Meinung
Einstimmingkeits-Prinzip der EU: Einer sagt immer „Nein“
- VonMike Schierschließen
Zum Beginn seiner Doppelrolle als EVP-Partei- und -Fraktionschef hat Manfred Weber versucht, einer alten Debatte neuen Schwung zu verleihen: der Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips in der EU.
Schon als Jean Claude Juncker und Martin Schulz in Brüssel das Sagen hatten, wurde darüber lamentiert, dass die Union nicht vom Fleck komme, wenn immer alle 27 Mitglieder einer Meinung sein müssten. Das beste Beispiel ist die Regelung selbst: Weil Quertreiber wie Ungarn ihr Blockadeinstrument nie aus der Hand geben würden, ändert sich nichts.
Geändert aber haben sich die Zeiten: Der russische Einmarsch in die Ukraine und die wachsende Bedrohung der EU verlangen von den Europäern, ja vom ganzen Westen, ein entschlosseneres Auftreten. Man kann es sich nicht mehr leisten, dass in der Nato ein Recep Tayyip Erdogan elementare Entscheidungen wie den Beitritt von Schweden und Finnland blockiert, weil es ihm innenpolitisch gerade in den Kram passt. In der EU könnte Putin-Freund Viktor Orbán noch länger härtere Sanktionen gegen Russland blockieren. Auch eine konsequentere Haltung gegenüber China dürfte schwierig werden.
Klar sollte sein: Bevor dieses Problem nicht gelöst ist, kann es keine weitere Ausweitung der EU mehr geben. Die Kandidaten – Serbien, Montenegro, Mazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo und womöglich auch noch die Ukraine – haben einfach zu unterschiedliche Hintergründe. Einer wird da immer bremsen und sei es nur, um sich ein „Ja“ möglichst teuer zu erkaufen. Das gilt übrigens auch für Deutschland, beispielsweise in Steuerund Finanzfragen. Eine Umstellung auf ein Mehrheitsprinzip hätte also auch für uns Schattenseiten – doch ohne wird die EU immer zu schwerfällig bleiben.