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Letzter EU-Gipfel der Kanzlerin: Merkels sperrige Europabilanz

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Nach über 100 EU-Gipfeln und 16 Jahren als Regierungschefin des größten EU-Landes hinterlässt Angela Merkel ein sperriges europäisches Erbe.

Ex- Kommissionschef Romano Prodi würdigte einst Helmut Kohl mit den Worten, der Kanzler habe mit dem deutschen und europäischen Einigungswerk „Träume in Realität umgesetzt“. Merkel wagte nie zu träumen. Sie hat Europa als ehrliche Maklerin in Krisenzeiten lieber nur verwaltet.

Nie wurde dieses Fehlen einer konzeptionellen Vision Europas bei Merkel deutlicher als nach der Sorbonne-Rede Emmanuel Macrons. Der französische Präsident wollte mit seinen hochfliegenden Plänen Europa aus der Lethargie reißen – wartet aber bis heute vergeblich auf eine adäquate Antwort aus Berlin. Merkels Ankündigung 2005 in ihrer ersten Regierungserklärung, sie wolle eine „Politik der kleinen Schritte“ betreiben, galt auch für die Europäische Union. Ihre hohe internationale Reputation als (vermeintliche) Führerin Europas verdankt die Frau aus der Uckermark vor allem ihrer Persönlichkeit als bescheidene, ehrliche und verlässliche Politikerin, die sich in Krisenzeiten als exzellente Vermittlerin profilierte.

So paradox es klingt: Merkel hat Europa als „Kompromissmaschine“ zusammengehalten, gleichzeitig hat sie aber Spaltungstendenzen in der EU befeuert – siehe ihre Migrationspolitik, die nicht nur zu Osteuropa Gräben aufriss, sondern auch die Brexiteers munitionierte. Auch den Renationalisierungs-Tendenzen in einer wachsenden Zahl von Ländern, die die Union als reinen Geldumverteilungsautomaten missinterpretieren, hat sie zu lange tatenlos zugesehen.

Als Persönlichkeit wird Europa Angela Merkel sicher vermissen. Als Impulsgeberin für eine geeinte, starke EU in einer immer komplizierteren Welt eher nicht.

Alexander.Weber@ovb.net

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