Aus dem Landgericht
Psychisch Kranker tritt Schwangere in Mühldorf in den Bauch: Urteil ist gefallen
- VonMonika Kretzmer-Diepoldschließen
Zwei ihm völlig unbekannte Frauen, eine davon hochschwanger, attackierte ein 40-Jähriger mitten in Mühldorf. Tritte in den Bauch der werdenden Mutter lösten eine Frühgeburt aus. Glücklicherweise überlebte das Baby unverletzt.
Mühldorf/Traunstein – Gegen den aufgrund einer psychischen Krankheit schuldunfähigen Täter ordnete die Zweite Strafkammer am Landgericht Traunstein am Donnerstag die zeitlich unbegrenzte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
Tritte und Schläge aus heiterem Himmel
Die beiden Schwestern waren am Nachmittag des 17. August 2021 zu Fuß vom Stadtplatz in Mühldorf zum Hallenbadparkplatz unterwegs. Die 28-Jährige erwartete die Geburt ihres Kindes im nächsten Monat. Auf dem Gehweg schlossen die Frauen zu dem Beschuldigten auf.
Zweimal aus dem Stand mit voller Wucht gegen den Bauch
Der Mann drehte sich plötzlich um, holte mit einem Bein aus, trat zweimal aus dem Stand mit voller Wucht gegen den Bauch der 28-Jährigen und versetzte ihr zusätzlich einen Faustschlag gegen den Kopf. Die Schwangere brach zusammen. Der Täter trat mit dem beschuhten Fuß auf die am Boden liegende Frau ein – noch mindestens fünf Mal gegen ihren Bauch und mindestens einmal gegen den Kopf. Schützend vor den Leib gehaltene Arme und Beine milderten die Tritte nur unzureichend.
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Tritte und Faustschläge gegen die Schwester
Die Schwester versuchte, die 28-Jährige vor den Angriffen zu schützen, bekam dabei selbst Faustschläge und Tritte ab. Drei oder vier Männer eilten den Opfern zu Hilfe. Der 40-Jährige zog ein Klappmesser mit sieben Zentimeter langer Klinge heraus, öffnete es und hielt es drohend in Richtung der Helfer. Zusätzlich griff er zu einer Glasflasche in seiner Tasche und deutete einen Wurf an. Einer der Männer bekam den 40-Jährigen von hinten zu fassen. Dessen Stich nach rückwärts mit dem Klappmesser ging glücklicherweise ins Leere. Danach konnte der Beschuldigte dingfest gemacht werden.
Kind nach der Tat nicht mehr gespürt
Die Schwangere spürte unmittelbar nach der Tat ihr Kind nicht mehr. Dann setzten vorzeitig Wehen ein. Sie trug außerdem Verletzungen im Gesicht und ein Taubheitsgefühl im Bauchbereich davon, dazu Schmerzen im Unterleib und Kopfschmerzen. Die Schwester erlitt Schmerzen am Körper, starke Kopfschmerzen, Schwindelgefühle sowie jeweils beidseitige Kopf- und Brustkorbprellungen. Beide Frauen sind bis heute von Angstzuständen geplagt.
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Angreifer hörte Stimmen im Kopf
Laut Antragsschrift der Staatsanwaltschaft vernahm der 40-Jährige während der Attacken „Stimmen in seinem Kopf“. Sie sagten ihm, die Leute auf dem Stadtplatz seien „böse“. Er müsse sich gegen die Menschen wehren und sie angreifen. Bei den Ermittlungen der Kripo Mühldorf hatte sich gezeigt, dass der Mann, bei dem 2003 eine schwere psychische Erkrankung festgestellt worden war, 2004 in München schon einmal eine schwangere Frau attackiert hatte. Deshalb absolvierte er damals eine Therapie. Drogenkonsum prägte sein Leben als junger Erwachsener. Auch saß er bereits in Haft. Ein psychiatrischer Sachverständiger sah die Voraussetzungen für eine weitere Unterbringung als erfüllt an
Paranoia gegenüber der Bevölkerung von Mühldorf
Der vom Gericht bestellte Gutachter erklärte, der Angeklagte habe geglaubt, die Bevölkerung von Mühldorf habe etwas gegen ihn. Inzwischen sei der Beschuldigte medikamentös anders eingestellt worden und zeige Krankheitseinsicht. Eine weitere Behandlung sei jedoch unumgänglich.
Einigkeit über Notwendigkeit der Unterbringung
Über die Notwendigkeit der Unterbringung herrschte Einigkeit in den Plädoyers und im Urteil der Zweiten Strafkammer. Vorsitzender Richter Volker Ziegler hob im Urteil heraus, für die verwirklichten Delikte – versuchter Schwangerschaftsabbruch, Körperverletzungen und Bedrohung – könne der 40-Jährige nicht bestraft werden.
Frauen waren „zufällige Opfer“
Die Verteidigerin, Rita Süßenguth aus Neuötting, hatte argumentiert, es liege kein versuchter Schwangerschaftsabbruch vor. Aus Sicht des 40-Jährigen seien die Frauen „zufällige Opfer“ geworden. Dass eine schwanger war, habe keine Rolle gespielt. Das unterstrich der Beschuldigte in seinem „letzten Wort“: „Es hätte auch jeden anderen treffen können.“