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Worauf es am Ende ankommt: Berührende Geschichten aus zehn Jahren ambulanter Palliativversorgung

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Von: Hans Rath

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Die Bavarian Immigrants mit (von links) Stefan Knoll, Denise Weise und Heribert Haider lieferten immer wieder passende Liedtexte für einen Abend voller bewegender Geschichten.
Die Bavarian Immigrants mit (von links) Stefan Knoll, Denise Weise und Heribert Haider lieferten immer wieder passende Liedtexte für einen Abend voller bewegender Geschichten. © Rath

Seit zehn Jahren gibt es die SAPV, die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung in den Landkreisen Mühldorf, Altötting und Rotttal-Inn. Sie betreut rund 1000 Patienten und sorgt dafür, dass Menschen ihre letzte Zeit daheim verbringen können.

Mettenheim – Seit zehn Jahren gibt es die SAPV, die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung in den Landkreisen Mühldorf, Altötting und Rotttal-Inn. Sie betreut dort rund 1000 Patientinnen und Patienten. Sie hat dazu beigetragen, die Versorgung von Palliativpatienten am Lebensende deutlich zu verbessern. SAPV bedeutet Sicherheit für Palliativpatienten und Unterstützung für die Angehörigen. SAPV erhält Lebensqualität und Normalität im Alltag – trotz einer schweren Erkrankung. Zehn Jahre SAPV in den Landkreisen Mühldorf, Altötting und RotttalInn stehen auch für zehn Jahre engagierte und kompetente Versorgung durch die Mitarbeiter. Am Ende des Lebens zu Hause versorgt sein, das wünschen sich die meisten Menschen. Dieses Jubiläum wurde jetzt im Kulturhof Mettenheim gebührend gefeiert.

Fast 1000 Menschen werden betreut

Am Anfang des Festabends spielte das Wetter noch mit, im Freien konnte man sich bei einem Sektempfang kennenlernen und gute Gespräche führen. Musikalisch begleitet wurde der Abend von den „Bavarian Immigrants“, bestehend aus Denise Weise, Heribert Haider und Stefan Knoll, die zur Thematik des Abends passende Lieder aus ihrem Repertoire ausgewählt hatten und mit großem Beifall bedacht wurden. Ein Beispiel: In „Die Sonne“ lautet der Refrain: „Genieße den Tag, präg‘ ihn Dir gut ein, es könnt‘ Dein letzter sein.“

Landrat Max Heimerl sprach für die drei an der SAPV beteiligten Landkreise ein „überregionales“ Grußwort: „Fast auf den Tag genau vor einem Jahr habe ich im Mühldorfer Haberkasten dem Anna-Hospiz-Verein zum 25. Geburtstag gratuliert. Diesem habe ich eine ‚Erfolgsgeschichte‘ bescheinigt, die mitten im Leben spielt, obwohl sie den Tod zum Thema hat. In dieser Erfolgsgeschichte spielt die SAPV eine zentrale Rolle. Nachdem 2007 der Anspruch auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung gesetzlich geregelt worden war, kam 2011 endlich der diesbezügliche Vertrag mit den Krankenkassen zustande, was ein Meilenstein war und auch auf die beiden Nachbarlandkreise Altötting und Rotttal-Inn ausgeweitet wurde.“

Waltraud Spiel moderierte das Programm des Festabends, am Anfang präsentierten Christiane Ferber-Schuhbeck und Christian Unterstraßer, zwei Palliativ-Pflegekräfte die Entwicklung der SAPV, anhand eines Zahlenstrahls: War man 2011 mit 175 betreuten Patienten gestartet, waren es vier Jahre später schon 536. Über 855 Patienten (2019) erreichte man im vergangenen Jahr die stolze Zahl von 972 schwerkranken Menschen, die betreut wurden.

