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Was neue Corona-Regeln für Mühldorf bedeuten: Wirte und Einzelhändler fürchten um Existenz

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Von: Hans Grundner, Karlheinz Jaensch, Josef Enzinger, Markus Honervogt

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Marzena und Gregor Konski haben sich schon vorbereitet: Wenn sie ihr „Hotel Post“ in Neumarkt-St. Veit zusperren müssen, wollen sie ihre Gäste durchs Fenster versorgen.
Marzena und Gregor Konski haben sich schon vorbereitet: Wenn sie ihr „Hotel Post“ in Neumarkt-St. Veit zusperren müssen, wollen sie ihre Gäste durchs Fenster versorgen. © Jaensch

Die Verschärfungen der Corona-Regeln trifft Gastronomen besonders hart. Zum zweiten Mal müssen sie komplett zu sperren. Das haben Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder beschlossen. Auch Einzelhändler und Kulturanbieter protestieren. Nach ihrer Meinung treffen die Regelungen die Falschen.

Mühldorf – Die Werbetafel verspricht Hase, Reh und Hirsch, die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten Diät: Ab 2. November müssen Wirtshäuser zusperren. Das ist eine der gestern beschlossenen Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie.

3000 Euro für Hase, Reh und Hirsch

Wild für 3000 Euro hat das Restaurant Bastei bestellt, um Wildwochen anbieten zu können: „Wild muss man Wochen vorher bei den Jägern ordern“, sagt Koch und Inhaber Wolfgang Enzinger. „Jetzt bereiten wir es nicht für die Karte, sondern für die Gefriertruhe vor.“ Schon zuletzt musste sich die Bastei umstellen: „Ohnehin hatten wir den Fokus nicht mehr auf das Abendgeschäft gelegt, als es hieß, dass 21 Uhr Sperrstunde ist“, sagt Geschäftsführerin Steffi Nömeier.

Den Gastro-Bereich zu schließen hält sie für überzogen, „nachdem sogar das Robert-Koch-Institut zu dem Schluss gekommen ist, dass es nicht die Gastronomie ist, die für steigende Infektionszahlen verantwortlich ist. Wir haben viel Geld und Mühe in die Umsetzung der Hygienerichtlinien gesteckt.“

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Holger Nagl, Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands, ist am Telefon zunächst sehr still. „Man ringt um Worte“, sagt er schließlich. Er stimmt Bastei-Geschäftsführerin Nömeier zu: „Die hohen Zahlen kommen mit Sicherheit nicht aus der Gastronomie, dass solche Maßnahmen gerechtfertigt wären. So viele Gäste kommen ohnehin nicht mehr, die sitzen oft nur in Rufweite.“ Er weist auch darauf hin, dass der private Bereich – anders als Restaurants – kaum zu kontrollieren sei.

Die Stammtische sind gerade erst wieder zurückgekommen

Gregor Konski, hat das „Hotel Post“ am Neumarkt-St. Veiter Stadtplatz erst vor drei Wochen übernommen. Die Stammtische seien zurückgekommen, das Stammpublikum beständig gewachsen, jetzt ist wieder Schluss. Nachvollziehen kann er die Schließung nicht, hat sich aber bereits darauf eingestellt: „Heute habe ich 1000 Aluschüsseln geordert. Denn ich werde auf jeden Fall für meine Kunden Essen bereithalten. Wir werden die Speisen durchs Fenster verkaufen.“ Natürlich fehle dann immer noch der das gesellige Wirtshausleben, aber da könne man nichts machen.

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Birgit Kozel vom „Patini“ in Waldkraiburg klagt wegen der vielen Weihnachtsfeiern, die nach den hohen Umsatzeinbußen von 25 bis 30 Prozent das Jahr etwas verträglicher hätten gestalten sollen. Von Protestaktionen, gar juristischen Mitteln hält sie aber nichts. „Ich reg mich nicht auf. Wir sparen unsere Energie, um das Beste draus zu machen.“ Das „Patini“ wird wieder auf „To-go-Verkauf“ setzen, „obwohl dabei so viel Verpackungsmaterial anfällt“.

Handel bangt ums Weihnachtsgeschäft

Der Einzelhandel darf zwar weiter öffnen, die Regeln seien aber tödlich, sagt der Vorsitzende der Mühldorfer Aktionsgemeinschaft, Christian Kühl: „Für uns Händler wäre das die Vorstufe zur Katastrophe.“ Denn in den kommenden Wochen beginnt das Weihnachtsgeschäft, das viele Kunden in die Läden führen soll. „Im Prinzip ist es wie zumachen.“

Für große Geschäfte sieht Michael Hell, Inhaber von Mode Hell, einen Vorteil: „Wir haben jeweils über 1000 Quadratmeter, da sollte die Abstandsregel kein Problem sein.“ Knapp 100 Kunden darf er einlassen. Hell hofft, das Kunden kleinerer Geschäfte lernen, was in München schon seit Monaten gilt: Vor dem Geschäft warten, bis sie reindürfen.

Im Restaurant Bastei räumt Enzinger das Werbeschild schon wieder weg: Aus den Wildwochen sind Wildtage geworden.

Weitermachen bis zum Ende

„Wir haben nach den Erfahrungen im Frühjahr gesagt: Wir machen nur noch Veranstaltungen, die wir auf jeden Fall durchführen können, außer es kommt ein Lockdown“, sagt Alexandra Lausmann, Leiterin der Allgemeinen Kulturverwaltung in Waldkraiburg. Jetzt sind Bühnen und Konzertsäle wieder gesperrt. „Das ist bitter.“

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Anders als im Frühjahr muss das Haus der Kultur nicht wochenlang die Ticketrückgabe abarbeiten. Für die drei Veranstaltungen im November waren nur wenige Karten verkauft. „Die Leute warten bis zur letzten Minute.“ Weil davon auszugehen ist, dass der Fasching flachfällt, besteht die Möglichkeit, die beiden Konzerte und den Theaterabend dann nachzuholen.

Blinder Aktionismus und großer Mumpitz

„Das ist großer Mumpitz. Blinder Aktionismus.“ Thomas Rahnert, der Betreiber des Cinewood in Waldkraiburg, reagiert „enttäuscht, traurig und wütend“. „Hatten wir irgendwo ein Infektionsgeschehen, dass von einem Kino ausging?“, fragt er und kritisiert die Beschlüsse, „weil sie nicht dort ansetzen, wo die Infektionsketten losgehen. Und zwar in den Schulen. Mein Kleiner sitzt dicht an dicht mit Maske und 30 Kindern in einem Klassenzimmer.“

Betreiber: Kinos sind keine Virenschleudern

Die Kinos, die in Hygienekonzepte investiert hätten, würden jetzt „für Versäumnisse der Politik in den vergangenen Monaten abgewatscht. Im Sommer hat man die Leute hinfahren lassen, wo keine Maskenpflicht war, aber Party.“

Jetzt sperre man Kinos, den ganzen Kulturbetrieb und die Gastro zu. „Die Folge ist: Die Feiern werden wieder ins Private verlagert. Die Leute treffen sich daheim und stecken sich dort an.“

65 Prozent Umsatzrückgang

Über 65 Prozent betrage das Umsatzminus im Cinewood bislang in diesem Jahr. „Das wird nur zu einem Teil von den staatlichen Hilfen aufgefangen“, sagt Rahnert. Mit dem neuerlichen Lockdown werde das Kino insgesamt weitere Marktanteile an Streamingdienste verlieren. „Da steht eine 125 Jahre alte Kulturinstitution auf der Kippe.“

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