Räum- und Streupflicht im Winter
So teuer kann Euch ein ungeräumter Gehweg zu stehen kommen
- VonAndrea Schmiedlschließen
- Franziska Osterhammerschließen
Der erste Schneefall bedeutet für Viele, dass sie wieder regelmäßig Gehwege räumen und gegen Glätte streuen müssen. Aber wer ist genau für einen geräumten und rutschfreien Gehweg verantwortlich? Hier erfahrt Ihr alles zur Rechtslage – und was Euch bei Verstößen droht.
In Deutschland gibt es die sogenannte Räum- und Streupflicht. Damit soll sichergestellt werden, dass Unfälle aufgrund von verschneiter und vereister Straßen minimiert werden. Aber was genau muss geräumt werden, und wer ist dafür verantwortlich? Wir haben Euch die wichtigsten Fakten zusammengestellt.
Wer muss die Räum- und Streupflicht ausführen?
Zunächst ist jede Gemeinde für das Räumen und Streuen von Gehwegen und öffentlichen Straßen zuständig. Oft wird diese Pflicht in der kommunalen Satzung aber auf die Anlieger beziehungsweise Eigentümer übertragen – die diese wiederum an die Mieter oder einen Hausmeisterservice abtreten können. Wie genau die Lage in Eurem Fall geregelt ist, steht in Eurem Mietvertrag.
Wohnt Ihr in einem Mehrparteienhaus, solltet Ihr – insofern nicht bereits geschehen – die Aufteilung der Räum- und Streupflicht unter den Nachbarn ebenfalls schriftlich festhalten, so lassen sich Missverständnisse und Konflikte unter den Mietern vermeiden. Es ist nämlich keinesfalls die Regel, dass einfach die Mieter in den Erdgeschosswohnungen den Räumdienst übernehmen. Um Schneeschaufeln und Streumaterial müsst Ihr Euch als Mieter aber nicht kümmern – das muss der Vermieter zur Verfügung stellen.
Wo und wann genau gilt die Räum- und Streupflicht?
Die Räum- und Streupflicht gilt auf dem Gehweg vor dem Wohnhaus, außerdem bei Mietanlagen vor dem Haupteingang, auf dem Weg zu den Mülltonnen, auf Stellplätzen und Garagen. Auf dem Gehweg muss ein circa 1,20 Meter breiter Streifen freigeräumt werden, damit zwei Personen nebeneinander Platz finden. Für den Weg zu den Mülltonnen reicht ein schmalerer Streifen. Und sollte kein Gehweg vor Eurem Haus vorbeiführen, müsst Ihr einen breiten Streifen am Straßenrand freiräumen.
Diese Wege müssen werktags von 7 bis 20 Uhr, sonn- und feiertags von 9 bis 20 Uhr von Schnee freigehalten werden – mit Ausnahmen. Wenn es triftige Gründe gibt, weswegen der Gehweg oder der Parkplatz schon früher bzw. später genutzt wird, gilt die Räum- und Streupflicht auch in diesen Zeiten. Zu einem Vorfall, bei dem eine Metzgereimitarbeiterin morgens um 5 Uhr vor dem Betriebstor aufgrund eines ungeräumten Gehweges stürzte, urteilte das Oberlandesgericht Koblenz, ihr Arbeitgeber habe seine Räum- und Streupflicht verletzt – schließlich war ihr offizieller Arbeitsbeginn um 5 Uhr, und die Wege hätten dementsprechend bereits geräumt sein müssen. Aber keine Sorge: Zeitungsausträger oder einzelne Frühaufsteher gelten nicht als „triftiger Grund“.
Muss ich dann zwischen 7 bzw. 9 Uhr und 20 Uhr pausenlos räumen?
Nein. In den Gemeindeverordnungen heißt es, dass so oft Schnee geräumt werden muss, wie es zur „Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz erforderlich ist“. Bei Dauerschneefall kann das zwar öfters am Tag der Fall sein, als an einem niederschlagsärmeren Tag, aber selbst dann ist es laut dem Bundesgerichtshof nicht zumutbar, von Mietern zu verlangen, den Gehweg ununterbrochen von Schnee zu befreien.
Was ist, wenn ich zu dieser Zeit immer verhindert oder länger im Urlaub bin?
