Lage der Hausärzte im Landkreis: Mediziner schlägt Alarm
Minister Holetschek in Mühldorf - So beurteilt ein Experte die Zukunftspläne des „InnKlinikums“
- VonChrista Lattaschließen
Nicht nur die Zukunftspläne des „InnKlinikums“ waren Thema bei der Podiumsdiskussion mit Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek im Mühldorfer Haberkasten. Auch die Ärzteversorgung auf dem Land. Einer von ihnen schlug Alarm.
Mühldorf - „Patient Gesundheitssystem - medizinische Versorgung neu denken“ - um dieses Thema anzugehen war Klaus Holetschek, Bayerischer Staatsminister für Gesundheit und Pflege, nach Mühldorf gereist. Im voll besetzten Haberkasten stellte er sich dem Austausch mit heimischen Vertretern von „InnKlinikum“ und Hausärzten und Fragen aus dem Publikum.
Landrat und Verwaltungsratsvorsitzender der Kliniken Max Heimerl machte die Auswirkungen der Planungen für das „InnKlinikum“ klar: „Wir verlangen große Veränderungsbereitschaft und sind dazu gezwungen. Wir stellen alle vier Standorte zukunftsfähig auf, machen, was personell und finanziell notwendig und was medizinisch sinnvoll ist.“
Die Umsetzung des Konzepts sei unvermeidlich, um weiterhin wohnortnah Spitzenmedizin zu gewährleisten, sei aber keine fest gezimmerte Garantie, denn: „Die Reformvorschläge von Bundesgesundheitsminister Lauterbach gehen an den Bedürfnissen der Menschen in ländlichen Regionen völlig vorbei.“ Auch angesichts der drohenden Unterversorgung des Landkreises mit Hausärzten wandte er sich mit einem Hilferuf an Holetschek und den Bund: „Wir Kommunen können es alleine nicht schaffen.“
Für die Arbeit brennen, nicht ausbrennen
Neben aller finanziellen Schwierigkeiten, in denen deutsche Kliniken momentan stecken, machte Minister Klaus Holetschek die „Ressource Mensch“ als entscheidenden Baustein zum Gelingen einer Reform im Gesundheitswesen aus. „Wir brauchen genügend Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten“, stellte er fest. „Wir müssen die Arbeitsbedingungen verbessern, die Menschen sollen für ihre Arbeit brennen, aber nicht ausbrennen.“
Beruf und Familie müssten sich bessern vereinbaren lassen. Lauterbachs Expertenpapier vernachlässige das Land. „Wir brauchen kein Schema F, sondern passgenaue Möglichkeiten der Versorgung auch gemessen an den Bedürfnissen der ländlichen Regionen“, forderte Holetschek. An die beiden Landräte und anwesenden Ärzte gerichtet, versicherte der Minister: „Wir kämpfen gemeinsam für die medizinische Versorgung im ländlichen Raum. Wir wollen gestalten, nicht nur dulden.“
„Konzept ist toll und zielführend“
Professor Andreas Beivers - der Gesundheitsökonom aus München war zur Podiumsdiskussion im Haberkasten digital zugeschaltet - gab seine Einschätzung zum Konzept 2023 des „InnKlinikums“ ab. „Was hier auf den Weg gebracht wurde, ist toll und zielführend, um die Versorgung vor Ort besser in die Zukunft zu bringen“, so sein Urteil. „Für die nächsten zehn, zwanzig Jahre ist das ‚InnKlinikum‘ auf einem guten Weg.“
Die Macher des Konzepts hätten sich unter anderem explizite Gedanken zur Erreichbarkeit in der Region gemacht. „Wobei man Erreichbarkeit nicht nur in Kilometern messen darf“, gab der Experte zu bedenken. Denn ein Krankentransport könne auf fünf Kilometern über verstopfte Straßen einer Großstadt mehr Zeit in Anspruch nehmen als auf einer 15 Kilometer langen Strecke über freie Landstraßen.
Beivers wies auch darauf hin, dass das, was in Berlin derzeit diskutiert werde, längst noch nicht Gesetz sei. Er persönlich finde die Idee zu mehr Ambulantisierung gut, denn so könnten Berufe im Gesundheitswesen wieder attraktiver werden. „Die Personalknappheit treibt uns“, betonte er. Allerdings sei noch nicht zu Ende gedacht, wie die Kosten für die ambulante Versorgung, für die es unter anderem vor Ort bauliche Veränderungen und Investitionskapital brauche, bewältigt werden sollen.
„Bei Hausärzten ist es dreiviertel eins“
Peter Wapler, Allgemeinarzt aus Mühldorf, beklagte die Lage der Hausärzte im Landkreis: „Wenn es bei den Kliniken eine Sekunde vor 12 ist, dann ist es bei uns Hausärzten dreiviertel eins!“ Er habe schon vor Jahren in Mühldorf wegen des drohenden Hausärztemangels demonstriert, geschehen sei nichts. Jetzt brauche es kurzfristige Lösungen. Während Corona seien über 80 Prozent der Patienten nicht im Krankenhaus, sondern in Hausarztpraxen versorgt worden - er forderte zum Applaus für diese Mitarbeiter auf.
Am Ende des Abends stand die Frage, was auch die Bürger tun können, damit die medizinische Versorgung gut bleibt? „Die Patienten sollten nicht wegen allem zum Arzt gehen“, war Waplers spontane Antwort. Klinik-Vorstand Ewald stellte fest: „Geht es den Praxen gut, geht es der Klinik gut. Gibt es weniger Hausärzte, dann läuft die Notaufnahme voll. Es ist für uns jetzt schon eine große Herausforderung, den täglich dort auftretenden Patientenzahlen Herr zu werden.“ Dem pflichtete Prof. Beivers bei: „Es gehen zu viele Falsche an die falschen Stellen“.