OVB-Leserforum - mit *Umfrage*
Flagge zeigen oder Sport ohne Politik? Weiter Ärger um Wüsten-WM
Die Fußball-WM in Katar sorgt weiter für emotionale Debatten, auch in unserer Leserschaft. Ist es richtig, Flagge zu zeigen, oder findet eine ideologische Überfrachtung eines sportlichen Ereignisses statt?
Hans Schussmann (Rosenheim): Demonstrativ gelassen und voller Überzeugung trug Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Spiel Deutschland gegen Japan die One-Love-Binde. Sie zeigte Flagge auf der Ehrentribüne und beugte sich nicht dem Diktat der FIFA oder Katars. Ein Vorbild charakterlicher Stärke, Selbstbewusstsein und menschlicher Unbeugsamkeit.
Spätestens jetzt hätte es den DFB zum Handeln zwingen müssen. Nicht der Kapitän der Nationalmannschaft hätte die Verantwortung und somit die Bestrafung durch die FIFA hinnehmen müssen, sondern alle Funktionäre hätten Verantwortung und Courage übernehmen müssen. Sie könnten stets die Binde tragen und hierdurch ein starkes Bekenntnis zur Nichtdiskriminierung glaubhaft zeigen. Die Bestrafung der Funktionäre stand bisher nicht zur Debatte.
Feigheit und Delegieren von Verantwortung auf die Spieler und die Mannschaft sind nicht hinnehmbar. Nur was ich selbst leisten kann, ist Beispiel und Vorbild. Die starken europäischen Verbände müssen Kraft und Unbeugsamkeit zeigen und den Mut haben, gravierende Missstände und Verstöße gegen die Menschenrechte anzuprangern. Verbündete wären sicher auch die Fans. Die Verteilung kostenloser Binden wäre ein Zeichen der Hoffnung für das Recht auf freie Meinungsäußerung. Der stumme Protest der Fans führt dann zum Erfolg, wenn nicht nur das Anschauen der WM-Spiele verweigert wird, sondern auch die finanziellen Unterstützungen der Sponsoren ausbleiben.
Die Einschaltquoten in Europa zeigen den Protest und führen zu schmerzenden Mindereinnahmen im bisherigen Selbstüberschätzungssystem. Noch ist die Chance, Flagge zu zeigen. Es ist nie zu spät, sich zu seinen Werten zu bekennen.
„Ein Sklavenheer hat alles Notwendige erschaffen“
Nikolaus Oppenrieder (Rosenheim): Die DFB-Elf hat sich für ein Turnier qualifiziert, das in einem Land ausgetragen wird, das sich kulturell, politisch und alle rechtlichen Normen betreffend fundamental von westlichen Vorstellungen und Mustern unterscheidet. Viele Jahre hätte man sich gegen eine Teilnahme entscheiden können. Hat man sich aber entschieden daran teilzunehmen, dann sind die dort geltenden Normen und Regeln zu akzeptieren.
Es erscheint befremdlich, dass Fußballspieler per „One-Love-Binde“ quasi Fundamentalkritik an den Verhältnissen des Gastgeberlandes transportieren sollen. Die Verhältnisse in vielen islamisch dominierten Ländern erscheinen uns archaisch, und sie sind es. Es fehlen alle Elemente, die im westlichen Kulturkreis während der Renaissance, der Reformation, der Französischen Revolution und besonders durch die Trennung von kirchlicher und weltlicher Macht erkämpft wurden.
