OVB-Forum zum Ukraine-Krieg
„Wir sind nicht mehr ganz bei Sinnen“ - Leser diskutieren über Deutschlands Rolle im Ukraine-Krieg
Wie sollte Deutschland sich in Anbetracht des Krieges in der Ukraine verhalten? Ist die „Zeitenwende“, die Kanzler Olaf Scholz angekündigt hat unumgänglich? Und falls ja, was genau soll sie bedeuten? Darüber diskutieren die OVB-Leser.
Manfred Schönhofer (Rosenheim): „Ja. Es ist eine Unverschämtheit von Botschafter Melnyk, den Bundeskanzler eine beleidigte Leberwurst zu nennen“. So beginnt Herr Anastasiadis seinen Kommentar, um schon im zweiten Satz der Aussage des Botschafters als „Wahrheit“ zuzustimmen. Die Ausladung des Bundespräsidenten durch die Ukraine verharmlost der Kommentator als „diplomatische Kränkung“. In Wahrheit war dies ein Affront gegen die Bundesrepublik, der weder durch die Regierung noch in den Medien angemessen behandelt wurde.
Es ist natürlich legitim, dass die Ukraine mit allen Mitteln versucht, ihr Land gegen Putins Russland zu verteidigen. Doch wie schon Kathrin Braun in ihrem Kommentar in den OVB-Heimatzeitungen mit Blick auf Selenskyj geschrieben hat: „Ein Medienprofi setzt die Welt unter Druck […] und dass es nicht klug wäre, unter diesem Druck einzuknicken“.
Deutschland unterstützt die Ukraine mit viel Geld (seit 2014 etwa zwei Milliarden Euro) und seit einiger Zeit mit Waffen. Die Regierung entscheidet mit Bedacht über Waffen und Sanktionen gemäß ihrem Amtseid, den Nutzen des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden. Wir haben mehr zu verlieren als andere. Die „Schuld“ für die Abhängigkeit von russischer Energie nur der SPD anzulasten, ist dreist. Nicht von ungefähr wäre Bayern von einem Embargo mit am stärksten betroffen. Von den hierfür ursächlichen engen Kontakten zu Russland will man jetzt aber nichts mehr wissen.
„Zeit, dass wir wieder autark werden“
Franz Oberberger (Frasdorf): Was machen wir, wenn sich nicht nur Indien mit Putin solidarisiert, sondern auch China? Kaufen wir dann unseren ganzen Chinaschrott auf dem Mond? Fast jeder Autohersteller wollte auch in Russland und China produzieren beziehungsweise machte sich sogar davon abhängig. Jetzt sieht man, was die so hochgelobte Globalisierung wert ist. Es wird Zeit, dass wir wieder autark werden, nicht nur militärisch.
Nikolaus Oppenrieder (Rosenheim): Die Forderungen von allen Seiten an Deutschland bezüglich eines verstärkten Engagements in der überfallenen Ukraine werden immer drängender und lauter. Vor allen Dingen werden mehr Waffen gefordert, und Deutschland möge sich doch geopolitisch viel stärker und aktiver einbringen. Raus aus der Komfortzone, Führerschaft übernehmen. Weil ich der Nachkriegsgeneration entstamme, reibe ich mir ob dieser Forderungen dann doch die Augen.
Ich habe es während meiner gesamten Lebensspanne so empfunden, dass die uns in der Welt zugedachte Rolle nach zwei verlorenen Kriegen etwa wie folgt definiert ist: Demütig sein, von Deutschland soll nie wieder Krieg ausgehen können, militärisch möglichst schwach bleiben. Frankreich und Großbritannien warnten im Zuge der Wiedervereinigung vor einem zu mächtigen Deutschland. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit wird das Land mit den Vorwürfen aus der jüngeren Geschichte konfrontiert. Buhmann und zugleich Zahlmeister Europas zu sein, gehörte in den vergangenen Jahrzehnten ebenso zur Gefühlswelt meiner Generation.
Alle bisherigen Nachkriegsregierungen haben sich tatsächlich in diese zugedachte Rolle gefügt und entsprechend verhalten. Und jetzt soll plötzlich alles anders sein? Es wird ignoriert, dass wir eine nach klaren Regeln agierende Demokratie sind, bei der über jeden Schritt im Parlament gestritten wird. Wo der Kanzler eben keine präsidiale Macht hat wie in Frankreich oder den USA. Militärische Führer müssen sich für ihre Entscheidungen ganz schnell vor Gerichten verantworten. Der Kanzler schwört beim Amtsantritt, dass er Schaden vom deutschen Volk abwendet. Und das möge bitte auch so bleiben.
Wilfried Rahe (Mühldorf): Vom griechischen Philosophen Karneades wird berichtet, er habe bei seinem Besuch in Rom an einem Tage eine flammende Rede zum Lobe der Gerechtigkeit gehalten und am nächsten Tage eine ebenso überzeugende Rede gegen die Gerechtigkeit. Eine ähnliche geistige Beweglichkeit zeigte die junge Grünen-Politikerin Jamila Schäfer in einem Interview mit den OVB-Heimatzeitungen.
Auf den Spuren des Philosophen-Wirtschaftsministers Robert Habeck präsentierte sie sich als überzeugte Pazifistin und forderte im selben Atemzug tödliche Waffen für die Ukraine.
Die alten Römer waren von der geistigen Wendigkeit des griechischen Philosophen leicht irritiert und warfen ihn aus der Stadt. Heute bringt man es mit solch dialektischer Akrobatik zum beliebtesten Minister einer „Fortschrittskoalition“. Ich gestehe, mir ist das etwas zu viel Fortschritt und Wendigkeit, und ich befürchte, dass das Ganze nicht gut ausgeht.
