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OVB-LESERFORUM

„Die Bestie wütet nun“ - Die Frage um Waffenlieferungen an die Ukraine beschäftigt unsere Leser

Ein ukrainischer Soldat repariert einen Panzer nach Kämpfen gegen russische Truppen in der Region Donezk.
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Ein ukrainischer Soldat repariert einen Panzer nach Kämpfen gegen russische Truppen in der Region Donezk.

Der Krieg in der Ukraine ist mit dem Kampf um den Donbass in eine neue Phase gekommen. Die Frage um die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ist seitdem noch dringender geworden. Verschlimmern weitere Waffen nur die Situation oder sind sie das einzige Mittel um sich vor dem Aggressor zu schützen? Das sagen unsere Leser:

Klaus Bleyl (Bad Feilnbach): Olaf Scholz ist Kanzler. Als solcher hat er einen Eid auf unser Grundgesetz geleistet und ist damit verpflichtet, für Frieden, Sicherheit und Wohlstand der Bürger in Deutschland zu arbeiten. Genau das tut er. Und im Sinne des Koalitionsvertrages gelingt das im Einvernehmen mit den Koalitionären relativ gut. Etwas völlig anderes ist der russische Krieg gegen die Ukraine. Seit dem 24. Februar wird die Ukraine in ihrer Wehrhaftigkeit von einer ganzen Reihe von Staaten unterstützt. Alle diese Staaten vermeiden, Kriegspartei zu werden – besonders, wenn sie der Nato angehören. Darüber besteht Konsens im Bündnis. Nun schlägt die Stunde der ausgemusterten Abgeordneten und Hinterbänkler, die den Kanzler mit dem Vorwurf der Unfähigkeit besudeln. Wo waren denn deren Warnrufe in den vergangenen 20 Jahren gegen die Russlandpolitik des Kanzlers und der Kanzlerin? Sie alle ließen es sich in dem jetzt so gerügten Wohlstand in Sicherheit gut gehen.

Noch schäbiger geht es nicht, möchte man meinen. Leider doch. Im Gegensatz zu den Politikern aus der Ukraine, die – wenn auch anmaßend – aus der Notsituation ihres Landes heraus um Hilfe bitten, benutzen die Besudler diese Hilferufe als Deckmantel für parteipolitisches Hickhack. Die Nato-Partner, die laut und nachhaltig Deutschland drängen, schwere Panzer und bestimmte Offensivwaffen an die Ukraine zu liefern, werden doch nicht daran gehindert, das selber zu tun. Kanzler Scholz tut gut daran, klaren Kopf zu bewahren. Ihn als unfähigen Zauderer und Bremser hinzustellen, dient nur dem Zweck, einen Dummen zu finden, dem die Schuld an der möglichen nuklearen Katastrophe aufgebürdet werden kann.

„Die Waffen nieder – Friede ist möglich“

Dieter Bauer (Brannenburg): Die Situation ist ziemlich eindeutig: Die Ukraine kann einen Krieg gegen Russland nicht gewinnen. Jeder Tag Krieg in diesem Land schafft unerträgliches und unvorstellbares Leid und zerstört alles, was zum Leben gebraucht wird. Nötig ist ein sofortiger Wechsel von dem jetzigen Präsidenten Selenskyj zu einem Politiker, der zunächst die Bedingungen Russlands für einen völligen und sofortigen Waffenstillstand akzeptieren kann, zusammen mit einem „sozialem Widerstand“, wie ihn der Friedens- und Konfliktforscher Johan Galtung vorgeschlagen hat. Die Lösung für die Ukraine ist ein neutraler unabhängiger Staat ohne Nato-Mitgliedschaft. Möglicherweise mit einem Autonomiestatus für die Donbas-Region. Anerkennung der Sicherheitsinteressen Russlands und Anerkennung der Mitschuld des Westens und der Nato an diesem furchtbaren Krieg. Keine Waffen für die Ukraine. Europa muss unabhängig von den Machtinteressen der USA werden. Die Waffen nieder – Friede ist möglich.

