Hebel in Bewegung gesetzt, um eine politische Lösung zu erreichen, war sich Vad sicher. Denn Merkel sei eine der wenigen Personen der westlichen Politik gewesen, die von Putin akzeptiert und ernst genommen wurden.
Kriegsgeschehen als Abnutzungskrieg
Das aktuelle Kriegsgeschehen bezeichnete der ehemalige General als Abnutzungskrieg, der wie einst im Ersten Weltkrieg bei Verdun eine Vielzahl von Todesopfern fordere, militärisch jedoch keinen Erfolg bringe. Genauso wenig Erfolg, wie die eindimensionale Denkweise, die sich immer nur auf das Liefern von Waffen beziehe. „Das ist eine Bankrotterklärung unserer Politik“, resümierte Vad und stellte in diesem Zuge auch die Wirksamkeit der Wirtschaftssanktionen in Frage.
Die Volkswirtschaft Russlands wachse stärker als die in Deutschland und Europa, der Wert der russischen Währung liege aktuell um zehn Prozent über dem Vorkriegsniveau. Abschließend richtete Vad noch einmal seinen dringenden Appell an die Politik, sich für eine außermilitärische Lösung einzusetzen und sich „stark einzubringen“, wie er es bezeichnete. Dass dies für Kanzler Olaf Scholz nicht einfach sei, liege daran, dass dieser ständig schauen müsse, wie er FDP und Grüne im Boot behalte.
Und an letztere gewandt meinte er, es sei schon erstaunlich, dass Politiker, die nie Wehrdienst geleistet hätten, die Ukraine antreiben, immer weiterzukämpfen. Sie seien mit einer Kriegsrhetorik unterwegs, die auf eine Doppelmoral schließen lasse.
Auf die den informativen Abend beschließende Frage von MdB Stephan Mayer, wie er die Lage in einem Jahr einschätze, sagte der Referent „Das ist schwierig einzuschätzen, eventuell gibt es einen Waffenstillstand“. Ein Ende des Konflikts sehe er in so kurzer Zeit noch nicht.