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Gegen den Ausverkauf des Weidinger Tiefenwassers: Anwohner machen gegen Innfood mobil

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Von: Markus Honervogt

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Anton Straßer junior, Marianne Gramminger, Anton Straßer senior, Gerhard Fröhling, Ingrid Irgmaier, Johanna Irgmaier, Astrid Gramminger, Erna Straßer und Hans Irgmaier (von links) sind Nachbarn von Innfood. Sie lehnen die Produktion von Mineralwasser dort ab.
Anton Straßer junior, Marianne Gramminger, Anton Straßer senior, Gerhard Fröhling, Ingrid Irgmaier, Johanna Irgmaier, Astrid Gramminger, Erna Straßer und Hans Irgmaier (von links) sind Nachbarn von Innfood. Sie lehnen die Produktion von Mineralwasser dort ab. © Markus Honervogt

Die Produktion von Mineralwasser in Weiding im Landkreis Mühldorf rückt näher. Zugleich wächst der Widerstand gegen die Nutzung von Tiefenwasser dafür. Nachbarn versuchen jetzt, die Genehmigung zu verhindern.

Mühldorf - Zur gleichen Zeit, als Innfood bekannt gibt, einen Antrag auf Nutzung von Tiefenwasser zur Produktion von Mineralwasser gestellt zu haben, sitzen in einer Weidinger Küche Nachbarn des Werks zusammen. Sie diskutieren, wie sie das Vorhaben stoppen können.

Es ist der Bauernhof von Ingrid und Hans Irgmaier, der in Sichtweite des Werks Weiding steht, und der an diesem Tag als Treffpunkt dient. Die neun Frauen und Männer haben ein Ziel: „Wir wollen, dass die Behörden die kommerzielle Nutzung von Tiefenwasser zur Mineralwasserherstellung ablehnen.“ Das sagt Ingrid Irgmaier, die sich seit Monaten gegen das Vorhaben engagiert. Und die jetzt fürchtet, dass der Protest ungehört verhallt.

Zusammenarbeit mit französischer Firma

Die Firma Innfood will im Werk Weiding Tiefbrunnen nutzen, um in Zusammenarbeit mit der französischen Firma Roxanne Mineralwasser abzufüllen. Dazu braucht sie eine neue Genehmigung für die Nutzung der bereits bestehenden Tiefbrunnen. Mit dem Wasser aus den Brunnen hat Alete früher Babynahrung hergestellt. Es handelt sich damit also nicht um neue Brunnen, sondern um eine neue Nutzung alter Brunnenrechte.

Genau die stellen die Weidinger Nachbarn aber infrage. Gerhard Fröhling formuliert es so: „Würden die gleichen Mengen unter heutigen Bedingungen wieder genehmigt?“ Und Hans Irgmaier will wissen: „Sind die Brunnenrechte von damals heute noch sinnvoll?“

Die Gruppe in der Bauernhofküche ist gut vorbereitet. Sie wissen vom sinkendem Grundwasserspiegel, von den Problemen, die viele Gemeinden im unmittelbar angrenzenden Landkreis Altötting bereits heute haben, von trocken gefallenen Brunnen im benachbarten Oberneukirchen. Sie haben sich Fachvorträge angehört, zahlreiche Zeitungsartikel gesammelt. Marianne Gramminger weiß, dass es am Ende nicht nur um das Wasser in ihrer Nachbarschaft geht: „Das ist kein Weidinger Problem, das geht alle an.“

Grundwasserspiegel sinkt

Durch Klimawandel und trockene Winter und Unwetter-Sommer, das haben Experten in den letzten Wochen mehrfach deutlich gemacht, werden die Grundwasserspiegel weiter sinken. Das gilt auch für den Landkreis Mühldorf, wie Klaus Moritz vom Wasserwirtschaftsamt Rosenheim in der vergangenen Woche auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen erklärt hat.

Schon zu viele Groß-Verbraucher in der Region

In der Region um Polling kommen nach Ansicht der Weidinger einige Maßnahmen hinzu, die direkte Auswirkungen auf die Grundwasserbildung haben. Sie zählen auf: Der Gemüseanbau in den großen Gewächshäusern bei Tüßling und Weiding mit hohem Wasserverbrauch; der großflächige Nasskiesabbau im Wald zwischen Tüßling und Weiding; die geplanten Tiefbrunnen der Stadt Töging, die nötig sind, weil die Stadt die Versorgung mit den oberflächennahen Brunnen nicht mehr leisten kann; die geplant Geothermie.