Im nächsten Programmteil erzählten zwei Betroffene von ihren Erfahrungen mit der SAPV. Mit Julia Rothaichner unterhielt sich Elisabeth, eine ältere Dame, sie war mit Georg verheiratet gewesen. Dieser war bis zu seinem 60. Lebensjahr nie krank. Dann hatte er plötzlich Flüssigkeit hinter dem Ohr. Weder das Einsetzen von Paukenstäbchen noch die Entfernung der Mandeln konnte Abhilfe schaffen, es folgten im Gegenteil massivste Schmerzen. Dagegen halfen weder Cortison noch Antikörper-, Schmerz- oder Chemotherapie. Dann fand Elisabeth zufällig einen Flyer der SAPV. Sie sagt: „Deren Helfer waren immer da, wir hatten immer die gleichen Ärzte. Georg bekam eine Schmerzpumpe, sein Leben wurde wieder etwas lebenswerter. Die SAPV war das Beste, was uns passieren konnte. Georg kaufte sich ein E-Bike, das er an besseren Tagen benutzte. Er ist dann friedlich eingeschlafen. Ich selber habe die Ausbildung zur Hospizbegleiterin gemacht.“

Christina ist eine junge Frau aus Moldawien und spricht gut Deutsch. Sie erzählte Christa Meier: „Mein Mann Andrej war an Krebs erkrankt. Mit unseren zwei Kindern zogen wir in die Nähe von München. Andrej hatte extreme Schmerzen. Wir hatten Glück und bekamen die Hilfe von SAPV. Ein Jahr lang kamen deren Mitarbeiter, anfangs mehrmals pro Woche, als es mit meinem Mann zu Ende ging, mehrmals pro Tag. Ich bin dankbar für Zuspruch, Aufmunterung und persönliche Worte. Die herzlichen Menschen von SAPV wurden ein Teil unserer Familie. Sie zeigten Mitgefühl, Verständnis und absolute Ehrlichkeit. Sie hatten den Mut, alles anzusprechen, auch wenn es schmerzlich war.“ Im Anschluss hieß es in einer Textzeile der „Bavarian Immigrants“: „Dann lach in den Tag, sterben kannst allweil. Sing und genieß, dass dein Herz tanzt, des ist gewiss.“

Den nächsten Programmteil gestaltete Dr. Sabine Klaessen: „Von der Verordnung bis zur Versorgung“. Dabei ging es darum, wie das Procedere in einem konkreten Fall abläuft. Die Ärztin: „Nach einem Besuch beim Hausarzt ruft dieser bei der SAPV an, dort plant man den Ablauf des Erstbesuchs des zukünftigen Patienten. Wichtig sind hierbei auch unsere Netzwerkpartner, neben den Ärzten, Kliniken und Apotheken sind dies Pflegedienste, Sanitätshäuser, der Hospizverein des jeweiligen Landkreises und die Pumpen-Versorger. Stoma-Therapeuten [Spezialisten für künstliche Ausgänge] Wundmanager, Sauerstoff-Heimversorger und Fachleute für parenterale Ernährung [mittels eines Katheters] werden im Bedarfsfall ebenso zurate gezogen.“ Im Immigrants-Lied „Die Sonne“ heißt es passenderweise: „Genieße so einen Tag und präg ihn dir gut ein, du weißt es ja nie – es könnt‘ der letzte sein.“

Auch emotionale Unterstützung

Zum Abschluss gab Waltraud Spiel einen Überblick über die Zeit der Beschränkungen durch Corona. Jörg Piechottka las den Dankesbrief einer Witwe vor, sie und ihr verstorbener Mann waren sehr froh, die letzte Zeit gemeinsam zu Hause verbringen zu können.

Ganz zum Schluss kam noch einmal Petra Zimmermann-Schwier zu Wort, die Ergebnisse einer Umfrage unter SAPV-Mitarbeitern vortrug, in denen nach Gründen für ihre Tätigkeit bei der Organisation gefragt wurde. Es wurde unter anderem genannt: „Ich will nicht nur die Erkrankung, sondern den ganzen Menschen wahrnehmen“, „Patienten bekommen die Zeit, die sie brauchen“, „Wenn Angehörige sich unterstützt fühlen, dann bin ich zufrieden“ oder „Im Angesicht des Todes sind wir machtlos“.

Für die gelungene Vorbereitung des Festabends, die viel Zeit in Anspruch genommen hatte, überreichte Petra Zimmermann-Schwier an Sabine Brantner einen Blumenstrauß.

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