1. ovb-online-de
  2. Mühldorf
  3. Region Mühldorf

Mühldorfs letzter Zebrastreifen: Neue wird es nach dem Willen der Stadt nicht mehr geben

Erstellt:

Von: Christa Latta

Kommentare

Zebrastreifen Giggenbach-Stachus Mühldorf
Ein Abschied: Noch einmal marschieren Redakteure des Mühldorfer Anzeigers über den Zebrastreifen am Giggenbach-Stachus, bevor er wegkommt. © Christa Latta

Bürgermeister Michael Hetzl will Zebrastreifen in Mühldorf abschaffen, weil sich Verkehrsteilnehmer angeblich nicht daran halten würden. Der Bürgermeister beruft sich dabei auf Vorgaben von Polizei und Innenministerium, die es so allerdings gar nicht gibt.

Mühldorf – Er ist in der Kreisstadt der Letzte seiner Art: Der Zebrastreifen am „Giggenbach-Stachus“ an der Inn-Brücke. Und wahrscheinlich weiß nicht mal jeder Mühldorfer, dass es ihn noch gibt. Um diesen letzten und eventuell neue Zebrastreifen in der Stadt ging es in der Sitzung des Hauptausschusses.

Losgetreten wurde die Diskussion mit dem Tagesordnungspunkt „Überprüfung der Überquerungsanlagen in Mühldorf“. Auf Antrag der Grünen und im Auftrag der Stadt hatte die Planungsgesellschaft Stadt-Land-Verkehr die drei Ampeln – in Behördendeutsch: Lichtzeichenanlagen – überprüft, für die die Stadt zuständig ist. Diese Überprüfung mit Verkehrszählung hat 5.500 Euro an Sachverständigenkosten verursacht und kam zu dem Ergebnis, dass eigentlich alle drei Ampeln wegen mangelnder Nutzung und Beachtung überflüssig sind.

Drei Übergänge geprüft

Es ging um Querungen an der Mößlinger Straße auf Höhe von St. Pius, an der Äußeren Neumarkter Straße auf Höhe der Georg-Höpfl-Straße und auf der Luitpoldallee an der Musikschule. „Wir werden diese Ampeln jetzt nicht zurückbauen“, versicherte Bürgermeister Michael Hetzl (UM) und stellte die Frage, ob es angesichts dieser Ergebnisse und Kosten noch sinnvoll sei, die weiteren Überquerungsanlagen der Stadt zu überprüfen.

Reinhard Wanka (UM) schlug vor, statt der Ampel an der Musikschule besser einen Zebrastreifen auf Höhe der Marxbauer-Passage einzurichten. Worauf Hetzl zur Überraschung der Stadträte im Hauptausschuss erklärte, dass neue Zebrastreifen in Bayern gar nicht mehr gemacht würden. Das gehe auf eine Entscheidung des Bayerischen Innenministeriums zurück und auch die Polizei „lehnt Zebrastreifen in Gänze ab“, betonte Hetzl. Stand der Technik seien Insel-Lösungen. Mit einer Insel in der Fahrbahnmitte müssen Fußgänger beim Überqueren der Straße jeweils nur eine Fahrbahn im Auge behalten, können auf der geschützten Insel stehen bleiben, die zweite Fahrbahn überblicken und weiter drübergehen.

Stadträte vertrauen auf Zebrastreifen

Die Aussagen von Bürgermeister Hetzl und Ordnungsamtsleiter Fritz Waldinger, dass Zebrastreifen in Bayern nicht mehr gebaut würden und weder Autofahrer noch Fußgänger eine rechte Ahnung davon hätten, wie man sich daran zu verhalten habe, nahmen die Ausschussmitglieder mit Verwunderung auf. Laut ihren Wortmeldungen erscheinen Wanka, Rudi Salfer (CSU), Claudia Hungerhuber (SPD), Stephan Schinko (Grüne), Gottfried Kiermeier (SPD) und Stefan Schörghuber (CSU) die seit Jahrzehnten jedem Kind bekannten Streifen auf der Straße noch immer als sinnvolle Einrichtung.

