Straßenbeleuchtung aus oder an
Wird es in Mühldorfs Wohngebieten nachts ganz duster?
- VonNicole Petzischließen
Ein Antrag, die Straßenbeleuchtung in den meisten Wohngebieten Mühldorfs zwischen 22.15 und 5 Uhr abzuschalten, wurde im Stadtrat auf Tapet gebracht. Für hitzige Diskussionen sorgte aber nicht das Thema Energiesparen.
Mühldorf - Was macht eigentlich ein Pate der Nacht? „Das variiert, je nachdem, welche Interessen man hat“, sagt Margit Seifert mit einem Schmunzeln. Die pensionierte Chemie- und Biologielehrerin aus Mühldorf bringt den Menschen gerne in strukturierter Art etwas bei, zum Beispiel in Form von Vorträgen und Powerpoint-Präsentationen. Ihr Kraiburger Mitstreiter Tom Hilger macht als Vereinsvorstand der Solarstrom-Sternwarte Oberreith lieber Anschauungsunterricht, indem er Besucher durch sein Teleskop in den Sternenhimmel blicken lässt. Dabei geht es um Lichtverschmutzung und seine Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt. Gemeint ist die Flutung der Innenstädte und Wohngebiete bei Nacht mit künstlichem Licht, was nicht nur den Insekten nicht schmeckt, sondern auch den tagaktiven Vögeln.
Informationsbedarf in Sachen Straßenbeleuchtung
Ihnen sei wichtig, nicht mit erhobenem Zeigefinger aufzutreten, sondern sanft zu informieren und Menschen mitzunehmen, erklärt Margit Seifert. Der Informationsbedarf sei immer noch immens, während man in anderen Ländern bereits um Jahrzehnte weiter sei. In einem Drittel der französischen Kommunen sei es seit Jahren gang und gäbe, einige Stunden in der Nacht einfach die Straßenbeleuchtung abzuschalten. Negative Auswirkungen auf die Sicherheitslage der Bewohner habe dies nicht zur Folge gehabt, weiß die engagierte Mühldorferin zu berichten. „Und genau darum geht es. Die Verantwortlichen hier in unseren Kommunen ausreichend zu informieren und Ängste abzubauen.“
In dieser Mission konnte Seifert Anfang November in einer Gemeinderatssitzung in Winhöring über das Thema informieren. Auch andere Kommunen haben Interesse gezeigt. „Wir haben es mit einer Zeitenwende zu tun“, wirft Tom Hilger ein. Der Ukraine-Krieg und die darauf folgende Energiekrise haben das Bewusstsein der Menschen in Sachen Energiesparen geschärft, so Hilger, der 2018 bei der Gründung der gemeinnützigen GmbH „Paten der Nacht“ mit im Boot war. Zunächst hat den Hobby-Astronomen freilich in erster Linie der ungehinderte Blick in den Sternenhimmel interessiert. Dass Lichtverschmutzung viel tiefer greifende Auswirkungen hat, sei ihm erst später bewusst geworden.
Unproblematisch bei Verkehrssicherungspflicht
Und nun ist das Thema auch in Mühldorf angekommen. In der November-Stadtratssitzung wurde eine Teilabschaltung der Straßenbeleuchtung zwischen 22.15 und 5 Uhr in fast allen Wohngebieten im Norden und Süden der Kreisstadt diskutiert. Aus Sicht des Bayerischen Gemeindetags im Rahmen des Rundschreibens „Licht im Dunkeln“ sei das Abschalten in Wohngebieten hinsichtlich Verkehrssicherungspflicht in aller Regel unproblematisch. Allerdings liege es im Ermessen der betroffenen Kommune, darüber zu entscheiden. Diese Entscheidung gab Bürgermeister Michael Hetzl (UM) an die Stadträte weiter, mit dem Hinweis, dass aktuell eine Abschaltung technisch nicht möglich sein; eine Umrüstung koste rund 11. 000 Euro.
Persönliches Sicherheitsempfinden
Auch eine mögliche Einsparung, die die Kommunalen Energienetze Inn Salzach kalkuliert haben, wurde vorgelegt: Bei rund 1600 Leuchten mache die Einsparung rund 119.000 Kilowattstunden pro Jahr aus, was sich auf rund 24.000 Euro netto belaufen dürfte. Die Diskussion unter den Stadträten war allerdings weniger von Energiesparen geprägt; es ging den meisten um die Sicherheitslage. Den weiblichen Gremiumsmitgliedern wie der Grünen-Stadträtin Kathrin Enzinger oder der SPD-Kollegin Angelika Kölbl ging es um das persönliche Sicherheitsempfinden, andere wie etwa der CSU-Stadtrat Stefan Lasner oder AfD-Vertreter Oliver Multusch verwiesen darüber hinaus auf die ihrer Ansicht gefährdete Verkehrssicherheitslage.
Unterm Strich wurde der Antrag mit fünf Gegenstimmen abgelehnt. Bei besserer Aufklärung hätte das verhindert werden können, ist sich Margit Seifert, die die Diskussion mit verfolgt hat, sicher. „Die Argumente in puncto Sicherheit stimmen einfach nicht. Viele Studien aus anderen Ländern sprechen eine andere Sprache“, betont Seifert. Vielleicht reiche auch der gesunde Menschenverstand aus. Beispielsweise sehe doch der Autofahrer ein beleuchtetes Fahrrad auf ansonsten unbeleuchteter Straße viel besser, erklärt die Lehrerin weiter. Sie ist sich sicher: „Bei Leuten, die draußen Angst haben, hilft sowieso keine Beleuchtung.“
Weiterer Fachvortrag unerwünscht
Man hätte die Bedenken der Stadträte obendrein mindern könnten, wenn man den Abschaltungszeitpunkt nicht schon auf zehn Uhr abends vorverlegt hätte, überlegen Margit Seifert und Tom Hilger im Nachgang. Dieser Antrag ist aber nun vom Tisch, bestätigt die Stadtverwaltung Mühldorf auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen. Das Angebot Seiferts, auch im Mühldorfer Stadtrat einen Fachvortrag zum Thema Lichtverschmutzung zu halten, werde daher nicht angenommen.
Aller Tage Abend ist das aber noch nicht, ist sich Hilger sicher. „Denken Sie an das Volksbegehren „Rettet die Bienen“!“ Welche noch nicht begangenen Wege sich für die engagierten Kämpfer gegen Lichtverschmutzung auftun, weiß die Zukunft.