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Energiepolitik: Die deutsche Geisterfahrt muss endlich aufhören
- VonGeorg Anastasiadisschließen
Groß ist in Kiew jetzt die Empörung über den deutsch-kanadischen Turbinen-Ringtausch zur Umgehung der Russland-Sanktionen. Doch bei allem Verständnis für Selenskyjs Wunsch nach maximaler Härte gegen Moskau gilt: Auch dem Kriegsopfer Ukraine ist am Ende nicht geholfen, wenn sein Unterstützer Deutschland sich selbst ins Knie schießt.
Frierende deutsche Rentner, die im Winter in Turnhallen untergebracht werden, haben ganz gewiss andere Sorgen, als sich über mangelnden Eifer bei der Unterstützung der Ukraine zu entrüsten.
So weit wird es mit etwas Glück nicht kommen. Moskau hat auch jetzt noch ein gewisses Interesse daran, sich als Gas-Lieferant nicht vollends unmöglich zu machen. Dreht der Kreml nach den etwa zehntägigen Wartungsarbeiten an der Pipeline Nord Stream I den Europäern den Gashahn wirklich dauerhaft zu, verliert er sein wichtigstes Druckmittel, das Russland im weiteren Kriegsverlauf noch prima gebrauchen kann.
Und seinen Spaß hatte Putin mit seinem Katz-und-Maus-Spiel schon jetzt. Deutschlands Gas-Panik, die aufgeregten Debatten und apokalyptischen Szenarien waren ganz nach dem Geschmack des Zynikers im Kreml, haben sie der Bundesregierung doch seine Macht deutlich vor Augen geführt.
Noch schöner wäre es, wenn die Ampel daraus jetzt auch die richtigen Schlüsse zöge. Deutschlands Lage ist so prekär, dass es im Winter auf keine seiner wenigen verlässlichen Energiequellen verzichten kann. Das trotzige Beharren von Außenministerin Baerbock auf der unwiderruflichen und pünktlichen Abschaltung der letzten Atommeiler ist ein Luxus, der so ganz und gar nicht zu den feurigen grünen Schwüren passt, Putin in der Ukraine die Stirn zu bieten. Als energiepolitischer Geisterfahrer ist Deutschland schon viel zu lange unterwegs.