Klaus Leber (Stephanskirchen): Da gab es mal eine Partei, die wollte Europa am Hindukusch verteidigen – und heute? Nur eine gute Tagesreise entfernt, und man ist nicht in der Lage, Waffen an die Ukraine zu liefern. Die vielen Wenns und Aber sind mittlerweile nicht mehr zu überbieten. Man hat für alles eine Ausrede. Solange Schröder, bester Freund Putins, noch SPD-Mitglied ist, braucht man sich nicht über diese unglaubwürdige Politik zu wundern. Mein Vater ist an der Westfront gefallen, auch er wollte diesen Krieg nicht. Trotzdem bin ich froh, dass die Amerikaner maßgeblich an der Beseitigung des Hitler-Regimes beteiligt waren und für die Freiheit und gegen das Morden einen hohen Blutzoll bezahlt haben. Sie hätten es nicht gebraucht. Wir aber sind nicht in der Lage, einem Staat zu helfen, dem man Land und Freiheit rauben will. Melnyk und Selenskyj sind sicher nicht die besten Diplomaten, aber wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, schreit man eben lauter.

Gerhard Buchholz (Rosenheim): Kapieren die Befürworter schwerer Waffen es nicht, dass schwere Waffen für die Ukraine ein schwerwiegender Fehler wären? Ich bin kein Fan von Kanzler Scholz, aber da hat er diesmal richtig entschieden, dass keine schweren Waffen geliefert werden. Sollen wir uns als Bundesrepublik in den Krieg einmischen? Putin würde es sofort wissen, wenn wir Deutsche in Sachen Waffen uns da einmischen würden. So schlimm es ist, wir sind kein „Bruderland“, wie es so schön heißt. Was soll das? Wir haben fast keine schweren Waffen in Deutschland. Und wenn ja, benötigen wir die im Streitfall zusammen mit der Nato selber, um uns im Falle eines Angriffs zu verteidigen. Das müsste doch jedem eigentlich einleuchten. Es reicht doch, wenn wir zig Milliarden Euro, auch noch für den Aufbau der Ukraine, zahlen werden und auch eine Vielzahl von Flüchtlingen hier aufnehmen. Ist Deutschland für alles verantwortlich? Es reicht, dass Deutschland in der Vergangenheit den Ersten und Zweiten Weltkrieg angezettelt hat.

Markus Brunnhuber (Vagen): Die Frage von Waffenlieferungen in die Ukraine gehört zu den schwierigsten für die europäische Politik in den vergangenen Jahrzehnten. Hierauf wird es keine befriedigende Antwort geben. Es kann nur spekuliert werden, was das kleinere Übel in der Gesamtschau darstellt. Denn so verständlich der Ruf nach Waffen für die Ukraine zu ihrer Selbstverteidigung ist, so laut die Absage an den Pazifismus, so ernüchternd ist die Kehrseite: Waffen erzeugen Gegengewalt, ihr Einsatz verursacht unendlich Leid und Tod und verlängert jeden Krieg. Jeder Krieg endet aber immer mit Verhandlungen.

Es gibt Alternativen zu unserem Tunnelblick „Internationale Aggression: Militärischer Einsatz“: 1. Ein Höchstmaß an internationaler Diplomatie, die derzeit kaum bedient wird. 2. Noch stärkere Sanktionen (Öl-, Kohle). Als erste Reaktion im Ukrainekrieg waren sie ein großer Fortschritt im Vergleich zur kriegslüsternen Situation von 1914, die den Ersten Weltkrieg brachte, müssen aber nun spezifiziert werden. 3. Ziviler beziehungsweise passiver Widerstand, der dringend geschult werden muss.

Es gilt, wehrhaft ohne Waffen zu werden. Informationen gibt es dazu von den Friedensforschungen und Friedensinitiativen genug. Kaum jemand kennt sie. Stellvertretend sei hier genannt: sicherheitneudenken.de. Langfristig müssen wir offensichtlich auch noch viel mehr als bisher auf friedensschaffende Maßnahmen achten wie Bildung, das Sorgen für Gerechtigkeit, völkerverständigende Maßnahmen wie Schüleraustausche und Städtepartnerschaften, auch im Blick auf Entwicklungen in China oder islamistische Strömungen. Für friedliebende Bürger bleibt es eine herausfordernde Aufgabe, sich zur Frage von Waffenlieferungen in die Ukraine zu positionieren.

