Kein Sport in der Pandemie
Resignation statt Muskelaufbau: Mühldorferin beklagt Perspektivlosigkeit im Fitnesssektor
- VonJosef Enzingerschließen
Von einem Lockdown zum nächsten: Barbara Lang betreibt ein Fitnessstudio in Mühldorf auf einer Fläche von 900 Quadratetern. Aber nicht ein Sportler darf Gewichte stemmen, weil die Inzidenzen einfach zu hoch sind. So kommt die Unternehmerin den Mitgliedern entgegen.
Mühldorf – Liegt die Inzidenz über 100? Oder drunter? Für Barbara Lang gehört der Zahlencheck zum täglichen Prozedere, wenn sie in ihr Fitnessstudio „Energy“ in der Elbestraße in Mühldorf geht. Denn je nachdem, ob die Zahlen zwei- oder dreistellig sind, entscheidet sich, ob sie aufsperren darf.
Perspektifisch wäre das am 28. März der Fall. Doch die Betreiberin des Fitnessstudios bleibt wie viele andere ihrer Kollegen skeptisch: „Immer wieder wurden wir in den vergangenen Monaten vertröstet. Es ist hoffnungslos!“, sagt die 31-Jährige, die nach einem Jahr Corona alle Zuversicht verloren hat.
Zuversicht nach Öffnung im Juni 2020 – dann die Enttäuschung
Diese war wieder gewachsen, nachdem sie die Türen ihres Studios Anfang Juni 2020 wieder aufschließen durfte. Erleichterung bei ihren Mitgliedern, die wieder ihrem geliebten Sport nachgehen konnten. Allerdings nur für fünf Monate. Denn ab 2. November war wieder Schicht im Schacht. Auf Grundlage weiter steigender Inzidenzen mussten die Muckibuden wieder schließen.
Hoffen und Bangen, doch Optimismus weicht der Frustration
Seitdem hofft und bangt Barbara Lang. Doch der Optimismus ist inzwischen der Frustration gewichen. „Frust, den wir auch bei unseren Mitgliedern spüren. Natürlich rufen die regelmäßig an, erkundigen sich, wann es wieder weiter geht. Doch konkrete Antworten können wir nicht liefern!“
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Auf 900 Quadratmetern herrscht gähnende Leere
Lang bedauert dies vor allem deswegen, weil es in ihrem knapp 900 Quadratmeter großen Fitnessstudio nicht alleine darum geht, den Bizeps zu vergrößern oder das Sixpack zu definieren. „Krafttraining ist auch Gesundheitssport. Viele kommen wegen Rückenproblemen zu uns. Beziehungsweise seit November nicht mehr, weil wir nicht aufsperren dürfen.“
Sie mag sich gar nicht ausdenken, welche Spätfolgen die fehlende Kräftigung wichtiger Muskelpartien für das Gesundheitswesen haben wird. Und sie spürt durch die Reaktion ihrer Mitglieder: „Erst waren sie enttäuscht über die Schließung. Jetzt ist es Wut!“
Keine Fitness, dafür Übergewicht
Kein Training auf der einen Seite, Übergewicht auf der anderen. Der Begriff Corona-Wampe geht einher mit den beiden Lockdowns, welche die Republik schon hinter sich hat. „Eigentlich fahrlässig, wenn keine Trainingsmöglichkeiten zur Verfügung stehen“, klagt Barbara Lang, die auch als Heilpraktikerin arbeitet, die Regierung an. „Wir sind systemrelevant. Doch wir sind von der Regierung vergessen worden“, sagt sie.
Finanziell geht es allmählich ans Eingemachte
Finanziell geht es langsam ans Eingemachte. Die Corona-Hilfen kamen teilweise wie versprochen. Die letzte deckte noch 70 Prozent der Fixkosten. „Wir haben noch den Vorteil, dass wir ein Familienbetrieb sind und keine Vollzeitangestellten zahlen müssen.“
Die Langs sind nicht unbekannt in der Mühldorfer Fitness-Szene. Schwiegervater Franz Lang betreibt bereits seit 38 Jahren Fitnessstudios, etwa in Altmühldorf und Töging. 2017 ist das Studio in der Elbestraße dazugekommen.