Unter welchen Umständen die WM an dieses Land ging, dafür fehlen alle Worte. Ein Sklavenheer hat alles Notwendige erschaffen. Es sind nicht nur Bezahlung und Unterbringung der Arbeiter, die zu verurteilen sind. Nein, es ist die dadurch ausgedrückte Verachtung der wohl ausnahmslos „Ungläubigen“ die dafür „verwendet“ wurden. Für die beteiligten Herren Sportfunktionäre wünsche ich mir deshalb eine Art von „Scharia-Strafe“: in Reihe, an den Ohren gezogen, entlang eines kameragespickten Ovals geführt und dabei stetig laut und vernehmlich eine Stunde lang murmelnd: „Ich schäme mich so sehr meiner Gewissenlosigkeit und meiner niederträchtigen Bestechlichkeit.“ Ein deutsches Gericht hat Karlheinz Rummenigge in diesem Zusammenhang ja bereits zu einem vorbestraften Bürger dieses Landes werden lassen.
Helmut Enzinger (Brannenburg): Scheinheilig definiert der Duden als „Aufrichtigkeit vortäuschen, heuchlerisch“. Genau das ist das „Zeichen“, das Frau Faeser mit dieser Aktion darbietet. Wenn sie ein Zeichen für Menschenrechte setzen will, dann hat sie andere, weitaus effektivere Mittel, die sie einsetzen kann. Aber da bremsen unsere, ach so sozialen Regierungsparteien mit voller Wucht.
Aktuell steht das sogenannte EU-Lieferkettengesetz zur Rechtsprechung an, in dem Unternehmen verpflichtet werden, für die Produktions- und Umweltbedingungen in der Lieferkette die Verantwortung zu übernehmen. Bundesarbeitsminister Heil hat noch im September seine Unterstützung zugesagt. Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz wurde im vergangenen Jahr verabschiedet und ist deutlich zu weich, da die Unternehmen, die dem Gesetz zuwider handeln, nicht rechtlich belangt werden können.
Zwischenzeitlich wird von deutschen Lobbyisten bereits wieder versucht, den ohnehin schwammigen EU-Gesetzesentwurf in drei wesentlichen Punkten weiter aufzuweichen: Firmen sollen nur noch für Risiken haften, auf die sie auch „Einflussvermögen“ haben. Institutionelle Investoren wie Banken oder Versicherungen sollen vollständig von Verpflichtungen ausgenommen werden. Und Unternehmen können sich ihre Produktionsprozesse als einwandfrei zertifizieren lassen und haften nur noch bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz, die sogenannte „Safe Harbor-Regel“. Die Initiative „Lieferkettengesetz.de“ (eine Gruppe von NGOs) ruft daher zur Unterzeichnung einer Petition an Bundeskanzler Olaf Scholz auf, der sich im Übrigen vor der Bundestagswahl zu einer Unterstützung des Fairen Handels verpflichtet hat. Die Petition wurde zwischenzeitlich von fast 85.000 Personen/Organisationen unterzeichnet.
„Durch ideologische Überfrachtung kann die eigentliche Aufgabe nicht erfüllt werden“
Dr. Herbert Tschiesche (Vogtareuth): Von den Medien getrieben, hat sich unsere Nationalmannschaft in vielen politischen Botschaften verheddert. Die Spieler konnten sich nicht auf das Wesentliche eines sportlichen Wettkampfes konzentrieren. Der japanischen Elf ist dies gelungen, weshalb sie zurecht gewonnen hat. Unsere Nationalmannschaft wurde ihrer Aufgabe nicht gerecht, ebenso wenig wie unsere Regierung.
Im Eifer, die ganze Welt in Bezug auf Menschenrechte und Klima alleine retten zu wollen, vergisst unsere Regierung aus ideologischen Gründen ihre Bürger, die trotz oder gerade wegen der Aufnahme von Rekordschulden die berechtigte Angst vor dem wirtschaftlichen Niedergang und dem sozialen Abstieg haben.
Durch ideologische Überfrachtung kann aber die eigentliche Aufgabe nicht erfüllt werden. Somit ist die Niederlage von Mittwoch tatsächlich auch ein politisches Statement.
