Leserbriefe
Kollektivhaft für russische Bürger ist nicht zielführend
Zu „Manfred Weber für Einreisestopp“ (Politikteil):
Ich muss vorwegnehmen, dass mir bei diesen Aussagen sogar das Wort „Sippenhaft“ in den Sinn kommt. Manfred Weber verlangt ein Einreiseverbot für russische Touristen in die EU. Es sei für ihn „schwer vorstellbar, dass wir gleichzeitig Flüchtlinge aus der Ukraine haben und Russen, die hier das Leben genießen“. Ob Russen bei derartigen Politiker-Äußerungen das Leben in der EU noch genießen können, ist fraglich. Zudem könne er sich „kaum ausmalen, dass ukrainische Flüchtlinge in Sylt oder an der Ostsee für russische Urlauber kellnern müssen“. Möglicherweise greift Weber auf eine Statistik zurück über die kellnernden Ukrainer in Sylt und an der Ostsee, die Russen bedienen müssen. Seine diesbezügliche Äußerung ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Vielleicht entgeht ihm, dass nicht „die Russen“ den Krieg führen, sondern die Führungsschicht, die sich ihrer Soldaten bedient. Wenn er meint, dass „diejenigen, die diesen Krieg mit zu verantworten haben, jetzt bei uns Urlaub machen“, muss er schon jedem einzelnen Russen die Mitverantwortung nachweisen. Denn Kollektivhaftung ist die rechtliche Verantwortung einer Gruppe für Handlungen eines oder mehrerer ihrer Mitglieder. In der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist eine Kollektivhaftung nicht mit dem strafrechtlichen Schuldprinzip vereinbar. Außerdem scheint Weber nicht klar zu sein, was es heißt, in einer Diktatur Widerstand zu leisten, wenn selbst die Verwendung des Wortes „Krieg“ zu einer Haftstrafe führen kann. Insgesamt wird mir persönlich die andauernde Hetze gegen „die Russen“ immer unerträglicher. Weber selbst macht sich mit solchen Äußerungen mitverantwortlich, wenn in Deutschland beziehungsweise in der EU Russen angepöbelt, bedroht oder angegangen werden.
Walter Abel
Bad Endorf