Mysteriöser Fall für das Amtsgericht Mühldorf
Drohbrief an einen Betriebsrat: Kann eine alte DNA-Probe den Angeklagten überführen?
- VonHans Rathschließen
Ein Betriebsrat einer großen Firma im Landkreis Mühldorf erhielt im Februar 2021 einen Drohbrief. Darin wurde er unter Gewaltandrohung dazu aufgefordert, seinen Posten niederzulegen. Was sich aber offenbar auch im Brief befand: Eine DNA-Spur, die zum Angeklagten führte. Doch reicht dieses Indiz aus?
Mühldorf - Ein 26-jähriger Arbeitssuchender – meist war er vor der Arbeitslosigkeit als Leiharbeiter beschäftigt – war aus dem über 600 Kilometer entfernten Bergisch Gladbach angereist, um sich vor dem Amtsgericht Mühldorf und Richter Dr. Christoph Warga zu verantworten. Staatsanwältin Lena Scheibl warf ihm versuchte Nötigung, Bedrohung und Beleidigung vor.
Die Vertreterin der Anklage führte unter anderem aus: „Sie haben im Februar 2021 einen Brief in englischer Sprache an eine große Firma im Landkreis Mühldorf geschickt. Darin forderten Sie den Vorsitzenden des Betriebsrats auf, diesen Posten innerhalb einer Woche niederzulegen und dies am Schwarzen Brett der Firma öffentlich bekannt zu geben. Wenn er dies nicht tun würde, solle der Betriebsratsvorsitzende beginnen zu beten. Es gebe genug Leute, die nur darauf warten würden, einem Bastard wie ihm die Fresse zu polieren. Wenn er an Gott glaube, werde er bald bei ihm im Himmel sein“.
600 Kilometer zum Prozess angereist
Zunächst wurde der Angeklagte vom Richter zur Sache gehört. Er sagte aus, er kenne den Betriebsratsvorsitzenden dieser Firma und auch dessen Firma überhaupt nicht. Zuletzt sei er vor zweieinhalb Jahren in der hiesigen Region gewesen, er sei zurückgekehrt in seine Heimat im Raum Köln. Damals sei er im Bereich Arbeitssicherheit für eine Zeitarbeitsfirma in der Gegend um Mühldorf tätig gewesen, nicht aber bei der in der Anklage genannten Firma.
DNA-Spur auf Brief nachgewiesen
Der Vorsitzende hielt dem Beschuldigten nun vor, dass eine DNA-Spur von ihm auf dem Brief an den Betriebsratsvorsitzenden gefunden worden sei. Diese konnte auf ihn zurückgeführt werden, weil er, als er in der Mühldorfer Gegend gearbeitet hatte, zusammen mit zwei Kollegen in eine Auseinandersetzung mit einem Jugendlichen geraten war. Einer der Beteiligten hatte seinerzeit dabei eine Stichwunde im Oberschenkel erlitten. Damals sei der jetzt Angeklagte erkennungsdienstlich behandelt worden, obwohl ihm nichts nachgewiesen werden konnte. Er hatte freiwillig eine DNA-Probe abgegeben, wie der polizeiliche Sachbearbeiter in seiner Aussage berichtete. Sein DNA-Material war auf diese Weise im System der Polizei gelandet.
Brief zur Polizei gebracht
Es wurde auch der bedrohte Betriebsratsvorsitzende als Zeuge vernommen. „Ich habe den Angeklagten nie gesehen, er ist mir persönlich nicht bekannt. Als ich den Brief fand, dachte ich zunächst, das sei ein Scherz. Mir kam der Brief merkwürdig vor und ich nahm ihn mit einem Papiertaschentuch aus dem Umschlag. Ich brachte ihn zur Polizei. Seither hatte ich ein mulmiges Gefühl, fuhr nicht mehr in die Tiefgarage, ging nachts nicht mehr allein raus. Wer macht so etwas?“
Weitere Details zu diesem mysteriösen Fall gab es in der Beweisaufnahme nicht mehr, die Staatsanwältin hielt ihr Schlusswort: „Der angeklagte Sachverhalt hat sich nicht bestätigt. Der Angeklagte kennt den Betriebsratsvorsitzenden nicht einmal. Welchen Nutzen sollte er vom Rücktritt des Betriebsratsvorsitzenden haben? Ich plädiere auf Freispruch mangels Beweisen. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens“.
Gericht muss Schuld nachweisen
Wenig überraschend lautete auch das Urteil von Dr. Christoph Warga auf Freispruch. Der Richter: „Der Kommissar DNA klärt viele große und kleine Delikte auf – nicht aber in diesem Fall, der mysteriös bleibt. Der Angeklagte hatte keinerlei Motiv zu dieser Tat, der persönliche Bezug zu dem bedrohten Mann fehlt, sie kennen sich beide nicht. Vor Gericht muss nicht der Angeklagte seine Unschuld beweisen, sondern das Gericht muss ihm seine Schuld nachweisen. Das gelingt hier nicht, deshalb der Freispruch.“