Reinhard Goldschalt (Grassau): Was lässt sich Deutschland noch alles gefallen? Der Botschafter der Ukraine, dieser Hetzer, beschimpft unseren Bundeskanzler als beleidigte Leberwurst und Feigling, was sehr primitiv ist. Er selbst ist nämlich der größte Feigling. Denn wenn er Rückgrat hätte, würde er runterfahren und mitkämpfen. Er aber sitzt in Berlin und beschimpft Deutschland.
„Man hackt nur noch auf Deutschland herum“
Rainer Hellwig (Raubling): Der ukrainische Botschafter Melnyk und seine Regierung behandeln Deutschland und somit unsere Politiker und unser Volk, als wären wir „der letzte Dreck“. Man hackt nur noch auf Deutschland herum, fordert, beleidigt, pöbelt und verunglimpft uns. Wir haben nicht nur die Finanzen für die bei uns aufgenommenen ukrainischen Flüchtlinge aufzubringen, sondern auch für jene aus anderen Erdteilen, die massenweise hierher drängen. Und: Unser Volk ächzt unter den astronomischen Preissteigerungen auf allen Gebieten.
Da sollte die Ukraine mal langsam einen Gang zurück schalten und dankbar sein, dass wir für 190 Millionen Euro Waffen geliefert haben und das Volk Spenden in nicht unbedeutender Höhe der Ukraine hat zukommen lassen. Ein „Danke“ anstatt Beleidigungen wäre angebracht. Besser wäre es, der Botschafter wird des Landes verwiesen, denn er hat keinen Anstand. Auch wenn es traurig ist, dass die Menschen in der Ukraine im Krieg leiden.
Dr. Andreas Strasser (Bruckmühl): Viermal bezeichnet Herr Schmidt den russischen Präsidenten Putin als Bestie. Er schreibt: „Eine Bestie kam an die Macht“ und „Die Bestie wütet“ und meint damit Putin. Ja, die Entmenschlichung hat wieder Hochkonjunktur, so wie vor jedem Krieg.
Das war auch im Sommer 1914 so, als das Russland des Zaren mit ebensolchen Ausdrücken bedacht wurde. So hat der sozialdemokratische Journalist und spätere Ministerpräsident Kurt Eisner in Münchens Bierkellern Russland als „die Kriegsfurie“ ausgemacht, die zu „erwürgen“ sei, um die Herrschaft des „Kosakentums“ über Europa zu verhindern. Das Ergebnis kennen wir. Verdun. Die Völker Europas haben sich mit einem zuvor nie gekannten Furor selbst zugrunde gerichtet. Dabei waren die Jahre vor Kriegsausbruch gute Jahre für Europa gewesen. Handel, Waren- und Gedankenaustausch hatten Hochkonjunktur.
Der englische Baron Ponsonby (1871 bis 1946) stellte sich nach diesem Inferno die Frage, wie es so weit kommen konnte, und zog ein ernüchterndes Fazit: Kriegspropaganda. Man kann jedes Volk in die Schützengräben treiben, wenn man nur das kleine Einmaleins der Kriegspropaganda beherrscht. Regel Nummer drei lautet zum Beispiel: „Der Führer des Gegners ist ein Teufel.“ Menschen mögen halt nicht gerne auf Menschen schießen. Auf Teufel oder „Bestien“, um auf den Leserbrief zurückzukommen, geht das schon viel leichter.
Lasst uns nie vergessen: Auf den Schlachtfeldern sterben auf beiden Seiten immer nur die Männer, Söhne und Enkel der einfachen Familien. Den Reibach machen andere. Hüten wir uns also davor, selbst zu Propagandisten des Krieges zu werden.
„Wir sind nicht mehr ganz bei Sinnen“
Volker Bastian (Flintsbach): Wir sind nicht mehr ganz bei Sinnen. Wir spielen mit einem Atomkrieg, um der Ukraine zu helfen. Die Amerikaner und die EU sind die Waffenlieferanten Nummer eins und zwei. Wir wollen diesen Konflikt mit Waffen lösen. So kann das nicht gehen, bei einem Atomschlag gibt es für mich nur Verlierer. Die Russen haben x-mal geklagt über die an ihren Grenzen positionierten Raketen. Die USA wollen Russland als Großmacht nicht akzeptieren. Sie empfehlen den Russen, unsere Vasallen-Position einzunehmen, was die Russen schon aus ihrer Geschichte heraus nie akzeptieren würden. Im Umkehrschluss heißt das, den Ersten und Zweiten Weltkrieg hat es nur gegeben, weil die USA in Europa einen starken Wettbewerber in Wirtschaft und Militär nicht dulden konnten. Auch deshalb hat Helmut Kohl den Besatzungsstatus für Deutschland erhalten.
Wir zahlen sogar noch sehr viel Geld für die Amis. Sie spionieren uns aus, sie trauen uns nicht über den Weg. Wohl auch, weil ein gesundes Volk sich wehren würde. Ich verspreche Ihnen, die fangen den Krieg mit Atomwaffen an, weil sich die USA heute noch ausrechnen, aus ihrer strategischen Lage heraus so einen Krieg gewinnen zu können.
Dieser Krieg wird in der Nato ja oft genug geübt, er findet in Zentral-Europa statt. Unter Kohl sind die deutschen Offiziere aus dem Planspiel des Militärs ausgeschieden, wenn es galt, auf Deutschland Atombomben als Lösungsmöglichkeit des Konflikts zu werfen. Das war damals. Der Exportweltmeister wird bald ganz der Vergangenheit angehören. Die USA lösen eiskalt ihre Probleme auf Kosten der Verbündeten. Das ist das Los des Vasallen, und das wollen und werden die Russen nicht mitmachen wollen. Es kann nur eine diplomatische Lösung und ohne Waffen geben.