Dr. Karl Wieland Naumann (Mühldorf): Wer ist die FIFA, dass diese sich überstaatliche Eigenmächtigkeiten erlauben kann? Klar, alle wollen dabei sein, und die Rechtsstaaten, in denen Menschenrechte und Menschenfreiheiten geschützt werden, sind in der Minderheit. So ist das. Appelle werden überhört und Abmachungen gebrochen. Die Enttäuschung von Frau Faeser wird da auf wenig Anteilnahme treffen. Das Geschäft floriert ja. Nur an dem Punkt Geschäft wird man die FIFA packen können. Warum organisieren die Verbände der freiheitlichen Rechtsstaaten (EU, G7 und Freunde/Verbündete) nicht einen eigenen Weltverband? Dann kann die FIFA eine Kleptokraten- und Gewaltherrscher-WM im Pfefferland und entfernt von unserer Aufmerksamkeit ausrichten. Und wir könnten wieder ohne Vorbehalte Fußball schauen.
„Es ist scheinheilig“
Franz Heigl (Kolbermoor): Bei der WM-Vergabe 2010 hat man doch gewusst, auf was sich der DFB eingelassen hat. Es ist scheinheilig, zwei Wochen vor der WM-Eröffnung Menschenrechte ohne Demokratie anzuprangern. Es steht uns nicht zu. Wir sind Gäste in einem doch fußballbegeisterten Land. Eine Menschenrechts-Volksbewegungs-Demokratie kommt immer von innen und wird nicht von außen nach innen getragen. Wie sagte doch ein berühmter Fußballer: „Geht’s naus uns spuits Fuaßboi!“ Ich bin sicher und optimistisch, dass es in Mexiko 2026 solche (politischen) Probleme nicht gibt. Dafür sorgen schon die temperamentvoll mitgehenden, leidenschaftlichen Mexikaner. Das wird dann die beste Fußball-WM aller Zeiten.
Helmut Materna (Mühldorf): Ich kann mich der Beurteilung der Leistung von Nationaltorhüter Manuel Neuer (Note 2) im WM-Spiel gegen Japan in keiner Weise anschließen. Bei beiden Gegentoren war er nicht ganz unbeteiligt. Beim Ausgleichstreffer der Japaner wehrte er den Ball direkt nach vorne hin zu dem schussbereiten Torschützen ab. Beim Siegtreffer Japans aus dem spitzen Winkel in die kurze Torwartecke auf etwa Schulterhöhe öffnete er die Torwartecke und war schon vor Schussabgabe auf den Knien.
Harald Lohner (Töging): Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft verliert ihr Auftaktspiel gegen Japan 1:2. Nun, im Vorfeld des Spiels war ja nur eines wichtig, ob Spielführer Manuel Neuer mit einer farbigen „One-Love“-Kapitänsbinde aufläuft. Wie wäre es, wenn sich unsere Mannschaft auf das konzentrieren würde, wofür sie bei der WM im Gastgeberland Katar ist? Nämlich auf den Fußball. Vielleicht verbessern sich dann auch die Ergebnisse wieder.
„Dümmer geht‘s nimmer“
Gerd Höglinger (Rosenheim): Dümmer geht´s nimmer. Wie kann man so ein Kasperltheater vor der Fußball-WM aufführen und ohne Not diese hitzige Auseinandersetzung um die One-Love-Armbinden inszenieren?
Wer sich genötigt fühlt und hier den Weltverbesserer und Moralapostel spielen will, der soll ruhig entsprechende Symbol-Binden an Armen und Beinen tragen und sich auch noch bei Bedarf bunt tätowieren. Aber man soll derartige internationale Sport-Events wie die Fußball-WM absolut und ausnahmslos unpolitisch und neutral belassen.
Die teilnehmenden Sportler und Funktionäre sollen sich voll und ganz auf das Sportereignis konzentrieren und weiter nichts. Außerdem sind für derartige Begleit-Aktionen wie die One-Love-Armbinden die Grenzen nach oben kaum definierbar und setzbar.