Paul Schmidt (Marquartstein): Alle Politiker und Kommentatoren in der westlichen Welt (und ihrer Meinung folgend deren Bevölkerung) gehen fest davon aus , dass Russland (vorher die Sowjetunion) eine Bedrohung für den Westen ist. Keiner kommt auf die Idee, die Entwicklung mal aus der Sicht der Russen zu betrachten. Schon bald nach Kriegsende haben USA, England und Frankreich 1949 die Nato als Bündnis gegen die Sowjetunion gegründet. Warum? Hatten sie Angst, dass die Sowjetunion in Frankreich England oder die USA einmarschieren würde?

Dieses Bündnis wurde in den folgenden Jahren immer erweitert: Aufnahme der Türkei 1952, der BRD 1955, Nato-Osterweiterung ab 1991 und 2008 das Versprechen an Georgien und die Ukraine, in die Nato aufgenommen zu werden. Hatte da nicht Russland viel mehr Grund, sich bedroht zu fühlen? Denn die Nato hat Russland systematisch eingekreist und nicht umgekehrt.

Bis Putin an die Macht kam, waren glücklicherweise immer einigermaßen realistisch denkende Politiker verantwortlich, die die Krisen bewältigen konnten. Als Putin 1999 Ministerpräsident wurde, kam eine Bestie an die Macht. Als nach seiner Brandrede 2007 vor der Münchner Sicherheitskonferenz die Nato trotzdem Georgien und der Ukraine die Aufnahme versprochen hat, begann er 2008 den Kaukasus-Krieg und besetzte 2014 die Krim.

Als 2019 Selenskyi unbedingt in die Nato wollte und Biden mehrmals erklärte, die Aufnahme der Ukraine in die Nato sei nicht verhandelbar, begann die Bestie wirklich zu wüten. Biden hatte gemeint, er könne die Bestie bändigen, hat va banque gespielt und verloren. Die Bestie wütet nun und wird nicht aufgeben, bis sie ihr Ziel erreicht hat oder alles in Scherben fällt. Die Schuld wird Frau Merkel und unserem Bundeskanzler zugeschoben.

Rainer Ostermann (Prutting): Manche Leser entschuldigen Putins Krieg mit Kritik an der US-Politik. Okay, aber muss man deshalb blind für Putins Russland sein? Immer wieder werden die Vergleiche mit den Raketen auf Kuba und das Verhalten der Nato generell ins Feld geführt, ohne die Vorgeschichte konsequent zu bedenken.

Die Kuba-Raketen waren Chrustschows Reaktion auf die Raketenstationierung der Nato in der Türkei. Die war aber erst erfolgt, nachdem die Sowjetunion Mittelstreckenraketen in der DDR stationiert hatte. Wer hat sich da aggressiv verhalten? Gorbatschow soll es 1989 einfach versäumt haben, keine Nato-Osterweiterung in die Verträge aufzunehmen? Undenkbar, wenn das für ihn von so großer Bedeutung gewesen wäre. Und wie lange hätte die mündliche Zusage denn vorhalten sollen? Und was ist mit den Sicherheitsbedenken der nun souveränen ehemaligen Ostblock- und der baltischen Staaten? Die wussten genau, warum sie möglichst bald der Nato beitreten wollten. Da haben die USA gewiss keinen Druck ausüben müssen, selbst wenn sie dabei auch wirtschaftliche Interessen verfolgen. Die Sowjets haben es selbst vergeigt: Sie hätten ihre Nachbarn halt besser behandeln müssen. Dass diese Staaten nicht unter russischem Regime, dessen Weltanschauung und Wirtschaftspolitik leben wollen, kann ich als ehemaliger Leipziger gut verstehen. Die Bürger der alten Bundesrepublik sollten nicht vergessen, dass sie ihr freies Leben den Westalliierten verdanken. Wir in Sachsen und Thüringen wären froh gewesen, wenn die Amis im Juli 1945 geblieben wären. Und noch eins: Dass die Sowjetunion 1989 die baltischen Staaten, die Ukraine und andere gehen lassen musste, war dem Zusammenbruch der Sowjetunion als Folge ihrer Politik geschuldet. Putin täte gut daran, das zu akzeptieren.

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