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Sonnenstrom vom Acker für die Bürger: Wie Aschau Finanz-Investoren abschrecken will

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Von: Jörg Eschenfelder

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Photovoltaik-Anlage
Wann und wie sollen PV-Freiflächen-Anlagen in Aschau genehmigt werden? Die Gemeinderäte einigten sich jetzt auf Grundsätze. © Nicolas Armer / dpa

Aschau am Inn will erneuerbare Energien und entsprechend auch PV-Freiflächen-Anlagen. Aber nicht zu jedem Preis und unter allen Bedingungen. Auf welche Kriterien sie sich einigten und wie die Aschauer davon profitieren sollen, erfahren Sie hier.

Aschau am Inn — Wie groß darf denn eine Photovoltaik-Freiflächenanlage in Aschau sein? Wie viele Hektar will die Gemeinde dafür insgesamt freigeben? Wo dürfen sie denn entstehen und wer darf und soll davon profitieren? Das beschäftigte die Gemeinderäte in ihrer jüngsten Sitzung, nachdem Bürgermeister Christian Weyrich (CSU) den Entwurf eines entsprechenden Leitfadens für die Genehmigungen präsentiert hatte. 

Die Gemeinderäte hatten im Oktober einstimmig beschlossen, dass die Verwaltung bis Januar einen entsprechenden Kriterienkatalog erarbeiten soll. Bürgermeister Weyrich konnte bereits jetzt einen ersten Entwurf vorlegen. 

„Grundsätzlich ist der Gemeinderat erneuerbaren Energien gegenüber aufgeschlossen”, so Weyrich. „Wir wollen damit Regeln gegen einen Wildwuchs aufstellen.” So soll sichergestellt werden, dass über entsprechende Anträge immer nach einheitlichen Kriterien entschieden und die Vorstellungen der Gemeinde berücksichtigt werden. „Wir haben hier absolute Planungshoheit”, betonte Weyrich, „ob, wo und in welcher Größe wir einen Bebauungsplan für eine entsprechende Freiflächenanlage aufstellen möchten.” 

Pro und Contra einer PV-Freiflächen-Anlage

Positiv sei, so der Leitfaden, dass die PV-Anlagen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, die Böden sich regenerieren können, die regionale Wirtschaftskraft dadurch gestärkt werde und die Gemeinde von den Einnahmen profitiere. „90 Prozent der Gewerbesteuereinnahmen kommen der Gemeinde zugute”, sagte Weyrich. Nachteilig sei die Nutzungskonkurrenz, die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, mögliche Einflüsse auf die Nachbarn sowie eventuelle Einschränkungen für Spaziergänger, Radfahrer oder das Wild.

Weyrich schlug vor, die Gesamtfläche der Freiflächenanlagen auf zwei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche zu begrenzen. Bei 1.450 Hektar ergibt das knapp 30 Hektar. Die einzelne Anlage sollte höchstens zehn Hektar groß sein. 

„30 Hektar sind eine ganz schöne Hausnummer”, gab Lorenz Salzeder (CSU) zu bedenken. „Auch zehn Hektar für eine Anlage sind mir zu groß.” Martin Höpfinger (SPD) ergänzte, dass seines Wissens nach Anlagen erst ab zwei Hektar wirtschaftlich Sinn machen. Lukas Salzeder (AWG) hatte die Idee, diese Größe offen zu halten, da es auch auf den Standort ankomme. Weyrich schlug dagegen vor, die fünf Hektar in den Leitfaden aufzunehmen: „Dann haben wir eine Richtung.”

Lorenz Salzeder wollte zusätzlich sicherstellen, dass kein „gutes Ackerland” hergegeben wird. Daniela Reingruber (CSU) regte an, Agri-PV-Anlagen zu bevorzugen. Diese erlauben es, die Fläche weiterhin landwirtschaftlich zu nutzen. Reingruber: „PV-Anlagen sind immer eine Aufwertung.” Auch sollten vorbelastete Standorte vorrangig genutzt werden. Zudem sollten die Anlagen eingegrünt werden: „Dann sind sie nicht so präsent.”

Karl Heinz Jekler (Bündnis Aschau) warnte,  in den Leitfaden „zu viel reinzuschreiben”. Allerdings wollte auch er, dass eine ökologische Gestaltung der Anlagen berücksichtigt werde. 

Bürgerbeteiligung für PV-Anlagen gefordert

Von den Anlagen sollen aber auch die Aschauer profitieren, wie Bürgermeister Weyrich betonte. Daher ist im Leitfaden vorgeschlagen, dass die Aschauer mit mindestens 80 Prozent an der Anlage beteiligt werden, etwa in Form einer Bürgerbeteiligungs-Genossenschaft. „Ein reines Investoren-Modell gefällt mir nicht.” Dem pflichtete Thomas Wintersteiger (CSU) bei, „aber wir sollten uns die Tür offen lassen.” Zum Beispiel, wenn Ortsansässige investieren oder ein Industriebetrieb auf seinem Gelände eine Anlage errichten möchte. Weyrich sah in der 80-Prozent-Vorgabe, vor allem ein Mittel, um auswärtige Investoren abzuschrecken. Letztlich sei es immer eine Einzelfallentscheidung: „Jede Anlage kommt in das Gremium, dann können wir entscheiden.”

Abschließend schlug Weyrich vor, den Leitfaden entsprechend zu präzisieren: PV-Freiflächenanlagen sollen vorrangig auf vorbelasteten Grundstücken errichtet werden; die Anlagen sollen eingegrünt werden, die maximale Größe einer Anlage soll bei fünf Hektar liegen und Agri-PV-Anlagen sind zu bevorzugen. Dem stimmten die Gemeinderäte einstimmig zu.

Welche Flächen kommen für PV-Freiflächen-Anlagen in Frage?

Geeignet sind Flächen direkt an Bahnstrecken, Hochspannungstrassen, auf vorbelasteten Standorten, Landwirtschaftlich genutzte Flächen in Wasserschutzgebieten gemäß LfU Merkblatt Nr. 1.2/9 sowie Flächen ,die kaum einsehbar sind und auch aus der Fernwirkung das Landschaftsbild nicht beeinträchtigen.

Nicht geeignet sind Flächen, die am Ortsrand gelegen sind und den Ortscharakter/das Ortsbild beeinträchtigen können; Flächen, die in natürlichen Naherholungsräumen liegen oder Jagdreviere einschränken würden; sowie Flächen, die das Landschaftsbild beeinträchtigen.

Ausgeschlossen sind potentielle Erweiterungsflächen für Wohnbebauung und Gewerbe, die gemeindliche Siedlungsentwicklung düfe nicht behindert werden; Naturschutz, FFH-Gebiete und Biotopflächen und Ausgleichsflächen. PV-Freiflächenanlage dürfen keine Blendwirkung (Spiegelung) auf öffentliche Straßen und Wohngebäuden werfen und müssen zur nächstgelegenen Wohnbebauung mindestens einen Abstand von 100 Metern einhalten; es sei denn, der Eigentümer stimmt einer Verkürzung zu.

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