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„Im schlimmsten Fall stirbt ein Kind“ – Tempo 30 in Neumarkt-St. Veit unmöglich?

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An der Hörberinger Straße soll, wenn es nach dem Bürgernetzwerk geht, zeitweise ein streckenbezogenes Tempo 30 angeordnet werden. Das Landratsamt sieht nach wie vor keinen Handlungsbedarf
An der Hörberinger Straße soll, wenn es nach dem Bürgernetzwerk geht, zeitweise ein streckenbezogenes Tempo 30 angeordnet werden. Das Landratsamt sieht nach wie vor keinen Handlungsbedarf. © Schwarz

Ein Bürgernetzwerk fordert Tempo 30 in der Hörberinger Straße, doch das Landratsamt blockiert: Das Thema lässt die Gemüter in Neumarkt-St. Veit. immer wieder hochkochen. Auch unsere Leser beschäftigt die Causa.

Dr. Christian Guse (Neumarkt-St. Veit): Tempo 30 vor einer Grund- und Mittelschule, begrenzt auf die Schulzeiten und auf 300 Meter, das sollte doch eigentlich heutzutage ein Selbstläufer sein. Aber nein, nicht bei uns in Neumarkt-St. Veit.

Die Behörden argumentieren mit dem Satz 1 des Paragrafen 45 Absatz 9 der Straßenverkehrsordnung: „Verkehrsschilder dürfen nur angeordnet werden, wenn es zwingend erforderlich ist.“ Das sei in der Hörberinger Straße nicht der Fall – es läge keine „einfache Gefahrenlage“ vor. Und die braucht es nun einmal, wenn man ein Verkehrsschild (in diesem Falle eines zur Geschwindigkeitsbegrenzung) aufstellen möchte. Das heißt: Es gibt keinen rechtlichen Handlungsspielraum. Tempo 30 nicht möglich. Tatsächlich?

Es stehen doch bereits jetzt Verkehrsschilder in der unübersichtlichen Kurve in der Hörberinger Straße. Diese Schilder müssen also „zwingend erforderlich“ gewesen sein, sonst hätte das Landratsamt sie ja nicht anordnen dürfen. Es handelt sich um Verkehrszeichen 136 „Achtung, Kinder“, welche nach StVO als „Gefahrenzeichen“ eingestuft werden. Diese Schilder weisen also auf das Vorliegen einer Gefahrenlage hin. Wie viele Semester Jurastudium sind also nötig, um den Sachverhalt zu durchschauen? Wenn Schilder auf eine bestehende Gefahr hinweisen und diese in der Vergangenheit ohne unser Zutun angeordnet werden konnten, kann dann die Aussage „Es liegt keine einfache Gefahrenlage vor“ der Wahrheit entsprechen? So schnell verkommt ein Argument zu einer Ausrede und eigentlich möchte ich mich einfach nur noch mit Grausen abwenden, aber dafür steht zu viel auf dem Spiel.

Noch einmal zur Erinnerung: Im schlimmsten Fall läuft ein Kind in ein Auto und stirbt. Und wenn dieser Fall eintritt, trägt dann tatsächlich der Autofahrer die Schuld, mit der er dann leben muss?

Dr. Adelheid Kückelhaus (Neumarkt-St. Veit): Ich verstehe nicht, warum die Straßenverkehrsbehörde im Landkreis Mühldorf so große Hemmungen hat, Tempo 30 anzuordnen. In der einschlägigen Verwaltungsvorschrift vom 17. Mai 2017 heißt es eindeutig: „Innerhalb geschlossener Ortschaften ist die Geschwindigkeit im unmittelbaren Bereich von an Straßen gelegenen (...) allgemeinbildenden Schulen (...), Alten- und Pflegeheimen (...) in der Regel auf Tempo 30 km/h zu beschränken, soweit die Einrichtungen über einen direkten Zugang zur Straße verfügen.“ Dies gilt auch für Staatsstraßen.

Selbst wenn man der Ansicht ist, dass zusätzlich eine (einfache) Gefahrenlage bestehen muss, so ist diese meines Erachtens an der betreffenden Stelle eindeutig gegeben: Wenn Behördenvertreter und Mitglieder des Petitionsausschusses sich direkt an der viel befahrenen Hörberinger Straße getroffen hätten und nicht auf dem weit entfernten Schulhof, hätten sie beobachten können, dass zwischen 12 und 12.30 Uhr etwa 15 Schulkinder die Straße an der Fußgängerampel überquerten. Davon lief ein Kind bei „Rot“ über die Ampel.

Wenn man dies hochrechnet, kommt man auf mehrere potenziell gefährliche Situationen pro Tag. Hinzu kommt, dass die Wege zu beiden Seiten der Straße viel zu schmal sind, um zu Fuß gehende und radelnde Kinder konfliktfrei aufzunehmen. Bei Tempo 50 beträgt der Anhalteweg 27,7 Meter, bei Tempo 30 dagegen nur 13,3 Meter. Die Geschwindigkeitsbeschränkung ist dringend geboten – auch im Interesse der Autofahrer! Oder muss erst ein Kind überfahren werden, bis man ein Schild aufstellt? Ich hoffe sehr, dass die Behörde ihre Haltung revidiert und der Petitionsausschuss zugunsten der besorgten Familien entscheidet!

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