Deshalb tauchten sie auch immer wieder in ihren Anregungen auf, etwa um den Übergang beim Griechen am Stadtberg mit einem Zebrastreifen optisch zu entschärfen. Eine Idee, die von Hetzl ebenfalls abgelehnt wurde: „Die Polizei sagt klipp und klar, Zebrastreifen gibt‘s nicht mehr.“ Er wies auch darauf hin, dass das Staatliche Bauamt Rosenheim den letzten Mühldorfer Zebrastreifen am Giggenbach-Stachus zurückbauen will.

„Es gibt keine Weisung“

Angesichts der ebenfalls von Hetzl und Waldinger getätigten Äußerung, dass etwa Baden-Württemberg verstärkt auf Zebrastreifen setze und sie auch weiterhin Teil der Straßenverkehrsordnung des Bundes sind, ist das OVB dem Thema nachgegangen. „Es gibt keine Weisung des bayerischen Innenministeriums, dass die Einrichtung neuer Zebrastreifen nicht mehr zulässig ist“, lautete auf Nachfrage die Antwort aus dem Innenministerium in München. „Liegen die rechtlichen Voraussetzungen vor und werden Zebrastreifen angelegt, ist dies aus unserer Sicht eine gute Möglichkeit, ein sicheres Queren der Fahrbahn zu ermöglichen. Die Frage, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung und Errichtung eines Zebrastreifens gegeben sind, muss von den zuständigen Behörden vor Ort entschieden werden.“

Scheinsicherheit ist ein Streitpunkt

„Die Polizei lehnt neue Zebrastreifen nicht ab“, versicherte auch Polizeihauptkommissar Karl-Heinz Stocker, Sachbearbeiter Verkehr im Landkreis Mühldorf. Es müssten die Richtlinien eingehalten werden, dann spreche nichts dagegen. Neuere Studien hätten allerdings ergeben, dass Übergänge mit Verkehrsinseln wesentlich sicherer seien, und solche Lösungen errichte die Stadt Mühldorf „geradezu vorbildlich“, sagte Stocker. Zebrastreifen seien wegen ihrer „Scheinsicherheit“ zum Streitpunkt geworden. Man könne sich als Fußgänger nicht hundertprozentig darauf verlassen, dass Autofahrer anhalten.

„Die Anordnung von Zebrastreifen ist im Rahmen der Straßenverkehrsordnung erlaubt, unterliegt aber hohen rechtlichen Anforderungen“, lässt das Staatliche Bauamt Rosenheim wissen. „Eine Weisung des Bayerischen Innenministeriums, als Bayerns Oberste Verkehrsbehörde, nach der die Einrichtung neuer Zebrastreifen nicht mehr zulässig sei, gibt es nicht.“ Für die Kreuzungsanlage Giggenbach-Stachus will das Staatliche Bauamt Rosenheim ein Verkehrsgutachten in Auftrag geben. Der Rückbau und die alternative Lösung hingen von der Empfehlung im noch durchzuführenden Verkehrsgutachten ab. „Ziel der Verkehrsuntersuchung ist neben der Koordinierung mit der benachbarten Ampel auch die Erhöhung der Verkehrssicherheit“, sagt Pressesprecherin Ursula Lampe.

„Vom Freistaat nicht favorisiert“

„Es gibt keine Weisung des Innenministeriums, dass die Einrichtung neuer Zebrastreifen nicht mehr zulässig sei“, erklärt die Stadtverwaltung Mühldorf auf die OVB-Nachfrage und will damit „Missverständnissen vorbeugen“: „Im Hauptausschuss ging es entsprechend auch nicht um eine Weisung oder dergleichen. Stattdessen sei erläutert worden, dass Zebrastreifen durch die im Freistaat zuständigen Stellen – also Innenministerium, Polizei etc. – nicht favorisiert würden.“ Allerdings hatten zum Beispiel auch die Ausschussmitglieder Hungerhuber und Schinko - vom OVB noch einmal darauf angesprochen - genau die Formulierung mit „Weisung aus dem Ministerium“ in der Sitzung vernommen.

Zebrastreifen würden also einerseits von Innenministerium und Polizei nicht favorisiert, andererseits mache die Kreisstadt ihre eigenen negativen Erfahrungen, fährt die Stadt in ihrer Antwort fort: „So stellen wir regelmäßig fest, dass die mit Fußgängerüberwegen verbundenen Regelungen nicht beachtet werden, insbesondere Verhaltensgebote für Fußgänger und Radfahrer.“

Auch interessant

Kommentare