Ingrid Irgmaier fragt: „Reicht unser Wasser noch?“ Und gibt auch gleich die Antwort: „Wir dürfen keinen Tropfen Wasser mehr aus der Region wegfahren.“ Das Argument von Innfood, das Wasser werde ausschließlich regional vertrieben, glauben die Nachbarn nicht. Irgmaier verweist auf den Innfood-Partner Roxanne. Das französische Unternehmen verkauft Quellwasser unter anderem auf Amazon.

Neben dem Ausverkauf ihres Grundwassers fürchten die Anlieger des Werks auch zunehmenden Verkehr, wenn zwischen 200 und 300 Lastwagen das Mineralwasser in Weiding abholen oder leere Kästen zur Befüllung anliefern. „Man sollte die Leute mal fragen, die dafür sind, was sie sagen würden, wenn jeden Tag 200 oder 300 Lastwagen bei ihnen vorbeifahren“, sagt Anton Straßer senior.

Deshalb lassen die Weidinger nichts unversucht, die Förderung zu verhindern. Sie haben sich an die Wasserwirtschaftsämter und das Landratsamt gewendet, fordern eine Umweltverträglichkeitsprüfung und ein Verkehrsgutachten. „Wenn die Nutzung schon genehmigt wird, dann müssen zumindest Menge und Zeitraum stark beschränkt werden“, fordert Irgmaier. Heißt: Innfood soll die Genehmigung für maximal drei Jahre erhalten.

Innfood verspricht genaue Überwachung

Das Unternehmen, das bereits seit einigen Jahren in Weiding ansässig ist, will einen Teil der derzeit genehmigte Wassermenge fördern und in Flaschen abfüllen. „Innfood begegnet dem Wasser mit größter Sorgsamkeit“, teilt das Unternehmen in einer Mitteilung zum jetzt gestellten Antrag mit. „Deshalb stellt das Unternehmen sicher, dass eine regenerationssichere Entnahme in jedem Fall und auch in Zukunft gewährleistet ist.“ Das soll über ein umfassendes Kontrollsystem erfolgen, das die Neubildung des Tiefenwassers überwacht. „Dies stellt sicher, dass die Wasservorräte zu keinem Zeitpunkt gefährdet sind.“

Weil sie trotzdem eine Gefährdung des Grundwassers sehen, haben sich die Irgmaiers auch an den Gemeinderat Polling gewandt, damit dieser den Bau einer Halle zur Abfüllung von Mineralwasser nicht genehmigt. Bei der ersten Abstimmung verschob der Pollinger Gemeinderat den Beschluss über den Bau. Er wollte die Einschätzung des Architekten über die Bedenken der Familie Irgmaier nicht teilen. Jetzt muss sich der Gmeinderat in einer der nächsten Sitzungen erneut damit befassen.

Grundsätzlich fühlen sich die Weidinger von ihrem Gemeinderat nicht gut vertreten. Denn sie rechnen damit, dass das Gremium im zweiten Durchgang dem Bau der Abfüllhalle zustimmen wird. Polling entscheidet zwar nicht über die wasserrechtliche Genehmigung zur Nutzung des Tiefenwassers, sollte aber den geplanten Bau der Abfüllhalle verhindern, sagt Astrid Gramminger: „Ich verstehe nicht, warum ein Gemeinderat ein so teures Gut hergeben will.“

Landtag wird sich mit dem Pollinger Tiefenwasser befassen

Noch haben die Weidinger nicht alle Hoffnung aufgegeben. Der bayerische Landtag hat die Entscheidung über eine Petition der Initiative Bint gegen die Mineralwasserproduktion zurückgestellt, er wollte abwarten, bis der Antrag der Firma Innfood vorliegt.

Hans Irgmaier versucht den Bauernverband ins Boot zu holen, er plant eine Informationsveranstaltung. So hoffen die Nachbarn, dass sich mehr Menschen ihren Bedenken anschließen und politischen Druck aufbauen, auch auf den Freistaat oder den Bund, damit der Nutzung von Wasser neu geregelt. Denn das Problem mit der kommerziellen Nutzung von Tiefenwasser haben nicht nur die Pollinger. Die bayerische Staatsregierung hat schon vor zehn Jahren festgelegt, dass Trinkwasser aus großer Tiefe als Reserve für kommende Generationen dienen soll: „Nach dem Landesentwicklungsprogramm Bayern stellt Tiefengrundwasser eine „eiserne Reserve für die Versorgung der Bevölkerung in besonderen Not- und Krisenfällen dar und ist daher besonders zu schonen“, heißt es beim bayrischen Landesamt für Umwelt. 

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