Seit Februar werden keine Beiträge mehr abgebucht – und es gibt Monatgutschriften
Das Studio hat sich etabliert, vor allem deswegen, weil es mit Mitgliedsbeiträgen zwischen 20 und 30 Euro auch für Geringverdiener erschwinglich ist. „Die Gefahr ist natürlich groß, dass wir Mitglieder verlieren!
Seit Februar buchen wir keine Beiträge mehr ab“ Bislang sei das Studio zwar von einer größeren Austrittswelle verschont geblieben – aber verdenken könne sie es den Mitgliedern nicht. „Man bekommt ja keine Leistung!“
Dabei kommt das Fitnessstudio den Sportlern, die ihre Mitgliedschaft beenden, mit Monatsgutschriften entgegen. „Sie können die Zeit der Zwangsschließung betragsfrei nachholen – wenn wir denn wieder öffnen dürften!“
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Hoffnungsschimmer wird zu Resignation
Der 28. März – für Barbara Lang ist das Datum ein leiser Hoffnungsschimmer. Mehr nicht. Eine Person pro 40 Quadratmeter, die sich vorher über eine App einen Termin geblockt hat, dürfte sie dann in ihr Studio lassen, negativer Corona-Schnelltest vorausgesetzt.
Doch wenn die Corona-Inzidenzen über 100 sind, kann sie auch ihre Öffnungspläne wieder in Schublade stecken. „Perspektive schaut anders aus“, sagt die 31-Jährige. Zuversicht? Nein. Eher Resignation.
Im ersten Lockdown haben die Deutschen im Durchschnitt 1,1 Kilogramm zugenommen
Der Mühldorfer Manuel Bolz ist Sportwissenschaftler und leidet selbst unter den Einschränkungen, die mit der Corona-Krise verbunden sind. Denn auch im fehlt das regelmäßige Training im Fitnessstudio, der Tennisplatz und das Volleyballfeld. Als Sportwissenschaftler weiß er sich selbst zu helfen, er kann es aber nachvollziehen, wenn das Robert-Koch-Institut davon spricht, dass alleine der erste Lockdown 2020 eine durchschnittliche Gewichtszunahme von 1,1 Kilogramm nach sich gezogen hat im Vergleich zum Vorjahr.
Sportwissenschaftler: Zu Hause ist die Motivation nur gerin
Das hat seiner Ansicht nach einige Gründe: Mit der Schließung von Fitnessstudios und dem Verbot von Vereinssport fehle den Menschen die Motivation, der Ansporn. „Wenn ich zum Sport gehe, dann breche ich nicht nach fünf Minuten ab. Man ist motiviert, auch weil man mit Gleichgesinnten trainiert. Zu Hause mit Hanteln, Ergometer und dergleichen ist da die Schwelle zum Abbruch viel eher erreicht.“
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Homeoffice bedeutet auch weniger Bewegung
Die Tatsache, dass Arbeitswege durch Homeoffice wegfielen, bedeute ebenso weniger Bewegung. Der 45-jährige Lehrer berichtet aus eigener Erfahrung: „Homeoffice bedeutet bei mir arbeitsbedingt bis zu 10.000 Schritte weniger am Tag!“ Wenn bei Erwachsenen die Angst um den Job und finanzielle Sorgen hinzukommen, sei es verständlich, wenn dann auch die Motivation, sich fit zu halten entsprechend gering ist.
Schlank und fit mit einfacher Formel
Was kann man trotzdem tun? „Jede Form von Bewegung ist gut“, sagt Bolz. Mit Spazierengehen alleine nimmt man zwar nicht ab, aber es fördere die Gesundheit. Wer auf Fettverbrennung abzielt, dem empfiehlt Bolz Joggen oder Radfahren. Für den dafür richtigen Puls gibt er eine einfache Formel vor: 180 minus Lebenalter, plus/minus zehn.
Spezifische Workputs als gute Alternative
Eine gute Alternative für spezifische Workouts sind Videos, etwa auf Youtube. Die Qualität könne man an der Zahl der Abonnenten von Fitness-Kanälen und von den Kommentaren ableiten. Oder man wird selbst kreativ: Warum nicht das Treppenhaus nutzen? 30 Mal rauf und runter bei drei Geschossen: „Macht 90 Stockwerke – und entsprechend fit!“