Jahresrückblick Mühldorf
Corona verliert seinen großen Schrecken, dafür bereitet ein anderes tödliches Virus Sorgen
- VonChrista Lattaschließen
Im Jahr zwei nach Pandemie-Beginn hatte man sich auch im Landkreis Mühldorf mit dem Corona-Virus arrangiert. Für Aufsehen sorgten aber die Impfpflicht für Pflegeberufe, Montagsspaziergänge und ein besonders seltenes, meist tödliches Virus.
Mühldorf - Auch im Jahr 2022 hat Corona wieder das öffentliche Leben im Landkreis Mühldorf bestimmt. Zwar sah der Start ins neue Jahr mit einer Inzidenz von 207 am 3. Januar noch sehr vielversprechend aus, aber so sollte es leider nicht lange bleiben. Schon am 24. Januar meldete das Robert-Koch-Institut für den Landkreis eine Sieben-Tage-Inzidenz von 1.386. Am 25. März waren es sogar 2.943, was den Höchststand des Jahres 2022 markierte. Dann ging es mit den Zahlen wieder bergab: Ende Juli waren es 1.114, Mitte Oktober 1.063 und Mitte Dezember um die 100.
Anfang des Jahres wurde es für Mitarbeiter in Kranken- und Pflegeberufen ernst: Der Gesetzgeber hatte für sie eine Impfpflicht ab 16. März beschlossen. Wer sich weigerte, dem wurde mit Freistellung ohne Bezüge und die Entlassung angedroht. Nicht geimpfte Mitarbeiter mussten von ihren Arbeitgebern bis 15. März verpflichtend an das Gesundheitsamt gemeldet werden.
Impfpflicht oder Jobverlust
Nach Angaben von „InnKlinikum“-Vorstand Thomas Ewald waren Anfang Januar von den 2700 Mitarbeitern 83 Prozent geimpft und sechs genesen. Von den 983 Beschäftigten der Stiftung Ecksberg waren 82 Prozent der Mitarbeiter entweder genesen oder geimpft.
Im Januar erlebten auch die sogenannten Montagsspaziergänge Zulauf von Kritikern der Corona-Maßnahmen und von Querdenkern. War die Teilnehmerzahl bis Mitte Dezember in Waldkraiburg noch überschaubar, beteiligten sich dort Mitte Januar rund 1000 Personen an dem Montagsspaziergang. Die Spaziergänge liefen friedlich ab. „Kein Skandieren, keine Parolen. Meist bürgerliches Klientel, viele Kinder sind dabei“, stellte Waldkraiburgs Polizeichef Georg Deibl fest.
Spaziergänge von Rechten besetzt
Auch eine Veranstaltung auf dem Mühldorfer Stadtplatz ging ohne Zwischenfälle über die Bühne. 150 „Spaziergänger“ kamen gegen den Impfzwang zusammen. Dieser Montagsspaziergang in Mühldorf war in die Diskussion geraten, nachdem ihn die rechtsextremistische Kleinpartei „Der III. Weg“ im Internet beworben hatte. Auch der Mühldorfer AfD-Kreisverband hatte in den sozialen Netzwerken zu den Spaziergängen eingeladen. Das war auch der Grund, warum ihnen 100 Gegen-Demonstranten - etwa vom Aktionsbündnis „Mühldorf denkt klar!“ - entgegentraten.
Borna verbreitet neuen Schrecken
Im Sommer 2022 verstarb ein siebenjähriger Junge aus dem Gemeindegebiet Maitenbeth an dem zwar seltenen, aber meist tödlichen Borna-Virus. Seit 2019 sind im westlichen Landkreis Mühldorf drei Fälle einer Infektion mit dem Borna-Virus aufgetreten, zwei davon in Maitenbeth. Auch eine infizierte Frau aus der Gemeinde Unterdietfurt im Kreis Rottal-Inn, unweit des Gemeindegebiets von Neumarkt-St. Veit, erlag dem Virus im Sommer 2022.
Als Überträger des Borna-Virus gilt die Feldspitzmaus, die in ländlichen Regionen weit verbreitet ist. Das Borna Disease Virus (BoDV-1), das eine lebensgefährliche Gehirnentzündung auslösen kann, wurde als Erreger laut LGL erst 2018 beim Menschen erkannt. Bereits seit mehr als 250 Jahren sei die Infektionskrankheit jedoch bei Säugetieren nachgewiesen.
Die Maitenbether machten sich Sorgen. Die zentrale Frage, die sich die Einwohner stellen: Warum hat diese seltene Infektion Maitenbeth gleich zweimal getroffen? Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) sieht hier keinen Hotspot, aber durchaus eine Auffälligkeit. Die Erkrankung sei sehr selten und erst bei etwas mehr als 40 Fällen deutschlandweit in einem Zeitraum zwischen 1992 bis 2022 nachgewiesen worden. Angesichts der zwei Infektionen in Maitenbeth wurde im Juli 2022 hier eine Studie des LGL durchgeführt.
Alle im Rahmen der Studie bei 679 Maitenbethern entnommenen Blut- und Rachenproben wurden negativ auf das Borna-Virus (BoDV-1) getestet. Bei keinem der Studien-Teilnehmer wurde BoDV-1 nachgewiesen, keiner trug Antikörper des Virus in sich. Die Anzahl der Teilnehmer entsprach 41 Prozent der erwachsenen Gemeindebürger. 38 Prozent gaben an, dass sie Spitzmäuse im Wohnumfeld hätten, 20 Prozent der Teilnehmer bestätigten einen direkten Kontakt zu den Nagern.
Das Borna-Virus wurde bei Feldspitzmäusen in Maitenbeth nachgewiesen. Sechs von 16 Feldspitzmäusen wurden positiv auf die Krankheit getestet. Das LGL hat zwei verschiedene Virusvarianten in Maitenbeth entdeckt. Außerdem sei das Borna-Virus weiterhin in der Gemeinde präsent. Bislang ungeklärt sei der Übertragungsweg, sowohl bei den Nagern untereinander, als auch auf den Menschen.
Vorsicht Feldspitzmaus
Im Landkreis Mühldorf weiß nun fast jeder, wie er mit einer Feldspitzmaus umzugehen hat: Tote Mäuse, oft von Katzen vor die Tür gelegt, nur mit Handschuh oder Plastikbeutel anfassen, vorher eventuell mit Wasser besprühen, damit kein Staub aufgewirbelt wird und dabei am besten eine Corona-Maske tragen.
Symptome des Borna-Virus sind einem Merkblatt des Bundesforschungsministeriums zufolge Kopfschmerzen, Fieber, Verwirrtheit sowie später neurologische Auffälligkeiten wie Sprachstörungen. Im weiteren Verlauf können Infizierte in Folge einer schweren Gehirnentzündung (Enzephalitis) ins Koma fallen. Die wenigen bekannten Erkrankungsfälle verliefen – mit nur einer Ausnahme – tödlich, so das Robert-Koch-Institut.