In solchen Fällen seid Ihr in der Pflicht, Euch um eine Vertretung zu kümmern. Entweder Ihr habt Glück, und könnt einen Nachbarn dazu bewegen, Euren Räumdienst zu übernehmen, oder Ihr fragt einen Freund, der in der Nähe wohnt. Klappt das nicht, beauftragt Ihr am besten einen Hausmeisterservice. Habt Ihr keine Vertretung organisiert und ein Fußgänger stürzt und verletzt sich auf dem deshalb ungeräumten Weg, tragt Ihr dafür die Verantwortung.
Wohin mit dem Schnee?
Grundsätzlich darf der Schnee nur aufs eigene Grundstück geräumt werden – beim Nachbarn abladen ist nur in Ordnung, wenn das explizit so vereinbart wurde. Auch auf die Straße dürft Ihr den Schnee nicht räumen, da damit der Verkehr gefährdet werden könnte. Das gilt deshalb als eine Ordnungswidrigkeit. Manchmal gibt es in Gemeinden auch spezielle Lageflächen für weggeräumten Schnee, genauere Infos dazu gibt Euch Euer Rathaus.
Was darf ich zum Streuen verwenden?
Wenn es rutschig wird auf den Gehwegen, müsst Ihr den Bereich, für den Ihr verantwortlich seid, sofort streuen. Wenn zu erwarten ist, dass sich über Nacht Glatteis bildet, müsst Ihr gemäß der Streupflicht sogar vorbeugend streuen.
Splitt, Sand und Asche sind in der Regel überall erlaubt. Streusalz hingegen darf nur an besonders gefährlichen Stellen – zum Beispiel Treppen oder bei besonders steilen Steigungen – eingesetzt werden. Der Grund: Streusalz ist schädlich für Pflanzen und Grundwasser. Werdet Ihr beim unrechtmäßigen Verwenden von Streusalz erwischt, kann das mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro geahndet werden.
Müssen auch Dächer und Vordächer von Schnee und Eis befreit werden?
Was genau Ihr tun müsst, hängt von der allgemeinen Schneelage, der Beschaffenheit des Gebäudes sowie Art und Umfang des vorbeiführenden Verkehrs ab.
Aber lange Eiszapfen am Vordach können auf jeden Fall gefährlich werden, genauso wie Schneeberge auf dem Dach. Zum einen für die Statik des Hauses, zum anderen für Passanten, die durch abgehende Dachlawinen oder Eiszapfen, die sich von Dachrinnen lösen, verletzt werden können.
Diese Gefahrenquellen zu beseitigen, ist Sache des Eigentümer beziehungsweise des Vermieters und kann nicht auf Mieter abgewälzt werden. Er muss dafür sorgen, dass das Dach regelmäßig vom Schnee befreit wird, am besten mit Hilfe eines Fachmanns.
Was droht, wenn der Gehweg nicht geräumt wird?
In der Regel kontrollieren Gemeinden stichprobenartig, ob sich die Anlieger an die Räum- und Streupflicht halten. Ist das nicht der Fall, bekommt Ihr ein Schreiben der Gemeinde. Weigert Ihr Euch dann immer noch, Euren Gehweg zu räumen, könnt Ihr dafür mit einem Bußgeld bis zu 1000 Euro bestraft werden.
Bei Unfällen kann es noch teurer werden
Wenn sich ein Fußgänger auf Eurem ungeräumten und ungestreuten Weg verletzt, steht ihm Schmerzensgeld und Schadenersatz zu, außerdem müssen die Behandlungskosten übernommen werden.
Immobilienbesitzer, die ihr Haus selbst bewohnen, können sich mit einer Privathaftpflicht-Police gegen solche Ansprüche absichern. Das Gleiche gilt für Mieter, die den Winterdienst übernehmen müssen. Hauseigentümer von Mietshäusern können sich mit einer Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung schützen.
Wichtig: Einen Unfall solltet Ihr immer sofort Eurer Versicherung mitteilen – sonst kann der Fall vor Gericht landen.
Aber: Fußgänger müssen trotzdem aufpassen
Wie Gerichte aber in ihren Urteilen immer wieder klarmachen, kann es keinen lückenlosen Schutz geben. Fußgänger müssen bei entsprechendem Wetter jederzeit damit rechnen, dass nicht überall gestreut ist. Außerdem müssen sie geeignetes Schuhwerk tragen.
fso/as