Meinung
Fracking, Atom, Gas: Die falsche Zeit für Denkverbote
- VonGeorg Anastasiadisschließen
Man kann Ministerpräsident Söder ja viel vorwerfen, aber nicht, dass er sich mit halben Sachen begnügte: Um den Kriegsaggressor Putin in die Schranken zu weisen, will der CSU-Chef jetzt sogar die hoch umstrittene Fracking-Technologie zur Gewinnung von Öl und Gas im Inland neu diskutieren.
Die USA sind dank Fracking energiepolitisch nahezu autark, doch in Deutschland ist die Debattenlage eine ganz andere: Dieses heiße Eisen auch nur anzufassen kommt hier einem politischen Selbstmordversuch gleich.
Bevor jetzt alle reflexhaft über Söder herfallen, wäre ein Moment des Innehaltens sinnvoll. Ja, es macht keinen Spaß, bei den Ölscheichs Klinken putzen zu gehen oder über Formen der Energiegewinnung zu reden, die viel gesellschaftlichen Streit und wenig politischen Lorbeer versprechen. Es gibt gute Gründe, Fracking abzulehnen, doch wird die Industrienation Deutschland ihren Energiehunger irgendwie stillen müssen. Wenn wir das Wort von der Zeitenwende ernst meinen und den Mörder Putin nicht mit unseren Öl- und Gasmilliarden zu weiteren Kriegsabenteuern ermutigen wollen, dürfen wir uns keine Denkverbote auferlegen. Auch die unpopuläre Gasförderung im Wattenmeer und ein – zeitlich befristetes – Tempolimit bei 120 oder 130 km/h könnten helfen.
Mehr Beweglichkeit würde man sich freilich auch von den Grünen wünschen. Niemand verurteilt, was zu begrüßen ist, die Verbrechen des Kremls schärfer als die neuen Umfragelieblinge Habeck und Baerbock. Doch würden ihre Warnungen Putin noch mehr beeindrucken, wenn beide ihren Widerstand gegen einen temporären Weiterbetrieb der letzten deutschen Atommeiler aufgäben. Ein Energieembargo muss man sich schließlich leisten können.